Mörike, Eduard: Mozart auf der Reise nach Prag. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 4. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 263–362. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.was sie nun hören soll, um eben diese Stunde in der Nacht, und zwar gleichfalls vor einer angesetzten Reise, zur Welt geboren ist? Wär's möglich? Wann? Gewiß vor drei Wochen, wie du nach Eisenstadt wolltest? Getroffen! Und das begab sich so. Ich kam nach Zehne, du schliefst schon fest, von Richter's Essen heim und wollte versprochenermaßen auch bälder zu Bett, um Morgens bei Zeiten heraus und in den Wagen zu steigen. Inzwischen hatte Veit, wie gewöhnlich, die Lichter auf dem Schreibtisch angezündet, ich zog mechanisch den Schlafrock an, und fiel mir ein, geschwind mein letztes Pensum noch einmal anzusehen. Allein, o Mißgeschick! verwünschte, ganz unzeitige Geschäftigkeit der Weiber! du hattest aufgeräumt, die Noten eingepackt -- die mußten nämlich mit: der Fürst verlangte eine Probe von dem Opus; -- ich suchte, brummte, schalt, umsonst! Darüber fällt mein Blick auf ein versiegeltes Couvert: vom Abbate, den gräulichen Haken nach auf der Adresse -- ja wahrlich! und schickt mir den umgearbeiteten Rest seines Textes, den ich vor Monatsfrist noch nicht zu sehen hoffte. Sogleich sitz' ich begierig hin und lese und bin entzückt, wie gut der Kauz verstand, was ich wollte. Es war alles weit simpler, gedrängter und reicher zugleich. Sowohl die Kirchhofsscene, wie das Finale, bis zum Untergang des Helden, hat in jedem Betracht sehr gewonnen. (Du sollst mir aber auch, dacht' ich, vortreff- was sie nun hören soll, um eben diese Stunde in der Nacht, und zwar gleichfalls vor einer angesetzten Reise, zur Welt geboren ist? Wär's möglich? Wann? Gewiß vor drei Wochen, wie du nach Eisenstadt wolltest? Getroffen! Und das begab sich so. Ich kam nach Zehne, du schliefst schon fest, von Richter's Essen heim und wollte versprochenermaßen auch bälder zu Bett, um Morgens bei Zeiten heraus und in den Wagen zu steigen. Inzwischen hatte Veit, wie gewöhnlich, die Lichter auf dem Schreibtisch angezündet, ich zog mechanisch den Schlafrock an, und fiel mir ein, geschwind mein letztes Pensum noch einmal anzusehen. Allein, o Mißgeschick! verwünschte, ganz unzeitige Geschäftigkeit der Weiber! du hattest aufgeräumt, die Noten eingepackt — die mußten nämlich mit: der Fürst verlangte eine Probe von dem Opus; — ich suchte, brummte, schalt, umsonst! Darüber fällt mein Blick auf ein versiegeltes Couvert: vom Abbate, den gräulichen Haken nach auf der Adresse — ja wahrlich! und schickt mir den umgearbeiteten Rest seines Textes, den ich vor Monatsfrist noch nicht zu sehen hoffte. Sogleich sitz' ich begierig hin und lese und bin entzückt, wie gut der Kauz verstand, was ich wollte. Es war alles weit simpler, gedrängter und reicher zugleich. Sowohl die Kirchhofsscene, wie das Finale, bis zum Untergang des Helden, hat in jedem Betracht sehr gewonnen. (Du sollst mir aber auch, dacht' ich, vortreff- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div> <p><pb facs="#f0092"/> was sie nun hören soll, um eben diese Stunde in der Nacht, und zwar gleichfalls vor einer angesetzten Reise, zur Welt geboren ist?</p><lb/> <p>Wär's möglich? Wann? Gewiß vor drei Wochen, wie du nach Eisenstadt wolltest?</p><lb/> <p>Getroffen! Und das begab sich so. Ich kam nach Zehne, du schliefst schon fest, von Richter's Essen heim und wollte versprochenermaßen auch bälder zu Bett, um Morgens bei Zeiten heraus und in den Wagen zu steigen. Inzwischen hatte Veit, wie gewöhnlich, die Lichter auf dem Schreibtisch angezündet, ich zog mechanisch den Schlafrock an, und fiel mir ein, geschwind mein letztes Pensum noch einmal anzusehen. Allein, o Mißgeschick! verwünschte, ganz unzeitige Geschäftigkeit der Weiber! du hattest aufgeräumt, die Noten eingepackt — die mußten nämlich mit: der Fürst verlangte eine Probe von dem Opus; — ich suchte, brummte, schalt, umsonst! Darüber fällt mein Blick auf ein versiegeltes Couvert: vom Abbate, den gräulichen Haken nach auf der Adresse — ja wahrlich! und schickt mir den umgearbeiteten Rest seines Textes, den ich vor Monatsfrist noch nicht zu sehen hoffte. Sogleich sitz' ich begierig hin und lese und bin entzückt, wie gut der Kauz verstand, was ich wollte. Es war alles weit simpler, gedrängter und reicher zugleich. Sowohl die Kirchhofsscene, wie das Finale, bis zum Untergang des Helden, hat in jedem Betracht sehr gewonnen. (Du sollst mir aber auch, dacht' ich, vortreff-<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0092]
was sie nun hören soll, um eben diese Stunde in der Nacht, und zwar gleichfalls vor einer angesetzten Reise, zur Welt geboren ist?
Wär's möglich? Wann? Gewiß vor drei Wochen, wie du nach Eisenstadt wolltest?
Getroffen! Und das begab sich so. Ich kam nach Zehne, du schliefst schon fest, von Richter's Essen heim und wollte versprochenermaßen auch bälder zu Bett, um Morgens bei Zeiten heraus und in den Wagen zu steigen. Inzwischen hatte Veit, wie gewöhnlich, die Lichter auf dem Schreibtisch angezündet, ich zog mechanisch den Schlafrock an, und fiel mir ein, geschwind mein letztes Pensum noch einmal anzusehen. Allein, o Mißgeschick! verwünschte, ganz unzeitige Geschäftigkeit der Weiber! du hattest aufgeräumt, die Noten eingepackt — die mußten nämlich mit: der Fürst verlangte eine Probe von dem Opus; — ich suchte, brummte, schalt, umsonst! Darüber fällt mein Blick auf ein versiegeltes Couvert: vom Abbate, den gräulichen Haken nach auf der Adresse — ja wahrlich! und schickt mir den umgearbeiteten Rest seines Textes, den ich vor Monatsfrist noch nicht zu sehen hoffte. Sogleich sitz' ich begierig hin und lese und bin entzückt, wie gut der Kauz verstand, was ich wollte. Es war alles weit simpler, gedrängter und reicher zugleich. Sowohl die Kirchhofsscene, wie das Finale, bis zum Untergang des Helden, hat in jedem Betracht sehr gewonnen. (Du sollst mir aber auch, dacht' ich, vortreff-
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Zitationshilfe: | Mörike, Eduard: Mozart auf der Reise nach Prag. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 4. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 263–362. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moerike_mozart_1910/92>, abgerufen am 23.07.2024. |