wohl thun, und vielleicht wird das Publikum mir nicht mindere Gerechtigkeit wiederfahren lassen, wenn ich ihm demnächst bei der öffentlichen Ausstellung jene Bilder vorführen werde, ohne ihren doppelten Ursprung im mindesten zu verläugnen; denn dieß war längst mein fester Entschluß."
"Das sieht dir ähnlich," erwiderte hierauf der Major, welcher bisher mit gespannter Aufmerksamkeit zugehört hatte; "es bedarf, dünkt mich, bei einem Künstler von deinem Rufe nicht einmal großer Resig- nation zu einer solchen Aufrichtigkeit, ja man wird in dem ganzen Unternehmen eine Art Herablassung finden, wodurch du jenes unbekannte Talent zu wür- digen und zu ehren dachtest. Aber, um wieder auf den armen Tropfen zu kommen, hast du ihn denn auf keine Weise ausfindig machen können?"
"Auf keine Weise. Einmal glaubte mein Be- dienter seine Spur zu haben, allein sie verschwand ihm wieder."
"Es wäre doch des Teufels," rief der Major aus, "wenn meine Spürhunde mich hier im Stiche ließen! Schwager, laß mich nur machen. Die Sache ist zu merkwürdig, um sie ganz hängen zu lassen. Du magst mich vor aller Welt nur selbst für den geheim- nißvollen Narren ausgeben, wenn ich dir ihn nicht binnen vier und zwanzig Tagen aus irgend einer Spe- lunke, Dachstube oder dem Narrenhause selbst hervor- ziehe!"
wohl thun, und vielleicht wird das Publikum mir nicht mindere Gerechtigkeit wiederfahren laſſen, wenn ich ihm demnächſt bei der öffentlichen Ausſtellung jene Bilder vorführen werde, ohne ihren doppelten Urſprung im mindeſten zu verläugnen; denn dieß war längſt mein feſter Entſchluß.“
„Das ſieht dir ähnlich,“ erwiderte hierauf der Major, welcher bisher mit geſpannter Aufmerkſamkeit zugehört hatte; „es bedarf, dünkt mich, bei einem Künſtler von deinem Rufe nicht einmal großer Reſig- nation zu einer ſolchen Aufrichtigkeit, ja man wird in dem ganzen Unternehmen eine Art Herablaſſung finden, wodurch du jenes unbekannte Talent zu wür- digen und zu ehren dachteſt. Aber, um wieder auf den armen Tropfen zu kommen, haſt du ihn denn auf keine Weiſe ausfindig machen können?“
„Auf keine Weiſe. Einmal glaubte mein Be- dienter ſeine Spur zu haben, allein ſie verſchwand ihm wieder.“
„Es wäre doch des Teufels,“ rief der Major aus, „wenn meine Spürhunde mich hier im Stiche ließen! Schwager, laß mich nur machen. Die Sache iſt zu merkwürdig, um ſie ganz hängen zu laſſen. Du magſt mich vor aller Welt nur ſelbſt für den geheim- nißvollen Narren ausgeben, wenn ich dir ihn nicht binnen vier und zwanzig Tagen aus irgend einer Spe- lunke, Dachſtube oder dem Narrenhauſe ſelbſt hervor- ziehe!“
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wohl thun, und vielleicht wird das Publikum mir nicht
mindere Gerechtigkeit wiederfahren laſſen, wenn ich
ihm demnächſt bei der öffentlichen Ausſtellung jene
Bilder vorführen werde, ohne ihren doppelten Urſprung
im mindeſten zu verläugnen; denn dieß war längſt
mein feſter Entſchluß.“
„Das ſieht dir ähnlich,“ erwiderte hierauf der
Major, welcher bisher mit geſpannter Aufmerkſamkeit
zugehört hatte; „es bedarf, dünkt mich, bei einem
Künſtler von deinem Rufe nicht einmal großer Reſig-
nation zu einer ſolchen Aufrichtigkeit, ja man wird
in dem ganzen Unternehmen eine Art Herablaſſung
finden, wodurch du jenes unbekannte Talent zu wür-
digen und zu ehren dachteſt. Aber, um wieder auf
den armen Tropfen zu kommen, haſt du ihn denn auf
keine Weiſe ausfindig machen können?“
„Auf keine Weiſe. Einmal glaubte mein Be-
dienter ſeine Spur zu haben, allein ſie verſchwand
ihm wieder.“
„Es wäre doch des Teufels,“ rief der Major
aus, „wenn meine Spürhunde mich hier im Stiche
ließen! Schwager, laß mich nur machen. Die Sache
iſt zu merkwürdig, um ſie ganz hängen zu laſſen. Du
magſt mich vor aller Welt nur ſelbſt für den geheim-
nißvollen Narren ausgeben, wenn ich dir ihn nicht
binnen vier und zwanzig Tagen aus irgend einer Spe-
lunke, Dachſtube oder dem Narrenhauſe ſelbſt hervor-
ziehe!“
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Mörike, Eduard: Maler Nolten. Bd. 1. Stuttgart, 1832, S. 19. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moerike_nolten01_1832/27>, abgerufen am 31.01.2025.
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