druck bei ihm zurückgelassen. Warum denn just diese Figur? Er wußte zu gut, daß er gerade in ihr das getreue Portrait eines Zigeunermädchens, einer Person dargestellt hatte, welche einst verhängnißvoll genug in sein eigenes Leben eingegriffen hatte. Auf der andern Seite ließ sich Alles und Jedes ganz natürlich aus dem starken Eindruck erklären, welchen das Gemälde auf eine sehr empfängliche Einbildungskraft machen mußte.
Was übrigens den Muth unsers Freundes noch weit mehr niederschlug, das war die aus dem Ver- folg des allgemeinen Gesprächs für ihn hervorgegangene Gewißheit, daß Constanze damals wirklich nicht an der Maskerade Theil genommen, sondern bereits auf der Reise begriffen gewesen.
Die nicht mehr erwartete Ankunft des Herzogs verursachte eine plötzliche Bewegung. Nolten aber, statt durch die Gegenwart seines Rivals nur immer trüber und unmächtiger in sich selbst zu versinken, fühlte sich dadurch zu einem gewissen Kraftaufwande genöthigt, der, obgleich Anfangs nur erkünstelt, doch bald, von Larkens ehrlicher Munterkeit unterstüzt, eine wohlthätige Wirkung auf das Ganze ausübte. Vorzüglich willkommen war es Theobalden, als man endlich auf den Wunsch des Herzogs selbst An- stalt machte, ein gewisses Spiel vorzunehmen, das auf eine sinnreiche Art drei verschiedene Künste in Ver- bindung brachte, den Tanz, die Malerei oder Zeich- nung, und untergeordneter Weise die Musik. Dieß
druck bei ihm zurückgelaſſen. Warum denn juſt dieſe Figur? Er wußte zu gut, daß er gerade in ihr das getreue Portrait eines Zigeunermädchens, einer Perſon dargeſtellt hatte, welche einſt verhängnißvoll genug in ſein eigenes Leben eingegriffen hatte. Auf der andern Seite ließ ſich Alles und Jedes ganz natürlich aus dem ſtarken Eindruck erklären, welchen das Gemälde auf eine ſehr empfängliche Einbildungskraft machen mußte.
Was übrigens den Muth unſers Freundes noch weit mehr niederſchlug, das war die aus dem Ver- folg des allgemeinen Geſprächs für ihn hervorgegangene Gewißheit, daß Conſtanze damals wirklich nicht an der Maskerade Theil genommen, ſondern bereits auf der Reiſe begriffen geweſen.
Die nicht mehr erwartete Ankunft des Herzogs verurſachte eine plötzliche Bewegung. Nolten aber, ſtatt durch die Gegenwart ſeines Rivals nur immer trüber und unmächtiger in ſich ſelbſt zu verſinken, fühlte ſich dadurch zu einem gewiſſen Kraftaufwande genöthigt, der, obgleich Anfangs nur erkünſtelt, doch bald, von Larkens ehrlicher Munterkeit unterſtüzt, eine wohlthätige Wirkung auf das Ganze ausübte. Vorzüglich willkommen war es Theobalden, als man endlich auf den Wunſch des Herzogs ſelbſt An- ſtalt machte, ein gewiſſes Spiel vorzunehmen, das auf eine ſinnreiche Art drei verſchiedene Künſte in Ver- bindung brachte, den Tanz, die Malerei oder Zeich- nung, und untergeordneter Weiſe die Muſik. Dieß
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0111"n="103"/>
druck bei ihm zurückgelaſſen. Warum denn juſt <hirendition="#g">dieſe</hi><lb/>
Figur? Er wußte zu gut, daß er gerade in <hirendition="#g">ihr</hi> das<lb/>
getreue Portrait eines Zigeunermädchens, einer Perſon<lb/>
dargeſtellt hatte, welche einſt verhängnißvoll genug in ſein<lb/>
