Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Mörike, Eduard: Maler Nolten. Bd. 1. Stuttgart, 1832.

Bild:
<< vorherige Seite

Der Maler, unbeweglich, sah ihm nach. Es
wollte ihn jezt fortreißen, dem Baron zu folgen, ihm
eine plötzliche Aufklärung zu geben, aber ein unwill-
kürlicher trockener Entschluß hielt ihn wie an den
Boden gefesselt. Erst nach einer langen Stille brach
er, beinahe schmerzlich lächelnd, in die Worte aus:
O betrogener redlicher Mann! wie hast du dich un-
nöthig über mich verjubelt, mir arglos meine ganze
Blöße gezeigt! Ich mußte ein Lob anhören, das nicht
mir, sondern einem Andern gehört und das just alles
das heraus hob, was mir zum rechten Maler abgeht,
ewig abgehen wird! Es ist wahr, fuhr er in Ge-
danken fort, die Ausführung jener Kompositionen ist
mein und ist nicht das Schlechteste am Ganzen; sie
dient, jenen Erfindungen die rechte Bedeutung zu geben;
ohne mein Zuthun wären vielleicht die Skizzen des
armen Zeichners gleichgültig übersehen worden. Aber
nur auf der Spur seines Geistes stärkte, belebte sich
der meinige, und nur von jenem ermuthigt konnte ich
sogar auf eine Höhe des Ausdrucks kommen, bis zu
welcher ich mich nie erhoben hatte. Wie arm, wie
Nichts erschein' ich mir diesem unbekannten Zeichner
gegenüber! Wie würf' ich mit Freuden Alles hin,
was sonst an mir gerühmt wird, für die Gabe, solche
Umrisse, solche Linien, solche Anordnung zu schaffen!
Ein Crayon, ein dürftig Papier ist ihm genug, damit
er mich über den Haufen stürze. Wüßten nur erst
die Herren, daß es die Werke eines Wahnsinnigen

Der Maler, unbeweglich, ſah ihm nach. Es
wollte ihn jezt fortreißen, dem Baron zu folgen, ihm
eine plötzliche Aufklärung zu geben, aber ein unwill-
kürlicher trockener Entſchluß hielt ihn wie an den
Boden gefeſſelt. Erſt nach einer langen Stille brach
er, beinahe ſchmerzlich lächelnd, in die Worte aus:
O betrogener redlicher Mann! wie haſt du dich un-
nöthig über mich verjubelt, mir arglos meine ganze
Blöße gezeigt! Ich mußte ein Lob anhören, das nicht
mir, ſondern einem Andern gehört und das juſt alles
das heraus hob, was mir zum rechten Maler abgeht,
ewig abgehen wird! Es iſt wahr, fuhr er in Ge-
danken fort, die Ausführung jener Kompoſitionen iſt
mein und iſt nicht das Schlechteſte am Ganzen; ſie
dient, jenen Erfindungen die rechte Bedeutung zu geben;
ohne mein Zuthun wären vielleicht die Skizzen des
armen Zeichners gleichgültig überſehen worden. Aber
nur auf der Spur ſeines Geiſtes ſtärkte, belebte ſich
der meinige, und nur von jenem ermuthigt konnte ich
ſogar auf eine Höhe des Ausdrucks kommen, bis zu
welcher ich mich nie erhoben hatte. Wie arm, wie
Nichts erſchein’ ich mir dieſem unbekannten Zeichner
gegenüber! Wie würf’ ich mit Freuden Alles hin,
was ſonſt an mir gerühmt wird, für die Gabe, ſolche
Umriſſe, ſolche Linien, ſolche Anordnung zu ſchaffen!
Ein Crayon, ein dürftig Papier iſt ihm genug, damit
er mich über den Haufen ſtürze. Wüßten nur erſt
die Herren, daß es die Werke eines Wahnſinnigen

