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Mörike, Eduard: Maler Nolten. Bd. 1. Stuttgart, 1832.

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immer das leidenschaftliche Verlangen fühlte, in den
Mittelpunkt eines so lieblichen Vereins alle Strahlen
meines menschlichen und künstlerischen Daseyns zu
versammeln, sie ewig dort festzuhalten, und so meinem
Bestreben einen um so wärmeren Schwung, einen un-
mittelbarern Lohn zu verschaffen, als der zerstreute
Beifall der Welt jemals gewähren kann?"

"Es liegt," antwortete die Gräfin nach einigem
Nachsinnen mit Heiterkeit, "es liegt in der Natur von
Männern Ihresgleichen, Alles nur einseitig zu nehmen,
von Einer Seite her Alles zu erwarten, und zwar je
unmöglicher, je schädlicher es wäre. Indessen, mein
lieber Maler, ich bin für jezt nicht gefaßt, noch ge-
neigt, in Ihren gegenwärtigen Zustand, in Ihr Wün-
schen und Wollen augenblicklich rathend und helfend
einzugehen. Die erhabenen Grillen dieses Geschlechts
von Künstlern sind schwer zu fassen, und wir scharf-
sinnigen Frauen haben jedes Mal Mühe, um bei der-
gleichen subtilen Erörterungen, wo wir nur lauschen,
nur tasten und halb erwiedern können, nicht unsern
Blödsinn, unsre Einfalt zu verrathen. Am Ende
möchten wir bei einem Menschen, welchem wir doch
einmal herzlich wohl wollen, Alles gerne mit Einem
Schlage gut machen, und, dem Unnatürlichen zum
Trotz, mit der natürlichsten Auskunft dazwischen fah-
ren. Gar oft sind wir aber selbst um eine solche
Zauberformel verlegen, ja wenn wir sie gefunden zu
haben glauben, will es uns manchmal gefährlich dün-

immer das leidenſchaftliche Verlangen fühlte, in den
Mittelpunkt eines ſo lieblichen Vereins alle Strahlen
meines menſchlichen und künſtleriſchen Daſeyns zu
verſammeln, ſie ewig dort feſtzuhalten, und ſo meinem
Beſtreben einen um ſo wärmeren Schwung, einen un-
mittelbarern Lohn zu verſchaffen, als der zerſtreute
Beifall der Welt jemals gewähren kann?“

„Es liegt,“ antwortete die Gräfin nach einigem
Nachſinnen mit Heiterkeit, „es liegt in der Natur von
Männern Ihresgleichen, Alles nur einſeitig zu nehmen,
von Einer Seite her Alles zu erwarten, und zwar je
unmöglicher, je ſchädlicher es wäre. Indeſſen, mein
lieber Maler, ich bin für jezt nicht gefaßt, noch ge-
neigt, in Ihren gegenwärtigen Zuſtand, in Ihr Wün-
ſchen und Wollen augenblicklich rathend und helfend
einzugehen. Die erhabenen Grillen dieſes Geſchlechts
von Künſtlern ſind ſchwer zu faſſen, und wir ſcharf-
ſinnigen Frauen haben jedes Mal Mühe, um bei der-
gleichen ſubtilen Erörterungen, wo wir nur lauſchen,
nur taſten und halb erwiedern können, nicht unſern
Blödſinn, unſre Einfalt zu verrathen. Am Ende
möchten wir bei einem Menſchen, welchem wir doch
einmal herzlich wohl wollen, Alles gerne mit Einem
Schlage gut machen, und, dem Unnatürlichen zum
Trotz, mit der natürlichſten Auskunft dazwiſchen fah-
ren. Gar oft ſind wir aber ſelbſt um eine ſolche
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[116/0124] immer das leidenſchaftliche Verlangen fühlte, in den Mittelpunkt eines ſo lieblichen Vereins alle Strahlen meines menſchlichen und künſtleriſchen Daſeyns zu verſammeln, ſie ewig dort feſtzuhalten, und ſo meinem Beſtreben einen um ſo wärmeren Schwung, einen un- mittelbarern Lohn zu verſchaffen, als der zerſtreute Beifall der Welt jemals gewähren kann?“ „Es liegt,“ antwortete die Gräfin nach einigem Nachſinnen mit Heiterkeit, „es liegt in der Natur von Männern Ihresgleichen, Alles nur einſeitig zu nehmen, von Einer Seite her Alles zu erwarten, und zwar je unmöglicher, je ſchädlicher es wäre. Indeſſen, mein lieber Maler, ich bin für jezt nicht gefaßt, noch ge- neigt, in Ihren gegenwärtigen Zuſtand, in Ihr Wün- ſchen und Wollen augenblicklich rathend und helfend einzugehen. Die erhabenen Grillen dieſes Geſchlechts von Künſtlern ſind ſchwer zu faſſen, und wir ſcharf- ſinnigen Frauen haben jedes Mal Mühe, um bei der- gleichen ſubtilen Erörterungen, wo wir nur lauſchen, nur taſten und halb erwiedern können, nicht unſern Blödſinn, unſre Einfalt zu verrathen. Am Ende möchten wir bei einem Menſchen, welchem wir doch einmal herzlich wohl wollen, Alles gerne mit Einem Schlage gut machen, und, dem Unnatürlichen zum Trotz, mit der natürlichſten Auskunft dazwiſchen fah- ren. Gar oft ſind wir aber ſelbſt um eine ſolche Zauberformel verlegen, ja wenn wir ſie gefunden zu haben glauben, will es uns manchmal gefährlich dün-

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Zitationshilfe: Mörike, Eduard: Maler Nolten. Bd. 1. Stuttgart, 1832, S. 116. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moerike_nolten01_1832/124>, abgerufen am 30.11.2024.