und ein leidlicheres Bette auf mich gewartet haben würden. Mit solchen Bildern beschäftigt, bemerkte ich jezt in einiger Entfernung durch das Gezweige hindurch den Glanz eines Feuers. Meine ganze Einbildungs- kraft entzündete sich in diesem Anblick unter tausend mehr oder weniger angenehmen Vermuthungen; aber bald entschloß ich mich zu einer genauern Untersuchung. Nach einer mühsam zurückgelegten Strecke von etwa fünfzehn Schritten unterschied ich eine bunte Gesellschaft von Männern, Weibern und Kindern auf einem etwas freien Platz um ein Feuer herumsitzend und zum Theil von einer Art unordentlichen Gezeltes bedeckt; sie führ- ten, so viel ich hörte, ein zufriedenes aber lebhaftes Gespräch.
Das Herz hüpfte mir vor Freuden, hier einen Trupp von Zigeunern anzutreffen, denn ein altes Vor- urtheil für dieß eigenthümliche Volk wurde selbst durch das Bewußtseyn meiner gänzlichen Schutzlosigkeit nicht eingeschreckt. Ich weiß nicht, welches rasche zuversicht- liche Gefühl mich überredete, daß wenigstens bei dieser Versammlung durch eine offene Ansprache nichts zu wagen sey. Mein kleiner Tubus trug in keinem Fall etwas dazu bei, denn bei einer physiognomischen Unter- suchung der vom rothen Schein der Flamme beleuchte- ten Köpfe hätte mein Urtheil unentschieden bleiben müs- sen, trotz der frappantesten Deutlichkeit, womit jeder Zug sich vor mein Auge stellte. Ich trat hervor, ich grüßte treuherzig und erfuhr ganz die gehoffte Auf-
und ein leidlicheres Bette auf mich gewartet haben würden. Mit ſolchen Bildern beſchäftigt, bemerkte ich jezt in einiger Entfernung durch das Gezweige hindurch den Glanz eines Feuers. Meine ganze Einbildungs- kraft entzündete ſich in dieſem Anblick unter tauſend mehr oder weniger angenehmen Vermuthungen; aber bald entſchloß ich mich zu einer genauern Unterſuchung. Nach einer mühſam zurückgelegten Strecke von etwa fünfzehn Schritten unterſchied ich eine bunte Geſellſchaft von Männern, Weibern und Kindern auf einem etwas freien Platz um ein Feuer herumſitzend und zum Theil von einer Art unordentlichen Gezeltes bedeckt; ſie führ- ten, ſo viel ich hörte, ein zufriedenes aber lebhaftes Geſpräch.
Das Herz hüpfte mir vor Freuden, hier einen Trupp von Zigeunern anzutreffen, denn ein altes Vor- urtheil für dieß eigenthümliche Volk wurde ſelbſt durch das Bewußtſeyn meiner gänzlichen Schutzloſigkeit nicht eingeſchreckt. Ich weiß nicht, welches raſche zuverſicht- liche Gefühl mich überredete, daß wenigſtens bei dieſer Verſammlung durch eine offene Anſprache nichts zu wagen ſey. Mein kleiner Tubus trug in keinem Fall etwas dazu bei, denn bei einer phyſiognomiſchen Unter- ſuchung der vom rothen Schein der Flamme beleuchte- ten Köpfe hätte mein Urtheil unentſchieden bleiben müſ- ſen, trotz der frappanteſten Deutlichkeit, womit jeder Zug ſich vor mein Auge ſtellte. Ich trat hervor, ich grüßte treuherzig und erfuhr ganz die gehoffte Auf-
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0310"n="302"/>
und ein leidlicheres Bette auf mich gewartet haben<lb/>
würden. Mit ſolchen Bildern beſchäftigt, bemerkte ich<lb/>
jezt in einiger Entfernung durch das Gezweige hindurch<lb/>
den Glanz eines Feuers. Meine ganze Einbildungs-<lb/>
