sind, welche sie bewundern, eines unscheinbaren ver- dorbenen Menschen, ihr Staunen würde noch größer seyn, als da sie in mir den Meister gefunden zu ha- ben glauben. Noch kennt außer mir Niemand den wahren Erfinder, aber gesezt, ich wollte auf die Ge- fahr, das dieser sein eigensinniges Incognito brechen kann, mir dennoch den Ruhm seiner Schöpfungen er- halten, ich fände einen weit stärkeren Grund dagegen in dem eigenen innern Bewußtseyn. Darum muß es an den Tag, lieber heute als morgen, ich sey keines- wegs der Rechte.
Das waren ungefähr die Gedanken des lebhaft aufgeregten Mannes. Indessen war er, was den lez- ten Punkt betrifft, noch nicht so ganz entschieden. Hatte er bisher die Meinung der Freunde so hin- hängen lassen, ohne sie eben zu bestärken, ohne zu widerlegen, indem er sich mit zweideutigem Scherz in der Mitte hielt, so dachte er jezt, er könne unbe- schadet seines Gewissens noch eine Zeitlang zuwarten mit der Enthüllung, und er wolle sein Benehmen nachher, wenn es nöthig sey, schon auf ehrenvolle Art rechtfertigen.
So eben trat die junge Frau wieder ins Zim- mer: sie bemerkte die auffallende Bewegung an ihrem Manne, sie fragte erschrocken, er läugnete und herzte sie mit einer ungewohnten Inbrunst. Dann ging er auf sein Zimmer.
ſind, welche ſie bewundern, eines unſcheinbaren ver- dorbenen Menſchen, ihr Staunen würde noch größer ſeyn, als da ſie in mir den Meiſter gefunden zu ha- ben glauben. Noch kennt außer mir Niemand den wahren Erfinder, aber geſezt, ich wollte auf die Ge- fahr, das dieſer ſein eigenſinniges Incognito brechen kann, mir dennoch den Ruhm ſeiner Schöpfungen er- halten, ich fände einen weit ſtärkeren Grund dagegen in dem eigenen innern Bewußtſeyn. Darum muß es an den Tag, lieber heute als morgen, ich ſey keines- wegs der Rechte.
Das waren ungefähr die Gedanken des lebhaft aufgeregten Mannes. Indeſſen war er, was den lez- ten Punkt betrifft, noch nicht ſo ganz entſchieden. Hatte er bisher die Meinung der Freunde ſo hin- hängen laſſen, ohne ſie eben zu beſtärken, ohne zu widerlegen, indem er ſich mit zweideutigem Scherz in der Mitte hielt, ſo dachte er jezt, er könne unbe- ſchadet ſeines Gewiſſens noch eine Zeitlang zuwarten mit der Enthüllung, und er wolle ſein Benehmen nachher, wenn es nöthig ſey, ſchon auf ehrenvolle Art rechtfertigen.
So eben trat die junge Frau wieder ins Zim- mer: ſie bemerkte die auffallende Bewegung an ihrem Manne, ſie fragte erſchrocken, er läugnete und herzte ſie mit einer ungewohnten Inbrunſt. Dann ging er auf ſein Zimmer.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0022"n="14"/>ſind, welche ſie bewundern, eines unſcheinbaren ver-<lb/>
dorbenen Menſchen, ihr Staunen würde noch größer<lb/>ſeyn, als da ſie in mir den Meiſter gefunden zu ha-<lb/>
ben glauben. Noch kennt außer mir Niemand den<lb/>
wahren Erfinder, aber geſezt, ich wollte auf die Ge-<lb/>
fahr, das dieſer ſein eigenſinniges Incognito brechen<lb/>
kann, mir dennoch den Ruhm ſeiner Schöpfungen er-<lb/>
halten, ich fände einen weit ſtärkeren Grund dagegen<lb/>
in dem eigenen innern Bewußtſeyn. Darum muß es<lb/>
an den Tag, lieber heute als morgen, ich ſey keines-<lb/>
wegs der Rechte.</p><lb/><p>Das waren ungefähr die Gedanken des lebhaft<lb/>
aufgeregten Mannes. Indeſſen war er, was den lez-<lb/>
ten Punkt betrifft, noch nicht ſo ganz entſchieden.<lb/>
Hatte er bisher die Meinung der Freunde ſo hin-<lb/>
hängen laſſen, ohne ſie eben zu beſtärken, ohne zu<lb/>
widerlegen, indem er ſich mit zweideutigem Scherz<lb/>
in der Mitte hielt, ſo dachte er jezt, er könne unbe-<lb/>ſchadet ſeines Gewiſſens noch eine Zeitlang zuwarten<lb/>
mit der Enthüllung, und er wolle ſein Benehmen<lb/>
nachher, wenn es nöthig ſey, ſchon auf ehrenvolle Art<lb/>
rechtfertigen.</p><lb/><p>So eben trat die junge <choice><sic>Fran</sic><corr>Frau</corr></choice> wieder ins Zim-<lb/>
mer: ſie bemerkte die auffallende Bewegung an ihrem<lb/>
Manne, ſie fragte erſchrocken, er läugnete und herzte<lb/>ſie mit einer ungewohnten Inbrunſt. Dann ging er<lb/>
auf ſein Zimmer.</p><lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/></div></div></body></text></TEI>
[14/0022]
ſind, welche ſie bewundern, eines unſcheinbaren ver-
dorbenen Menſchen, ihr Staunen würde noch größer
ſeyn, als da ſie in mir den Meiſter gefunden zu ha-
ben glauben. Noch kennt außer mir Niemand den
wahren Erfinder, aber geſezt, ich wollte auf die Ge-
fahr, das dieſer ſein eigenſinniges Incognito brechen
kann, mir dennoch den Ruhm ſeiner Schöpfungen er-
halten, ich fände einen weit ſtärkeren Grund dagegen
in dem eigenen innern Bewußtſeyn. Darum muß es
an den Tag, lieber heute als morgen, ich ſey keines-
wegs der Rechte.
Das waren ungefähr die Gedanken des lebhaft
aufgeregten Mannes. Indeſſen war er, was den lez-
ten Punkt betrifft, noch nicht ſo ganz entſchieden.
Hatte er bisher die Meinung der Freunde ſo hin-
hängen laſſen, ohne ſie eben zu beſtärken, ohne zu
widerlegen, indem er ſich mit zweideutigem Scherz
in der Mitte hielt, ſo dachte er jezt, er könne unbe-
ſchadet ſeines Gewiſſens noch eine Zeitlang zuwarten
mit der Enthüllung, und er wolle ſein Benehmen
nachher, wenn es nöthig ſey, ſchon auf ehrenvolle Art
rechtfertigen.
So eben trat die junge Frau wieder ins Zim-
mer: ſie bemerkte die auffallende Bewegung an ihrem
Manne, ſie fragte erſchrocken, er läugnete und herzte
ſie mit einer ungewohnten Inbrunſt. Dann ging er
auf ſein Zimmer.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Mörike, Eduard: Maler Nolten. Bd. 1. Stuttgart, 1832, S. 14. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moerike_nolten01_1832/22>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.