trefflich stehen muß, und eilte nur von der Straße weg, sich zu entschuldigen."
Nach einiger Zeit erschien, in Begleitung eines Andern, der Erwartete wirklich. Es war ein herzer- freuendes Wiedersehen, ein immer neu erstauntes trunkenes Begrüßen und Frohlocken unter den Dreien. Wie ergözten sich die Freunde an dem stattlichen An- sehen Theobalds, an dem reinen Anstande, den ihm das Leben in höherer Gesellschaft unvermerkt ange- haucht hatte, nur verbargen sie ihm nicht, daß die kräftige Röthe seiner Wangen in Zeit von wenigen Jahren um ein Merkliches verschwunden sey. Er sah jedoch immer noch gesund und frisch genug neben sei- nem hageren Begleiter, dem Schauspieler Larkens, aus, den er so eben freundschaftlich produciren wollte, als dieser sofort mit der angenehmsten Art sich selber empfahl und mit den Worten schloß: "Nun setz' dich, liebes Kleeblatt! Ich werde mich mit eurer Erlaubniß bald auch zu euch gesellen, aber den ersten Perl- und Brauseschaum des Wiederfindens müßt' ihr durchaus mit- einander wegschlürfen! Ich sehe dort ein paar Spieler- hände konvulsivisch fingern, das ist auf mich abgesehen."
Damit sezte er sich zu dem alten Herrn in der Ecke, den unser Nolten erst jezt gewahr wurde und nicht ohne Achtung begrüßte. "Sag' mir doch," fragte Leopold heimlich, "was für eine Art von Kenner das ist? Er hat die wunderlichsten Begriffe von dir."
"Ach," lächelte der Freund, "da kann ich dir
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trefflich ſtehen muß, und eilte nur von der Straße weg, ſich zu entſchuldigen.“
Nach einiger Zeit erſchien, in Begleitung eines Andern, der Erwartete wirklich. Es war ein herzer- freuendes Wiederſehen, ein immer neu erſtauntes trunkenes Begrüßen und Frohlocken unter den Dreien. Wie ergözten ſich die Freunde an dem ſtattlichen An- ſehen Theobalds, an dem reinen Anſtande, den ihm das Leben in höherer Geſellſchaft unvermerkt ange- haucht hatte, nur verbargen ſie ihm nicht, daß die kräftige Röthe ſeiner Wangen in Zeit von wenigen Jahren um ein Merkliches verſchwunden ſey. Er ſah jedoch immer noch geſund und friſch genug neben ſei- nem hageren Begleiter, dem Schauſpieler Larkens, aus, den er ſo eben freundſchaftlich produciren wollte, als dieſer ſofort mit der angenehmſten Art ſich ſelber empfahl und mit den Worten ſchloß: „Nun ſetz’ dich, liebes Kleeblatt! Ich werde mich mit eurer Erlaubniß bald auch zu euch geſellen, aber den erſten Perl- und Brauſeſchaum des Wiederfindens müßt’ ihr durchaus mit- einander wegſchlürfen! Ich ſehe dort ein paar Spieler- hände konvulſiviſch fingern, das iſt auf mich abgeſehen.“
Damit ſezte er ſich zu dem alten Herrn in der Ecke, den unſer Nolten erſt jezt gewahr wurde und nicht ohne Achtung begrüßte. „Sag’ mir doch,“ fragte Leopold heimlich, „was für eine Art von Kenner das iſt? Er hat die wunderlichſten Begriffe von dir.“
„Ach,“ lächelte der Freund, „da kann ich dir
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trefflich ſtehen muß, und eilte nur von der Straße
weg, ſich zu entſchuldigen.“
Nach einiger Zeit erſchien, in Begleitung eines
Andern, der Erwartete wirklich. Es war ein herzer-
freuendes Wiederſehen, ein immer neu erſtauntes
trunkenes Begrüßen und Frohlocken unter den Dreien.
Wie ergözten ſich die Freunde an dem ſtattlichen An-
ſehen Theobalds, an dem reinen Anſtande, den ihm
das Leben in höherer Geſellſchaft unvermerkt ange-
haucht hatte, nur verbargen ſie ihm nicht, daß die
kräftige Röthe ſeiner Wangen in Zeit von wenigen
Jahren um ein Merkliches verſchwunden ſey. Er ſah
jedoch immer noch geſund und friſch genug neben ſei-
nem hageren Begleiter, dem Schauſpieler Larkens,
aus, den er ſo eben freundſchaftlich produciren wollte,
als dieſer ſofort mit der angenehmſten Art ſich ſelber
empfahl und mit den Worten ſchloß: „Nun ſetz’ dich,
liebes Kleeblatt! Ich werde mich mit eurer Erlaubniß
bald auch zu euch geſellen, aber den erſten Perl- und
Brauſeſchaum des Wiederfindens müßt’ ihr durchaus mit-
einander wegſchlürfen! Ich ſehe dort ein paar Spieler-
hände konvulſiviſch fingern, das iſt auf mich abgeſehen.“
Damit ſezte er ſich zu dem alten Herrn in der
Ecke, den unſer Nolten erſt jezt gewahr wurde und
nicht ohne Achtung begrüßte. „Sag’ mir doch,“ fragte
Leopold heimlich, „was für eine Art von Kenner
das iſt? Er hat die wunderlichſten Begriffe von dir.“
„Ach,“ lächelte der Freund, „da kann ich dir
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Mörike, Eduard: Maler Nolten. Bd. 1. Stuttgart, 1832, S. 33. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moerike_nolten01_1832/41>, abgerufen am 17.02.2025.
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