Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Mörike, Eduard: Maler Nolten. Bd. 1. Stuttgart, 1832.

Bild:
<< vorherige Seite

Einige Augenblicke war der Schauspieler ent-
schlossen, sogleich mit dem ganzen Paket zu seinem
Freunde zu eilen. Aber die Sache näher betrachtet
verbot solches die Klugheit. Nolten wäre im ge-
genwärtigen Zeitpunkt zu einer unbefangenen Ansicht
der Dinge nicht fähig gewesen und es war zu be-
fürchten, daß ihm die Ueberzeugung von der Tadel-
losigkeit des Mädchens jezt eben nicht willkommen
wäre, daß er, von zweien Seiten auf's Aeußerste ge-
drängt, an einen Abgrund widersprechender Leiden-
schaften gezerrt, nichts übrig hätte, als an Allem zu
verzweifeln. Larkens sah dieß deutlich ein, und
stand wirklich eine Zeitlang rathlos, was zu thun
sey. Ich muß auf einen Kapitalstreich sinnen, rief
er aus, das Zögern wird mir gefährlich, es ist Zeit,
daß man dem Teufel ein Bein breche!

Vor Allem wollte er suchen, es gelte was es
wolle, einen Bruch mit der Gräfin vorzubereiten.
Aus einzelnen Spuren hatte er neuerdings von der
Neigung Noltens doch ernstlichere Begriffe bekom-
men, und er fing an, mehr und mehr an der Offen-
heit seines Freundes in diesem Punkte zu zweifeln,
wie denn auch wirklich der Vorfall im Parke bisher
ganz und gar ein Geheimniß für Larkens geblieben
war. Für jezt dachte dieser nur auf schleunige Be-
ruhigung des Mädchens durch einen abermaligen Brief,
den er auch sogleich, und mit ungewöhnlicher Wärme
und Heiterkeit des Ausdrucks, niederschrieb.


Einige Augenblicke war der Schauſpieler ent-
ſchloſſen, ſogleich mit dem ganzen Paket zu ſeinem
Freunde zu eilen. Aber die Sache näher betrachtet
verbot ſolches die Klugheit. Nolten wäre im ge-
genwärtigen Zeitpunkt zu einer unbefangenen Anſicht
der Dinge nicht fähig geweſen und es war zu be-
fürchten, daß ihm die Ueberzeugung von der Tadel-
loſigkeit des Mädchens jezt eben nicht willkommen
wäre, daß er, von zweien Seiten auf’s Aeußerſte ge-
drängt, an einen Abgrund widerſprechender Leiden-
ſchaften gezerrt, nichts übrig hätte, als an Allem zu
verzweifeln. Larkens ſah dieß deutlich ein, und
ſtand wirklich eine Zeitlang rathlos, was zu thun
ſey. Ich muß auf einen Kapitalſtreich ſinnen, rief
er aus, das Zögern wird mir gefährlich, es iſt Zeit,
daß man dem Teufel ein Bein breche!

Vor Allem wollte er ſuchen, es gelte was es
wolle, einen Bruch mit der Gräfin vorzubereiten.
Aus einzelnen Spuren hatte er neuerdings von der
Neigung Noltens doch ernſtlichere Begriffe bekom-
men, und er fing an, mehr und mehr an der Offen-
heit ſeines Freundes in dieſem Punkte zu zweifeln,
wie denn auch wirklich der Vorfall im Parke bisher
ganz und gar ein Geheimniß für Larkens geblieben
war. Für jezt dachte dieſer nur auf ſchleunige Be-
ruhigung des Mädchens durch einen abermaligen Brief,
den er auch ſogleich, und mit ungewöhnlicher Wärme
und Heiterkeit des Ausdrucks, niederſchrieb.