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0021" n="13"/>
          <p>Der Maler, unbeweglich, &#x017F;ah ihm nach. Es<lb/>
wollte ihn jezt fortreißen, dem Baron zu folgen, ihm<lb/>
eine plötzliche Aufklärung zu geben, aber ein unwill-<lb/>
kürlicher trockener Ent&#x017F;chluß hielt ihn wie an den<lb/>
Boden gefe&#x017F;&#x017F;elt. Er&#x017F;t nach einer langen Stille brach<lb/>
er, beinahe &#x017F;chmerzlich lächelnd, in die Worte aus:<lb/>
O betrogener redlicher Mann! wie ha&#x017F;t du dich un-<lb/>
nöthig über mich verjubelt, mir arglos meine ganze<lb/>
Blöße gezeigt! Ich mußte ein Lob anhören, das nicht<lb/>
mir, &#x017F;ondern einem Andern gehört und das ju&#x017F;t alles<lb/>
das heraus hob, was mir zum rechten Maler abgeht,<lb/>
ewig abgehen wird! Es i&#x017F;t wahr, fuhr er in Ge-<lb/>
danken fort, die Ausführung jener Kompo&#x017F;itionen i&#x017F;t<lb/>
mein und i&#x017F;t nicht das Schlechte&#x017F;te am Ganzen; &#x017F;ie<lb/>
dient, jenen Erfindungen die rechte Bedeutung zu geben;<lb/>
ohne mein Zuthun wären vielleicht die Skizzen des<lb/>
armen Zeichners gleichgültig über&#x017F;ehen worden. Aber<lb/>
nur auf der Spur <hi rendition="#g">&#x017F;eines</hi> Gei&#x017F;tes &#x017F;tärkte, belebte &#x017F;ich<lb/>
der meinige, und nur von jenem ermuthigt konnte ich<lb/>
&#x017F;ogar auf eine Höhe des Ausdrucks kommen, bis zu<lb/>
welcher ich mich nie erhoben hatte. Wie arm, wie<lb/>
Nichts er&#x017F;chein&#x2019; ich mir die&#x017F;em unbekannten Zeichner<lb/>
gegenüber! Wie würf&#x2019; ich mit Freuden Alles hin,<lb/>
was &#x017F;on&#x017F;t an mir gerühmt wird, für die Gabe, &#x017F;olche<lb/>
Umri&#x017F;&#x017F;e, &#x017F;olche Linien, &#x017F;olche Anordnung zu &#x017F;chaffen!<lb/>
Ein Crayon, ein dürftig Papier i&#x017F;t ihm genug, damit<lb/>
er mich über den Haufen &#x017F;türze. Wüßten nur er&#x017F;t<lb/>
die Herren, daß es die Werke eines Wahn&#x017F;innigen<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[13/0021] Der Maler, unbeweglich, ſah ihm nach. Es wollte ihn jezt fortreißen, dem Baron zu folgen, ihm eine plötzliche Aufklärung zu geben, aber ein unwill- kürlicher trockener Entſchluß hielt ihn wie an den Boden gefeſſelt. Erſt nach einer langen Stille brach er, beinahe ſchmerzlich lächelnd, in die Worte aus: O betrogener redlicher Mann! wie haſt du dich un- nöthig über mich verjubelt, mir arglos meine ganze Blöße gezeigt! Ich mußte ein Lob anhören, das nicht mir, ſondern einem Andern gehört und das juſt alles das heraus hob, was mir zum rechten Maler abgeht, ewig abgehen wird! Es iſt wahr, fuhr er in Ge- danken fort, die Ausführung jener Kompoſitionen iſt mein und iſt nicht das Schlechteſte am Ganzen; ſie dient, jenen Erfindungen die rechte Bedeutung zu geben; ohne mein Zuthun wären vielleicht die Skizzen des armen Zeichners gleichgültig überſehen worden. Aber nur auf der Spur ſeines Geiſtes ſtärkte, belebte ſich der meinige, und nur von jenem ermuthigt konnte ich ſogar auf eine Höhe des Ausdrucks kommen, bis zu welcher ich mich nie erhoben hatte. Wie arm, wie Nichts erſchein’ ich mir dieſem unbekannten Zeichner gegenüber! Wie würf’ ich mit Freuden Alles hin, was ſonſt an mir gerühmt wird, für die Gabe, ſolche Umriſſe, ſolche Linien, ſolche Anordnung zu ſchaffen! Ein Crayon, ein dürftig Papier iſt ihm genug, damit er mich über den Haufen ſtürze. Wüßten nur erſt die Herren, daß es die Werke eines Wahnſinnigen

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/moerike_nolten01_1832
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/moerike_nolten01_1832/21
Zitationshilfe: Mörike, Eduard: Maler Nolten. Bd. 1. Stuttgart, 1832, S. 13. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moerike_nolten01_1832/21>, abgerufen am 26.12.2024.