Mörike, Eduard: Mozart auf der Reise nach Prag. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 4. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 263–362. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.waren, beschloß er, diese ruhig abzuwarten und war nunmehr, mit Herz und Sinn den Füßen vorauseilend, bei seiner Frau zu Hause. Mit innerer Gewißheit zählte er auf einen freundlichen, ja fröhlichen Willkommen, Kuß und Umarmung schon auf der Schwelle, und Sehnsucht verdoppelte seine Schritte beim Eintritt in das Kärnthner Thor. Nicht weit davon ruft ihn der Postträger an, der ihm ein kleines, doch gewichtiges Packet übergiebt, worauf er eine ehrliche und accurate Hand augenblicklich erkennt. Er tritt mit dem Boten, um ihm zu quittiren, in den nächsten Kaufladen; dann, wieder auf der Straße, kann er sich nicht bis in sein Haus gedulden; er reißt die Siegel auf, halb gehend, halb stehend verschlingt er den Brief. Ich saß, fuhr Madame Mozart hier in der Erzählung bei den Damen fort, am Nähtisch, hörte meinen Mann die Stiege heraufkommen und den Bedienten nach mir fragen. Sein Tritt und seine Stimme kam mir beherzter, aufgeräumter vor, als ich erwartete und als mir wahrhaftig angenehm war. Erst ging er auf sein Zimmer, kam aber gleich herüber. Guten Abend! sagt' er; ich, ohne aufzusehen, erwiderte ihm kleinlaut. Nachdem er die Stube ein paarmal stillschweigend gemessen, nahm er unter erzwungenem Gähnen die Fliegenklatsche hinter der Thür, was ihm noch niemals eingefallen war, und murmelte vor sich: Wo nur die Fliegen gleich wieder her kommen! -- waren, beschloß er, diese ruhig abzuwarten und war nunmehr, mit Herz und Sinn den Füßen vorauseilend, bei seiner Frau zu Hause. Mit innerer Gewißheit zählte er auf einen freundlichen, ja fröhlichen Willkommen, Kuß und Umarmung schon auf der Schwelle, und Sehnsucht verdoppelte seine Schritte beim Eintritt in das Kärnthner Thor. Nicht weit davon ruft ihn der Postträger an, der ihm ein kleines, doch gewichtiges Packet übergiebt, worauf er eine ehrliche und accurate Hand augenblicklich erkennt. Er tritt mit dem Boten, um ihm zu quittiren, in den nächsten Kaufladen; dann, wieder auf der Straße, kann er sich nicht bis in sein Haus gedulden; er reißt die Siegel auf, halb gehend, halb stehend verschlingt er den Brief. Ich saß, fuhr Madame Mozart hier in der Erzählung bei den Damen fort, am Nähtisch, hörte meinen Mann die Stiege heraufkommen und den Bedienten nach mir fragen. Sein Tritt und seine Stimme kam mir beherzter, aufgeräumter vor, als ich erwartete und als mir wahrhaftig angenehm war. Erst ging er auf sein Zimmer, kam aber gleich herüber. Guten Abend! sagt' er; ich, ohne aufzusehen, erwiderte ihm kleinlaut. Nachdem er die Stube ein paarmal stillschweigend gemessen, nahm er unter erzwungenem Gähnen die Fliegenklatsche hinter der Thür, was ihm noch niemals eingefallen war, und murmelte vor sich: Wo nur die Fliegen gleich wieder her kommen! — <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div> <p><pb facs="#f0082"/> waren, beschloß er, diese ruhig abzuwarten und war nunmehr, mit Herz und Sinn den Füßen vorauseilend, bei seiner Frau zu Hause.</p><lb/> <p>Mit innerer Gewißheit zählte er auf einen freundlichen, ja fröhlichen Willkommen, Kuß und Umarmung schon auf der Schwelle, und Sehnsucht verdoppelte seine Schritte beim Eintritt in das Kärnthner Thor. Nicht weit davon ruft ihn der Postträger an, der ihm ein kleines, doch gewichtiges Packet übergiebt, worauf er eine ehrliche und accurate Hand augenblicklich erkennt. Er tritt mit dem Boten, um ihm zu quittiren, in den nächsten Kaufladen; dann, wieder auf der Straße, kann er sich nicht bis in sein Haus gedulden; er reißt die Siegel auf, halb gehend, halb stehend verschlingt er den Brief.</p><lb/> <p>Ich saß, fuhr Madame Mozart hier in der Erzählung bei den Damen fort, am Nähtisch, hörte meinen Mann die Stiege heraufkommen und den Bedienten nach mir fragen. Sein Tritt und seine Stimme kam mir beherzter, aufgeräumter vor, als ich erwartete und als mir wahrhaftig angenehm war. Erst ging er auf sein Zimmer, kam aber gleich herüber. Guten Abend! sagt' er; ich, ohne aufzusehen, erwiderte ihm kleinlaut. Nachdem er die Stube ein paarmal stillschweigend gemessen, nahm er unter erzwungenem Gähnen die Fliegenklatsche hinter der Thür, was ihm noch niemals eingefallen war, und murmelte vor sich: Wo nur die Fliegen gleich wieder her kommen! —<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0082]
waren, beschloß er, diese ruhig abzuwarten und war nunmehr, mit Herz und Sinn den Füßen vorauseilend, bei seiner Frau zu Hause.
Mit innerer Gewißheit zählte er auf einen freundlichen, ja fröhlichen Willkommen, Kuß und Umarmung schon auf der Schwelle, und Sehnsucht verdoppelte seine Schritte beim Eintritt in das Kärnthner Thor. Nicht weit davon ruft ihn der Postträger an, der ihm ein kleines, doch gewichtiges Packet übergiebt, worauf er eine ehrliche und accurate Hand augenblicklich erkennt. Er tritt mit dem Boten, um ihm zu quittiren, in den nächsten Kaufladen; dann, wieder auf der Straße, kann er sich nicht bis in sein Haus gedulden; er reißt die Siegel auf, halb gehend, halb stehend verschlingt er den Brief.
Ich saß, fuhr Madame Mozart hier in der Erzählung bei den Damen fort, am Nähtisch, hörte meinen Mann die Stiege heraufkommen und den Bedienten nach mir fragen. Sein Tritt und seine Stimme kam mir beherzter, aufgeräumter vor, als ich erwartete und als mir wahrhaftig angenehm war. Erst ging er auf sein Zimmer, kam aber gleich herüber. Guten Abend! sagt' er; ich, ohne aufzusehen, erwiderte ihm kleinlaut. Nachdem er die Stube ein paarmal stillschweigend gemessen, nahm er unter erzwungenem Gähnen die Fliegenklatsche hinter der Thür, was ihm noch niemals eingefallen war, und murmelte vor sich: Wo nur die Fliegen gleich wieder her kommen! —
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Zitationshilfe: | Mörike, Eduard: Mozart auf der Reise nach Prag. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 4. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 263–362. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moerike_mozart_1910/82>, abgerufen am 23.07.2024. |