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Mörike, Eduard: Maler Nolten. Bd. 1. Stuttgart, 1832.

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gen des längern Ausbleibens der jungen Leute bereits
auf ſeine Art fühlbar. Um übrigens einen richtigen
Begriff von der gegenwärtigen Stimmung im Pfarr-
hauſe zu geben, müſſen wir, ſo ungerne es geſchieht,
ſchlechterdings eine gewiſſe Gewohnheit des Hausvaters
anführen, welche ſo eben jezt wieder in Ausübung ge-
bracht wurde. Der Pfarrer nämlich, ein Mann von
den widerſprechendſten Launen, wohlwollend und tückiſch,
menſchenſcheu, hypochondriſch, und dabei oft ein belieb-
ter Geſellſchafter, hatte neben manchen höchſt widrigen
Eigenheiten den Fehler der Trägheit in einem faſt ab-
ſcheulichen Grade und ſie verleitete ihn zu den abge-
ſchmackteſten Liebhabereien. Konnte es ihm gefallen,
mit geſundem Leibe ganze Tage im Bette zuzubringen
und über Ein und daſſelbe Zeitungsblatt hinzugähnen,
ſo machte dieſes wenigſtens Niemanden unglücklich.
Nun aber fand er, der in früheren Tagen gelegentlich
ein Jagdfreund geweſen war, eine Art von Zeitvertreib
darin, vom Bette aus nach allen Seiten des Zimmers
hin mit dem Vogelrohr zu ſchießen. Zu dieſem Behuf
knetete er mit eigenen Fingern kleine Kugeln aus einem
Stücke Lehm, das ſtets auf ſeinem Nachttiſch liegen
mußte. Er ſelbſt war ſo gelegen, daß er von ſeinem
Schlafgemach aus faſt das ganze Wohnzimmer mit ſei-
nem Rohr beherrſchen konnte. Das Ziel ſeiner Uebun-
gen blieb jedoch nicht immer der große Eſſigkrug auf
dem Ofen, oder das Thürchen des Vogelkäfigs, oder das
alte Portrait Friedrichs von Preußen, ſondern der

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Zitationshilfe: Mörike, Eduard: Maler Nolten. Bd. 1. Stuttgart, 1832, S. 293. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moerike_nolten01_1832/301>, abgerufen am 19.02.2025.