Kleid des Vorübergehenden an ihnen hin. Glücklich war die Gefahr überstanden. Niemand als der Herzog kann es gewesen seyn. Theobald schöpft wieder Athem. Constanze, regungslos in seinen Armen, scheint von Allem nichts bemerkt zu haben. Nach einer Weile fährt sie wie aus einem Traume empor und -- "Fort! fort!" ruft sie mit durchdringender Stimme -- "Wo bin ich? was soll ich hier? Hinweg, hinweg!" Sie riß sich heftig los und eilte voran, so daß Theobald kaum mehr folgen konnte. Ein blendendes Meer von Son- nenschein empfängt die Eilenden an der Schwelle des blühenden Saales. Nolten will so eben die Gräfin erreichen, aber die große Glasthüre schlägt klirrend hinter ihr zu, ohne daß er sie wieder öffnen könnte. Er sieht die geliebte Gestalt zwischen dem Laub der Orangen verschwinden. Trunken an allen Sinnen, rath- los, verwirrt, in schmerzlicher Furcht steht er allein. Noch einmal versucht er das verwünschte Schloß -- umsonst, er sieht sich gezwungen, rückwärts zu gehen. Wüthend rennt er eine Strecke fort bis in die Gegend der verhängnißvollen Stelle, wo er stehen bleibt, sich fragt, ob es Blendwerk, ob es Wirklichkeit gewesen, was hier vorgegangen? Unmöglich schien es, daß noch so eben Constanze hier zwischen diesen Felsen gestan- den, daß er sie, sie selber in seinen Armen gehalten, ihren Busen an dem seinigen klopfen gehört. Wie kalt und theilnahmlos lag jezt diese Finsterniß um ihn her, wie so gar nichts schienen diese rohen Massen von jener
Kleid des Vorübergehenden an ihnen hin. Glücklich war die Gefahr überſtanden. Niemand als der Herzog kann es geweſen ſeyn. Theobald ſchöpft wieder Athem. Conſtanze, regungslos in ſeinen Armen, ſcheint von Allem nichts bemerkt zu haben. Nach einer Weile fährt ſie wie aus einem Traume empor und — „Fort! fort!“ ruft ſie mit durchdringender Stimme — „Wo bin ich? was ſoll ich hier? Hinweg, hinweg!“ Sie riß ſich heftig los und eilte voran, ſo daß Theobald kaum mehr folgen konnte. Ein blendendes Meer von Son- nenſchein empfängt die Eilenden an der Schwelle des blühenden Saales. Nolten will ſo eben die Gräfin erreichen, aber die große Glasthüre ſchlägt klirrend hinter ihr zu, ohne daß er ſie wieder öffnen könnte. Er ſieht die geliebte Geſtalt zwiſchen dem Laub der Orangen verſchwinden. Trunken an allen Sinnen, rath- los, verwirrt, in ſchmerzlicher Furcht ſteht er allein. Noch einmal verſucht er das verwünſchte Schloß — umſonſt, er ſieht ſich gezwungen, rückwärts zu gehen. Wüthend rennt er eine Strecke fort bis in die Gegend der verhängnißvollen Stelle, wo er ſtehen bleibt, ſich fragt, ob es Blendwerk, ob es Wirklichkeit geweſen, was hier vorgegangen? Unmöglich ſchien es, daß noch ſo eben Conſtanze hier zwiſchen dieſen Felſen geſtan- den, daß er ſie, ſie ſelber in ſeinen Armen gehalten, ihren Buſen an dem ſeinigen klopfen gehört. Wie kalt und theilnahmlos lag jezt dieſe Finſterniß um ihn her, wie ſo gar nichts ſchienen dieſe rohen Maſſen von jener
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Kleid des Vorübergehenden an ihnen hin. Glücklich
war die Gefahr überſtanden. Niemand als der Herzog
kann es geweſen ſeyn. Theobald ſchöpft wieder Athem.
Conſtanze, regungslos in ſeinen Armen, ſcheint von
Allem nichts bemerkt zu haben. Nach einer Weile
fährt ſie wie aus einem Traume empor und — „Fort!
fort!“ ruft ſie mit durchdringender Stimme — „Wo bin
ich? was ſoll ich hier? Hinweg, hinweg!“ Sie riß ſich
heftig los und eilte voran, ſo daß Theobald kaum
mehr folgen konnte. Ein blendendes Meer von Son-
nenſchein empfängt die Eilenden an der Schwelle des
blühenden Saales. Nolten will ſo eben die Gräfin
erreichen, aber die große Glasthüre ſchlägt klirrend
hinter ihr zu, ohne daß er ſie wieder öffnen könnte.
Er ſieht die geliebte Geſtalt zwiſchen dem Laub der
Orangen verſchwinden. Trunken an allen Sinnen, rath-
los, verwirrt, in ſchmerzlicher Furcht ſteht er allein.
Noch einmal verſucht er das verwünſchte Schloß —
umſonſt, er ſieht ſich gezwungen, rückwärts zu gehen.
Wüthend rennt er eine Strecke fort bis in die Gegend
der verhängnißvollen Stelle, wo er ſtehen bleibt, ſich
fragt, ob es Blendwerk, ob es Wirklichkeit geweſen,
was hier vorgegangen? Unmöglich ſchien es, daß noch
ſo eben Conſtanze hier zwiſchen dieſen Felſen geſtan-
den, daß er ſie, ſie ſelber in ſeinen Armen gehalten,
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und theilnahmlos lag jezt dieſe Finſterniß um ihn her,
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Mörike, Eduard: Maler Nolten. Bd. 1. Stuttgart, 1832, S. 122. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moerike_nolten01_1832/130>, abgerufen am 30.11.2024.
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