sezt jedoch folgende Bemerkung voraus. Constanze, bekannt als fertige und geistreiche Zeichnerin, war zu- gleich eine große Freundin des schönen künstlichen Tanzes und entwickelte namentlich bei Solopartien eine hohe Grazie. Nun hatte Nolten einmal ge- legentlich den Einfall geäußert, es müßte eine artige Unterhaltung abgeben, wenn einige Personen in Zeit von einer kleinen Stunde zusammen ein Tableau, irgend eine Scene zeichneten, indem sie den Kreiden- stift von Hand zu Hand gebend, nach einer langsamen Melodie tanzend, abwechslungsweise vor eine aufge- richtete Tafel träten und den darzustellenden Gegen- stand immer nur um einige Striche weiter förderten, bis zulezt eine harmonische Komposition zum Vorschein käme, über die man sich zuvor im Allgemeinen ver- ständigt, deren Einzelheiten aber der augenblicklichen Eingebung eines Jeden überlassen war. Der Ge- danke fand Beifall, und nach einigem Besprechen zeigte sich die Möglichkeit seiner Ausführung vollkommen, obwohl man Anfangs verlegen war, die gehörige An- zahl von Tänzern, die auch zugleich gute Zeichner wären, und umgekehrt, zu finden. Doch hiezu wußte man Rath. Nolten selbst, obgleich ein abgesagter Feind alles des Schlendrians, um den sich unsere Ballbelustigungen gewöhnlich zu drehen pflegen, besaß doch Leichtigkeit der Glieder und reinen Sinn genug für eine edle rhythmische Bewegung. Die dritte Rolle mußte nothwendig Herrn Tillsen übergeben werden,
ſezt jedoch folgende Bemerkung voraus. Conſtanze, bekannt als fertige und geiſtreiche Zeichnerin, war zu- gleich eine große Freundin des ſchönen künſtlichen Tanzes und entwickelte namentlich bei Solopartien eine hohe Grazie. Nun hatte Nolten einmal ge- legentlich den Einfall geäußert, es müßte eine artige Unterhaltung abgeben, wenn einige Perſonen in Zeit von einer kleinen Stunde zuſammen ein Tableau, irgend eine Scene zeichneten, indem ſie den Kreiden- ſtift von Hand zu Hand gebend, nach einer langſamen Melodie tanzend, abwechslungsweiſe vor eine aufge- richtete Tafel träten und den darzuſtellenden Gegen- ſtand immer nur um einige Striche weiter förderten, bis zulezt eine harmoniſche Kompoſition zum Vorſchein käme, über die man ſich zuvor im Allgemeinen ver- ſtändigt, deren Einzelheiten aber der augenblicklichen Eingebung eines Jeden überlaſſen war. Der Ge- danke fand Beifall, und nach einigem Beſprechen zeigte ſich die Möglichkeit ſeiner Ausführung vollkommen, obwohl man Anfangs verlegen war, die gehörige An- zahl von Tänzern, die auch zugleich gute Zeichner wären, und umgekehrt, zu finden. Doch hiezu wußte man Rath. Nolten ſelbſt, obgleich ein abgeſagter Feind alles des Schlendrians, um den ſich unſere Ballbeluſtigungen gewöhnlich zu drehen pflegen, beſaß doch Leichtigkeit der Glieder und reinen Sinn genug für eine edle rhythmiſche Bewegung. Die dritte Rolle mußte nothwendig Herrn Tillſen übergeben werden,
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ſezt jedoch folgende Bemerkung voraus. Conſtanze,
bekannt als fertige und geiſtreiche Zeichnerin, war zu-
gleich eine große Freundin des ſchönen künſtlichen
Tanzes und entwickelte namentlich bei Solopartien
eine hohe Grazie. Nun hatte Nolten einmal ge-
legentlich den Einfall geäußert, es müßte eine artige
Unterhaltung abgeben, wenn einige Perſonen in Zeit
von einer kleinen Stunde zuſammen ein Tableau,
irgend eine Scene zeichneten, indem ſie den Kreiden-
ſtift von Hand zu Hand gebend, nach einer langſamen
Melodie tanzend, abwechslungsweiſe vor eine aufge-
richtete Tafel träten und den darzuſtellenden Gegen-
ſtand immer nur um einige Striche weiter förderten,
bis zulezt eine harmoniſche Kompoſition zum Vorſchein
käme, über die man ſich zuvor im Allgemeinen ver-
ſtändigt, deren Einzelheiten aber der augenblicklichen
Eingebung eines Jeden überlaſſen war. Der Ge-
danke fand Beifall, und nach einigem Beſprechen zeigte
ſich die Möglichkeit ſeiner Ausführung vollkommen,
obwohl man Anfangs verlegen war, die gehörige An-
zahl von Tänzern, die auch zugleich gute Zeichner
wären, und umgekehrt, zu finden. Doch hiezu wußte
man Rath. Nolten ſelbſt, obgleich ein abgeſagter
Feind alles des Schlendrians, um den ſich unſere
Ballbeluſtigungen gewöhnlich zu drehen pflegen, beſaß
doch Leichtigkeit der Glieder und reinen Sinn genug
für eine edle rhythmiſche Bewegung. Die dritte Rolle
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Mörike, Eduard: Maler Nolten. Bd. 1. Stuttgart, 1832, S. 104. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moerike_nolten01_1832/112>, abgerufen am 29.11.2024.
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