voll angedeutet und mit großer Kenntniß behandelt. Doch genug! der Henker mag so was beschreiben."
Tillsen hatte schon seit einer Weile zerstreut und brütend gesessen. Jezt da das Schweigen des Barons ihn zu sich selbst gebracht, erhob er sich rasch mit glühender Stirn vom Sessel und sprach ent- schlossen: "Ja, mein Herr, ich darf es sagen, von meiner Hand ist, was Sie gesehen haben, doch" -- hier brach er in ein gezwungenes Gelächter aus. "Gott sey Dank!" unterbrach ihn der Baron, entzückt aufspringend, "nun hab' ich genug; lassen Sie sich küssen, umarmen, Charmantester! die anderthalb Jahre Fastenzeit, worin Sie die Palette vertrocknen ließen, haben Wunder an Ihnen gereift, eine Periode ent- wickelt, über deren Früchte die Welt staunen wird. Nun geht es Schlag auf Schlag, geben Sie Acht, seitdem der neue, starke Frühling für Ihre Kunst durchbrochen hat, und in dieser Stunde prophezeih' ich Ihnen die Fülle eines Ruhmes, der vielleicht Hun- derte begeistern wird, das ganze Mark der Kräfte an die edelste Kunst zu wenden, aber auch Tausende zwin- gen muß, in muthlosem Neide sie abzuschwören. Ach lieber, bescheidener Mann, Sie sind bewegt, ich bin es nicht weniger von herzlicher Freude. Lassen Sie uns in diesem glücklichen Moment mit einem warmen Händedruck auseinander gehen, und kein Wort weiter. Ich gehe zum Grafen. Leben Sie wohl! auf Wieder- sehen." Damit war er zur Thüre hinaus.
voll angedeutet und mit großer Kenntniß behandelt. Doch genug! der Henker mag ſo was beſchreiben.“
Tillſen hatte ſchon ſeit einer Weile zerſtreut und brütend geſeſſen. Jezt da das Schweigen des Barons ihn zu ſich ſelbſt gebracht, erhob er ſich raſch mit glühender Stirn vom Seſſel und ſprach ent- ſchloſſen: „Ja, mein Herr, ich darf es ſagen, von meiner Hand iſt, was Sie geſehen haben, doch“ — hier brach er in ein gezwungenes Gelächter aus. „Gott ſey Dank!“ unterbrach ihn der Baron, entzückt aufſpringend, „nun hab’ ich genug; laſſen Sie ſich küſſen, umarmen, Charmanteſter! die anderthalb Jahre Faſtenzeit, worin Sie die Palette vertrocknen ließen, haben Wunder an Ihnen gereift, eine Periode ent- wickelt, über deren Früchte die Welt ſtaunen wird. Nun geht es Schlag auf Schlag, geben Sie Acht, ſeitdem der neue, ſtarke Frühling für Ihre Kunſt durchbrochen hat, und in dieſer Stunde prophezeih’ ich Ihnen die Fülle eines Ruhmes, der vielleicht Hun- derte begeiſtern wird, das ganze Mark der Kräfte an die edelſte Kunſt zu wenden, aber auch Tauſende zwin- gen muß, in muthloſem Neide ſie abzuſchwören. Ach lieber, beſcheidener Mann, Sie ſind bewegt, ich bin es nicht weniger von herzlicher Freude. Laſſen Sie uns in dieſem glücklichen Moment mit einem warmen Händedruck auseinander gehen, und kein Wort weiter. Ich gehe zum Grafen. Leben Sie wohl! auf Wieder- ſehen.“ Damit war er zur Thüre hinaus.
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[12/0020]
voll angedeutet und mit großer Kenntniß behandelt.
Doch genug! der Henker mag ſo was beſchreiben.“
Tillſen hatte ſchon ſeit einer Weile zerſtreut
und brütend geſeſſen. Jezt da das Schweigen des
Barons ihn zu ſich ſelbſt gebracht, erhob er ſich
raſch mit glühender Stirn vom Seſſel und ſprach ent-
ſchloſſen: „Ja, mein Herr, ich darf es ſagen, von
meiner Hand iſt, was Sie geſehen haben, doch“ —
hier brach er in ein gezwungenes Gelächter aus.
„Gott ſey Dank!“ unterbrach ihn der Baron, entzückt
aufſpringend, „nun hab’ ich genug; laſſen Sie ſich
küſſen, umarmen, Charmanteſter! die anderthalb Jahre
Faſtenzeit, worin Sie die Palette vertrocknen ließen,
haben Wunder an Ihnen gereift, eine Periode ent-
wickelt, über deren Früchte die Welt ſtaunen wird.
Nun geht es Schlag auf Schlag, geben Sie Acht,
ſeitdem der neue, ſtarke Frühling für Ihre Kunſt
durchbrochen hat, und in dieſer Stunde prophezeih’ ich
Ihnen die Fülle eines Ruhmes, der vielleicht Hun-
derte begeiſtern wird, das ganze Mark der Kräfte an
die edelſte Kunſt zu wenden, aber auch Tauſende zwin-
gen muß, in muthloſem Neide ſie abzuſchwören. Ach
lieber, beſcheidener Mann, Sie ſind bewegt, ich bin es
nicht weniger von herzlicher Freude. Laſſen Sie uns
in dieſem glücklichen Moment mit einem warmen
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Ich gehe zum Grafen. Leben Sie wohl! auf Wieder-
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Mörike, Eduard: Maler Nolten. Bd. 1. Stuttgart, 1832, S. 12. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moerike_nolten01_1832/20>, abgerufen am 26.12.2024.
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