eigenes Leben eingegriffen hatte. Auf der andern Seite<lb/>
ließ ſich Alles und Jedes ganz natürlich aus dem<lb/>ſtarken Eindruck erklären, welchen das Gemälde auf eine<lb/>ſehr empfängliche Einbildungskraft machen mußte.</p><lb/><p>Was übrigens den Muth unſers Freundes noch<lb/>
weit mehr niederſchlug, das war die aus dem Ver-<lb/>
folg des allgemeinen Geſprächs für ihn hervorgegangene<lb/>
Gewißheit, daß <hirendition="#g">Conſtanze</hi> damals wirklich nicht an<lb/>
der Maskerade Theil genommen, ſondern bereits auf<lb/>
der Reiſe begriffen geweſen.</p><lb/><p>Die nicht mehr erwartete Ankunft des Herzogs<lb/>
verurſachte eine plötzliche Bewegung. <hirendition="#g">Nolten</hi> aber,<lb/>ſtatt durch die Gegenwart ſeines Rivals nur immer<lb/>
trüber und unmächtiger in ſich ſelbſt zu verſinken,<lb/>
fühlte ſich dadurch zu einem gewiſſen Kraftaufwande<lb/>
genöthigt, der, obgleich Anfangs nur erkünſtelt, doch<lb/>
bald, von <hirendition="#g">Larkens</hi> ehrlicher Munterkeit unterſtüzt,<lb/>
eine wohlthätige Wirkung auf das Ganze ausübte.<lb/>
Vorzüglich willkommen war es <hirendition="#g">Theobalden</hi>, als<lb/>
man endlich auf den Wunſch des Herzogs ſelbſt An-<lb/>ſtalt machte, ein gewiſſes Spiel vorzunehmen, das auf<lb/>
eine ſinnreiche Art drei verſchiedene Künſte in Ver-<lb/>
bindung brachte, den Tanz, die Malerei oder Zeich-<lb/>
nung, und untergeordneter Weiſe die Muſik. Dieß<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[103/0111]
druck bei ihm zurückgelaſſen. Warum denn juſt dieſe
Figur? Er wußte zu gut, daß er gerade in ihr das
getreue Portrait eines Zigeunermädchens, einer Perſon
dargeſtellt hatte, welche einſt verhängnißvoll genug in ſein
eigenes Leben eingegriffen hatte. Auf der andern Seite
ließ ſich Alles und Jedes ganz natürlich aus dem
ſtarken Eindruck erklären, welchen das Gemälde auf eine
ſehr empfängliche Einbildungskraft machen mußte.
Was übrigens den Muth unſers Freundes noch
weit mehr niederſchlug, das war die aus dem Ver-
folg des allgemeinen Geſprächs für ihn hervorgegangene
Gewißheit, daß Conſtanze damals wirklich nicht an
der Maskerade Theil genommen, ſondern bereits auf
der Reiſe begriffen geweſen.
Die nicht mehr erwartete Ankunft des Herzogs
verurſachte eine plötzliche Bewegung. Nolten aber,
ſtatt durch die Gegenwart ſeines Rivals nur immer
trüber und unmächtiger in ſich ſelbſt zu verſinken,
fühlte ſich dadurch zu einem gewiſſen Kraftaufwande
genöthigt, der, obgleich Anfangs nur erkünſtelt, doch
bald, von Larkens ehrlicher Munterkeit unterſtüzt,
eine wohlthätige Wirkung auf das Ganze ausübte.
Vorzüglich willkommen war es Theobalden, als
man endlich auf den Wunſch des Herzogs ſelbſt An-
ſtalt machte, ein gewiſſes Spiel vorzunehmen, das auf
eine ſinnreiche Art drei verſchiedene Künſte in Ver-
bindung brachte, den Tanz, die Malerei oder Zeich-
nung, und untergeordneter Weiſe die Muſik. Dieß
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Mörike, Eduard: Maler Nolten. Bd. 1. Stuttgart, 1832, S. 103. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moerike_nolten01_1832/111>, abgerufen am 29.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.