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0147" n="139"/>
          <p>Einige Augenblicke war der Schau&#x017F;pieler ent-<lb/>
&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;en, &#x017F;ogleich mit dem ganzen Paket zu &#x017F;einem<lb/>
Freunde zu eilen. Aber die Sache näher betrachtet<lb/>
verbot &#x017F;olches die Klugheit. <hi rendition="#g">Nolten</hi> wäre im ge-<lb/>
genwärtigen Zeitpunkt zu einer unbefangenen An&#x017F;icht<lb/>
der Dinge nicht fähig gewe&#x017F;en und es war zu be-<lb/>
fürchten, daß ihm die Ueberzeugung von der Tadel-<lb/>
lo&#x017F;igkeit des Mädchens jezt eben nicht willkommen<lb/>
wäre, daß er, von zweien Seiten auf&#x2019;s Aeußer&#x017F;te ge-<lb/>
drängt, an einen Abgrund wider&#x017F;prechender Leiden-<lb/>
&#x017F;chaften gezerrt, nichts übrig hätte, als an Allem zu<lb/>
verzweifeln. <hi rendition="#g">Larkens</hi> &#x017F;ah dieß deutlich ein, und<lb/>
&#x017F;tand wirklich eine Zeitlang rathlos, was zu thun<lb/>
&#x017F;ey. Ich muß auf einen Kapital&#x017F;treich &#x017F;innen, rief<lb/>
er aus, das Zögern wird mir gefährlich, es i&#x017F;t Zeit,<lb/>
daß man dem Teufel ein Bein breche!</p><lb/>
          <p>Vor Allem wollte er &#x017F;uchen, es gelte was es<lb/>
wolle, einen Bruch mit der Gräfin vorzubereiten.<lb/>
Aus einzelnen Spuren hatte er neuerdings von der<lb/>
Neigung <hi rendition="#g">Noltens</hi> doch ern&#x017F;tlichere Begriffe bekom-<lb/>
men, und er fing an, mehr und mehr an der Offen-<lb/>
heit &#x017F;eines Freundes in die&#x017F;em Punkte zu zweifeln,<lb/>
wie denn auch wirklich der Vorfall im Parke bisher<lb/>
ganz und gar ein Geheimniß für <hi rendition="#g">Larkens</hi> geblieben<lb/>
war. Für jezt dachte die&#x017F;er nur auf &#x017F;chleunige Be-<lb/>
ruhigung des Mädchens durch einen abermaligen Brief,<lb/>
den er auch &#x017F;ogleich, und mit ungewöhnlicher Wärme<lb/>
und Heiterkeit des Ausdrucks, nieder&#x017F;chrieb.</p><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[139/0147] Einige Augenblicke war der Schauſpieler ent- ſchloſſen, ſogleich mit dem ganzen Paket zu ſeinem Freunde zu eilen. Aber die Sache näher betrachtet verbot ſolches die Klugheit. Nolten wäre im ge- genwärtigen Zeitpunkt zu einer unbefangenen Anſicht der Dinge nicht fähig geweſen und es war zu be- fürchten, daß ihm die Ueberzeugung von der Tadel- loſigkeit des Mädchens jezt eben nicht willkommen wäre, daß er, von zweien Seiten auf’s Aeußerſte ge- drängt, an einen Abgrund widerſprechender Leiden- ſchaften gezerrt, nichts übrig hätte, als an Allem zu verzweifeln. Larkens ſah dieß deutlich ein, und ſtand wirklich eine Zeitlang rathlos, was zu thun ſey. Ich muß auf einen Kapitalſtreich ſinnen, rief er aus, das Zögern wird mir gefährlich, es iſt Zeit, daß man dem Teufel ein Bein breche! Vor Allem wollte er ſuchen, es gelte was es wolle, einen Bruch mit der Gräfin vorzubereiten. Aus einzelnen Spuren hatte er neuerdings von der Neigung Noltens doch ernſtlichere Begriffe bekom- men, und er fing an, mehr und mehr an der Offen- heit ſeines Freundes in dieſem Punkte zu zweifeln, wie denn auch wirklich der Vorfall im Parke bisher ganz und gar ein Geheimniß für Larkens geblieben war. Für jezt dachte dieſer nur auf ſchleunige Be- ruhigung des Mädchens durch einen abermaligen Brief, den er auch ſogleich, und mit ungewöhnlicher Wärme und Heiterkeit des Ausdrucks, niederſchrieb.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/moerike_nolten01_1832
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/moerike_nolten01_1832/147
Zitationshilfe: Mörike, Eduard: Maler Nolten. Bd. 1. Stuttgart, 1832, S. 139. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moerike_nolten01_1832/147>, abgerufen am 24.11.2024.