lezten Beweis meiner Erkenntlichkeit um so leichter verschmerzen machte. Er empfing mein immer an- sehnliches Geschenk mit einer Miene von Stolz und Freundlichkeit, erbot sich zu einem Ehrengeleite, was ich aber ausschlug, und er versprach, meiner Bitte ge- mäß, die Andern in meinem Namen zu grüßen, da ich aus Schonung für Marwin einen allgemeinen Abschied vermeiden wolle. Im Grunde aber unter- ließ ich den Abschied aus Schonung für mich selber, aus einem eigenen Schamgefühl, das mich nicht vor den Menschen treten ließ, den ich um seine schönste Hoffnung zu betrügen gedachte. Ich suchte mich da- mit zu trösten, daß ich mir sagte, er werde um Nichts beraubt, das er je besessen hätte oder jemals besitzen könnte, denn Loskinens Herz war weit von ihm entfernt.
In kurzer Zeit befand ich mich wieder allein und in meinen ordentlichen Kleidern. Ich verfolgte zu Pferde mit einem gleichfalls berittenen Begleiter aus dem nächsten Dorfe einen Umweg nach G ***, wel- chen, wie zu vermuthen war, der Hauptmann nicht einschlug. Diese Vorsicht gebrauchte ich auf alle Fälle, so wie ich ihm auch die Richtung meiner Reise falsch angab.
In G. langt' ich bei Zeiten an und nahm mein Absteigequartier gemäß dem Loskinen gegebenen Worte. Was meine Absicht weiter fördern konnte ward unverzüglich eingeleitet. Einige neue Kleidungs-
lezten Beweis meiner Erkenntlichkeit um ſo leichter verſchmerzen machte. Er empfing mein immer an- ſehnliches Geſchenk mit einer Miene von Stolz und Freundlichkeit, erbot ſich zu einem Ehrengeleite, was ich aber ausſchlug, und er verſprach, meiner Bitte ge- mäß, die Andern in meinem Namen zu grüßen, da ich aus Schonung für Marwin einen allgemeinen Abſchied vermeiden wolle. Im Grunde aber unter- ließ ich den Abſchied aus Schonung für mich ſelber, aus einem eigenen Schamgefühl, das mich nicht vor den Menſchen treten ließ, den ich um ſeine ſchönſte Hoffnung zu betrügen gedachte. Ich ſuchte mich da- mit zu tröſten, daß ich mir ſagte, er werde um Nichts beraubt, das er je beſeſſen hätte oder jemals beſitzen könnte, denn Loskinens Herz war weit von ihm entfernt.
In kurzer Zeit befand ich mich wieder allein und in meinen ordentlichen Kleidern. Ich verfolgte zu Pferde mit einem gleichfalls berittenen Begleiter aus dem nächſten Dorfe einen Umweg nach G ***, wel- chen, wie zu vermuthen war, der Hauptmann nicht einſchlug. Dieſe Vorſicht gebrauchte ich auf alle Fälle, ſo wie ich ihm auch die Richtung meiner Reiſe falſch angab.
In G. langt’ ich bei Zeiten an und nahm mein Abſteigequartier gemäß dem Loskinen gegebenen Worte. Was meine Abſicht weiter fördern konnte ward unverzüglich eingeleitet. Einige neue Kleidungs-
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lezten Beweis meiner Erkenntlichkeit um ſo leichter
verſchmerzen machte. Er empfing mein immer an-
ſehnliches Geſchenk mit einer Miene von Stolz und
Freundlichkeit, erbot ſich zu einem Ehrengeleite, was
ich aber ausſchlug, und er verſprach, meiner Bitte ge-
mäß, die Andern in meinem Namen zu grüßen, da
ich aus Schonung für Marwin einen allgemeinen
Abſchied vermeiden wolle. Im Grunde aber unter-
ließ ich den Abſchied aus Schonung für mich ſelber,
aus einem eigenen Schamgefühl, das mich nicht vor
den Menſchen treten ließ, den ich um ſeine ſchönſte
Hoffnung zu betrügen gedachte. Ich ſuchte mich da-
mit zu tröſten, daß ich mir ſagte, er werde um Nichts
beraubt, das er je beſeſſen hätte oder jemals beſitzen
könnte, denn Loskinens Herz war weit von ihm
entfernt.
In kurzer Zeit befand ich mich wieder allein und
in meinen ordentlichen Kleidern. Ich verfolgte zu
Pferde mit einem gleichfalls berittenen Begleiter aus
dem nächſten Dorfe einen Umweg nach G ***, wel-
chen, wie zu vermuthen war, der Hauptmann nicht
einſchlug. Dieſe Vorſicht gebrauchte ich auf alle Fälle,
ſo wie ich ihm auch die Richtung meiner Reiſe falſch
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In G. langt’ ich bei Zeiten an und nahm mein
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Mörike, Eduard: Maler Nolten. Bd. 1. Stuttgart, 1832, S. 314. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moerike_nolten01_1832/322>, abgerufen am 05.12.2024.
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