kraft entzündete ſich in dieſem Anblick unter tauſend<lb/>
mehr oder weniger angenehmen Vermuthungen; aber<lb/>
bald entſchloß ich mich zu einer genauern Unterſuchung.<lb/>
Nach einer mühſam zurückgelegten Strecke von etwa<lb/>
fünfzehn Schritten unterſchied ich eine bunte Geſellſchaft<lb/>
von Männern, Weibern und Kindern auf einem etwas<lb/>
freien Platz um ein Feuer herumſitzend und zum Theil<lb/>
von einer Art unordentlichen Gezeltes bedeckt; ſie führ-<lb/>
ten, ſo viel ich hörte, ein zufriedenes aber lebhaftes<lb/>
Geſpräch.</p><lb/><p>Das Herz hüpfte mir vor Freuden, hier einen<lb/>
Trupp von Zigeunern anzutreffen, denn ein altes Vor-<lb/>
urtheil für dieß eigenthümliche Volk wurde ſelbſt durch<lb/>
das Bewußtſeyn meiner gänzlichen Schutzloſigkeit nicht<lb/>
eingeſchreckt. Ich weiß nicht, welches raſche zuverſicht-<lb/>
liche Gefühl mich überredete, daß wenigſtens bei dieſer<lb/>
Verſammlung durch eine offene Anſprache nichts zu<lb/>
wagen ſey. Mein kleiner Tubus trug in keinem Fall<lb/>
etwas dazu bei, denn bei einer phyſiognomiſchen Unter-<lb/>ſuchung der vom rothen Schein der Flamme beleuchte-<lb/>
ten Köpfe hätte mein Urtheil unentſchieden bleiben müſ-<lb/>ſen, trotz der frappanteſten Deutlichkeit, womit jeder<lb/>
Zug ſich vor mein Auge ſtellte. Ich trat hervor, ich<lb/>
grüßte treuherzig und erfuhr ganz die gehoffte Auf-<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[302/0310]
und ein leidlicheres Bette auf mich gewartet haben
würden. Mit ſolchen Bildern beſchäftigt, bemerkte ich
jezt in einiger Entfernung durch das Gezweige hindurch
den Glanz eines Feuers. Meine ganze Einbildungs-
kraft entzündete ſich in dieſem Anblick unter tauſend
mehr oder weniger angenehmen Vermuthungen; aber
bald entſchloß ich mich zu einer genauern Unterſuchung.
Nach einer mühſam zurückgelegten Strecke von etwa
fünfzehn Schritten unterſchied ich eine bunte Geſellſchaft
von Männern, Weibern und Kindern auf einem etwas
freien Platz um ein Feuer herumſitzend und zum Theil
von einer Art unordentlichen Gezeltes bedeckt; ſie führ-
ten, ſo viel ich hörte, ein zufriedenes aber lebhaftes
Geſpräch.
Das Herz hüpfte mir vor Freuden, hier einen
Trupp von Zigeunern anzutreffen, denn ein altes Vor-
urtheil für dieß eigenthümliche Volk wurde ſelbſt durch
das Bewußtſeyn meiner gänzlichen Schutzloſigkeit nicht
eingeſchreckt. Ich weiß nicht, welches raſche zuverſicht-
liche Gefühl mich überredete, daß wenigſtens bei dieſer
Verſammlung durch eine offene Anſprache nichts zu
wagen ſey. Mein kleiner Tubus trug in keinem Fall
etwas dazu bei, denn bei einer phyſiognomiſchen Unter-
ſuchung der vom rothen Schein der Flamme beleuchte-
ten Köpfe hätte mein Urtheil unentſchieden bleiben müſ-
ſen, trotz der frappanteſten Deutlichkeit, womit jeder
Zug ſich vor mein Auge ſtellte. Ich trat hervor, ich
grüßte treuherzig und erfuhr ganz die gehoffte Auf-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Mörike, Eduard: Maler Nolten. Bd. 1. Stuttgart, 1832, S. 302. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moerike_nolten01_1832/310>, abgerufen am 30.01.2025.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2025. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.