Mörike, Eduard: Maler Nolten. Bd. 1. Stuttgart, 1832. Kollmer. Ich habe eins. König. So schone deines Lebens, Und laß uns allezeit die Götter fürchten! -- Was hülf' es auch, zu trotzen? Das Geschick Liegt fest gebunden in der Weissagung, So dein's wie meines. Nun -- wohlan, wie lautet Der alte Götterspruch? ein Priester sang Ihn an der Wiege mir, und drauf am Tag Der Krönung wieder. Kollmer. Gleich sollst du ihn hören; Du selber hast ihn neulich mir vertraut. Ein Mensch lebt seiner Jahre Zahl: Ulmon allein wird sehen Den Sommer kommen und gehen Zehn hundertmal. Einst eine schwarze Weide blüht, Ein Kindlein muß sie fällen, Dann rauschen die Todeswellen, Drin Ulmons Herz verglüht. Auf Weylas Mondenstrahl Sich Ulmon soll erheben, Sein Götterleib dann schweben Zum blauen Saal. König. Du sagst es recht, mein Mann; ein süßer Spruch! Kollmer. Ich habe eins. König. So ſchone deines Lebens, Und laß uns allezeit die Götter fürchten! — Was hülf’ es auch, zu trotzen? Das Geſchick Liegt feſt gebunden in der Weiſſagung, So dein’s wie meines. Nun — wohlan, wie lautet Der alte Götterſpruch? ein Prieſter ſang Ihn an der Wiege mir, und drauf am Tag Der Krönung wieder. Kollmer. Gleich ſollſt du ihn hören; Du ſelber haſt ihn neulich mir vertraut. Ein Menſch lebt ſeiner Jahre Zahl: Ulmon allein wird ſehen Den Sommer kommen und gehen Zehn hundertmal. Einſt eine ſchwarze Weide blüht, Ein Kindlein muß ſie fällen, Dann rauſchen die Todeswellen, Drin Ulmons Herz verglüht. Auf Weylas Mondenſtrahl Sich Ulmon ſoll erheben, Sein Götterleib dann ſchweben Zum blauen Saal. König. Du ſagſt es recht, mein Mann; ein ſüßer Spruch! <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <pb facs="#f0167" n="159"/> <sp who="#koll"> <speaker><hi rendition="#g">Kollmer</hi>.</speaker><lb/> <p>Ich habe eins.</p> </sp><lb/> <sp who="#koe"> <speaker><hi rendition="#g">König</hi>.</speaker><lb/> <p>So ſchone deines Lebens,<lb/> Und laß uns allezeit die Götter fürchten!<lb/> — Was hülf’ es auch, zu trotzen? Das Geſchick<lb/> Liegt feſt gebunden in der Weiſſagung,<lb/> So dein’s wie meines. Nun — wohlan, wie lautet<lb/> Der alte Götterſpruch? ein Prieſter ſang<lb/> Ihn an der Wiege mir, und drauf am Tag<lb/> Der Krönung wieder.</p> </sp><lb/> <sp who="#koll"> <speaker><hi rendition="#g">Kollmer</hi>.</speaker><lb/> <p>Gleich ſollſt du ihn hören;<lb/> Du ſelber haſt ihn neulich mir vertraut.</p><lb/> <lg type="poem"> <lg n="1"> <l>Ein Menſch lebt ſeiner Jahre Zahl:</l><lb/> <l>Ulmon allein wird ſehen</l><lb/> <l>Den Sommer kommen und gehen</l><lb/> <l>Zehn hundertmal.</l> </lg><lb/> <lg n="2"> <l>Einſt eine ſchwarze Weide blüht,</l><lb/> <l>Ein Kindlein muß ſie fällen,</l><lb/> <l>Dann rauſchen die Todeswellen,</l><lb/> <l>Drin Ulmons Herz verglüht.</l> </lg><lb/> <lg n="3"> <l>Auf Weylas Mondenſtrahl</l><lb/> <l>Sich Ulmon ſoll erheben,</l><lb/> <l>Sein Götterleib dann ſchweben</l><lb/> <l>Zum blauen Saal.</l> </lg> </lg> </sp><lb/> <sp who="#koe"> <speaker><hi rendition="#g">König</hi>.</speaker><lb/> <p>Du ſagſt es recht, mein Mann; ein ſüßer Spruch!<lb/></p> </sp> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [159/0167]
Kollmer.
Ich habe eins.
König.
So ſchone deines Lebens,
Und laß uns allezeit die Götter fürchten!
— Was hülf’ es auch, zu trotzen? Das Geſchick
Liegt feſt gebunden in der Weiſſagung,
So dein’s wie meines. Nun — wohlan, wie lautet
Der alte Götterſpruch? ein Prieſter ſang
Ihn an der Wiege mir, und drauf am Tag
Der Krönung wieder.
Kollmer.
Gleich ſollſt du ihn hören;
Du ſelber haſt ihn neulich mir vertraut.
Ein Menſch lebt ſeiner Jahre Zahl:
Ulmon allein wird ſehen
Den Sommer kommen und gehen
Zehn hundertmal.
Einſt eine ſchwarze Weide blüht,
Ein Kindlein muß ſie fällen,
Dann rauſchen die Todeswellen,
Drin Ulmons Herz verglüht.
Auf Weylas Mondenſtrahl
Sich Ulmon ſoll erheben,
Sein Götterleib dann ſchweben
Zum blauen Saal.
König.
Du ſagſt es recht, mein Mann; ein ſüßer Spruch!
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