Der Maler, unbeweglich, sah ihm nach. Es wollte ihn jezt fortreißen, dem Baron zu folgen, ihm eine plötzliche Aufklärung zu geben, aber ein unwill- kürlicher trockener Entschluß hielt ihn wie an den Boden gefesselt. Erst nach einer langen Stille brach er, beinahe schmerzlich lächelnd, in die Worte aus: O betrogener redlicher Mann! wie hast du dich un- nöthig über mich verjubelt, mir arglos meine ganze Blöße gezeigt! Ich mußte ein Lob anhören, das nicht mir, sondern einem Andern gehört und das just alles das heraus hob, was mir zum rechten Maler abgeht, ewig abgehen wird! Es ist wahr, fuhr er in Ge- danken fort, die Ausführung jener Kompositionen ist mein und ist nicht das Schlechteste am Ganzen; sie dient, jenen Erfindungen die rechte Bedeutung zu geben; ohne mein Zuthun wären vielleicht die Skizzen des armen Zeichners gleichgültig übersehen worden. Aber nur auf der Spur seines Geistes stärkte, belebte sich der meinige, und nur von jenem ermuthigt konnte ich sogar auf eine Höhe des Ausdrucks kommen, bis zu welcher ich mich nie erhoben hatte. Wie arm, wie Nichts erschein' ich mir diesem unbekannten Zeichner gegenüber! Wie würf' ich mit Freuden Alles hin, was sonst an mir gerühmt wird, für die Gabe, solche Umrisse, solche Linien, solche Anordnung zu schaffen! Ein Crayon, ein dürftig Papier ist ihm genug, damit er mich über den Haufen stürze. Wüßten nur erst die Herren, daß es die Werke eines Wahnsinnigen
Der Maler, unbeweglich, ſah ihm nach. Es wollte ihn jezt fortreißen, dem Baron zu folgen, ihm eine plötzliche Aufklärung zu geben, aber ein unwill- kürlicher trockener Entſchluß hielt ihn wie an den Boden gefeſſelt. Erſt nach einer langen Stille brach er, beinahe ſchmerzlich lächelnd, in die Worte aus: O betrogener redlicher Mann! wie haſt du dich un- nöthig über mich verjubelt, mir arglos meine ganze Blöße gezeigt! Ich mußte ein Lob anhören, das nicht mir, ſondern einem Andern gehört und das juſt alles das heraus hob, was mir zum rechten Maler abgeht, ewig abgehen wird! Es iſt wahr, fuhr er in Ge- danken fort, die Ausführung jener Kompoſitionen iſt mein und iſt nicht das Schlechteſte am Ganzen; ſie dient, jenen Erfindungen die rechte Bedeutung zu geben; ohne mein Zuthun wären vielleicht die Skizzen des armen Zeichners gleichgültig überſehen worden. Aber nur auf der Spur ſeines Geiſtes ſtärkte, belebte ſich der meinige, und nur von jenem ermuthigt konnte ich ſogar auf eine Höhe des Ausdrucks kommen, bis zu welcher ich mich nie erhoben hatte. Wie arm, wie Nichts erſchein’ ich mir dieſem unbekannten Zeichner gegenüber! Wie würf’ ich mit Freuden Alles hin, was ſonſt an mir gerühmt wird, für die Gabe, ſolche Umriſſe, ſolche Linien, ſolche Anordnung zu ſchaffen! Ein Crayon, ein dürftig Papier iſt ihm genug, damit er mich über den Haufen ſtürze. Wüßten nur erſt die Herren, daß es die Werke eines Wahnſinnigen
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Der Maler, unbeweglich, ſah ihm nach. Es
wollte ihn jezt fortreißen, dem Baron zu folgen, ihm
eine plötzliche Aufklärung zu geben, aber ein unwill-
kürlicher trockener Entſchluß hielt ihn wie an den
Boden gefeſſelt. Erſt nach einer langen Stille brach
er, beinahe ſchmerzlich lächelnd, in die Worte aus:
O betrogener redlicher Mann! wie haſt du dich un-
nöthig über mich verjubelt, mir arglos meine ganze
Blöße gezeigt! Ich mußte ein Lob anhören, das nicht
mir, ſondern einem Andern gehört und das juſt alles
das heraus hob, was mir zum rechten Maler abgeht,
ewig abgehen wird! Es iſt wahr, fuhr er in Ge-
danken fort, die Ausführung jener Kompoſitionen iſt
mein und iſt nicht das Schlechteſte am Ganzen; ſie
dient, jenen Erfindungen die rechte Bedeutung zu geben;
ohne mein Zuthun wären vielleicht die Skizzen des
armen Zeichners gleichgültig überſehen worden. Aber
nur auf der Spur ſeines Geiſtes ſtärkte, belebte ſich
der meinige, und nur von jenem ermuthigt konnte ich
ſogar auf eine Höhe des Ausdrucks kommen, bis zu
welcher ich mich nie erhoben hatte. Wie arm, wie
Nichts erſchein’ ich mir dieſem unbekannten Zeichner
gegenüber! Wie würf’ ich mit Freuden Alles hin,
was ſonſt an mir gerühmt wird, für die Gabe, ſolche
Umriſſe, ſolche Linien, ſolche Anordnung zu ſchaffen!
Ein Crayon, ein dürftig Papier iſt ihm genug, damit
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Mörike, Eduard: Maler Nolten. Bd. 1. Stuttgart, 1832, S. 13. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moerike_nolten01_1832/21>, abgerufen am 26.12.2024.
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