Mörike, Eduard: Mozart auf der Reise nach Prag. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 4. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 263–362. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.das Bewußtsein, wo er ist, was er gethan, stellt sich urplötzlich bei ihm ein. Schon im Begriff, die Pomeranze zu verbergen, hält er doch gleich damit inne, sei es aus Stolz, sei's weil es zu spät dazu war. Ein großer breitschulteriger Mann in Livree, der Gärtner des Hauses, stand vor ihm. Derselbe hatte wohl die letzte verdächtige Bewegung noch gesehen und schwieg betroffen einige Secunden. Mozart, gleichfalls sprachlos, auf seinem Sitz wie angenagelt, schaute ihm halb lachend, unter sichtbarem Erröthen, doch gewissermaßen keck und groß mit seinen blauen Augen ins Gesicht; dann setzte er -- für einen Dritten wäre es höchst komisch anzusehen gewesen -- die scheinbar unverletzte Pomeranze mit einer Art von trotzig couragirtem Nachdruck in die Mitte des Tisches. Um Vergebung, fing jetzt der Gärtner, nachdem er den wenig versprechenden Anzug des Fremden gemustert, mit unterdrücktem Unwillen an: ich weiß nicht, wen ich hier -- Kapellmeister Mozart aus Wien. Sind ohne Zweifel bekannt im Schloß? Ich bin hier fremd und auf der Durchreise. Ist der Herr Graf anwesend? Nein. Seine Gemahlin? Sind beschäftigt und schwerlich zu sprechen. Mozart stand auf und machte Miene zu gehen. Mit Erlaubniß, mein Herr, -- wie kommen das Bewußtsein, wo er ist, was er gethan, stellt sich urplötzlich bei ihm ein. Schon im Begriff, die Pomeranze zu verbergen, hält er doch gleich damit inne, sei es aus Stolz, sei's weil es zu spät dazu war. Ein großer breitschulteriger Mann in Livree, der Gärtner des Hauses, stand vor ihm. Derselbe hatte wohl die letzte verdächtige Bewegung noch gesehen und schwieg betroffen einige Secunden. Mozart, gleichfalls sprachlos, auf seinem Sitz wie angenagelt, schaute ihm halb lachend, unter sichtbarem Erröthen, doch gewissermaßen keck und groß mit seinen blauen Augen ins Gesicht; dann setzte er — für einen Dritten wäre es höchst komisch anzusehen gewesen — die scheinbar unverletzte Pomeranze mit einer Art von trotzig couragirtem Nachdruck in die Mitte des Tisches. Um Vergebung, fing jetzt der Gärtner, nachdem er den wenig versprechenden Anzug des Fremden gemustert, mit unterdrücktem Unwillen an: ich weiß nicht, wen ich hier — Kapellmeister Mozart aus Wien. Sind ohne Zweifel bekannt im Schloß? Ich bin hier fremd und auf der Durchreise. Ist der Herr Graf anwesend? Nein. Seine Gemahlin? Sind beschäftigt und schwerlich zu sprechen. Mozart stand auf und machte Miene zu gehen. Mit Erlaubniß, mein Herr, — wie kommen <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0032"/> das Bewußtsein, wo er ist, was er gethan, stellt sich urplötzlich bei ihm ein. Schon im Begriff, die Pomeranze zu verbergen, hält er doch gleich damit inne, sei es aus Stolz, sei's weil es zu spät dazu war. Ein großer breitschulteriger Mann in Livree, der Gärtner des Hauses, stand vor ihm. Derselbe hatte wohl die letzte verdächtige Bewegung noch gesehen und schwieg betroffen einige Secunden. Mozart, gleichfalls sprachlos, auf seinem Sitz wie angenagelt, schaute ihm halb lachend, unter sichtbarem Erröthen, doch gewissermaßen keck und groß mit seinen blauen Augen ins Gesicht; dann setzte er — für einen Dritten wäre es höchst komisch anzusehen gewesen — die scheinbar unverletzte Pomeranze mit einer Art von trotzig couragirtem Nachdruck in die Mitte des Tisches.</p><lb/> <p>Um Vergebung, fing jetzt der Gärtner, nachdem er den wenig versprechenden Anzug des Fremden gemustert, mit unterdrücktem Unwillen an: ich weiß nicht, wen ich hier —</p><lb/> <p>Kapellmeister Mozart aus Wien.</p><lb/> <p>Sind ohne Zweifel bekannt im Schloß?</p><lb/> <p>Ich bin hier fremd und auf der Durchreise. Ist der Herr Graf anwesend?</p><lb/> <p>Nein.</p><lb/> <p>Seine Gemahlin?</p><lb/> <p>Sind beschäftigt und schwerlich zu sprechen.</p><lb/> <p>Mozart stand auf und machte Miene zu gehen.</p><lb/> <p>Mit Erlaubniß, mein Herr, — wie kommen<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0032]
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Um Vergebung, fing jetzt der Gärtner, nachdem er den wenig versprechenden Anzug des Fremden gemustert, mit unterdrücktem Unwillen an: ich weiß nicht, wen ich hier —
Kapellmeister Mozart aus Wien.
Sind ohne Zweifel bekannt im Schloß?
Ich bin hier fremd und auf der Durchreise. Ist der Herr Graf anwesend?
Nein.
Seine Gemahlin?
Sind beschäftigt und schwerlich zu sprechen.
Mozart stand auf und machte Miene zu gehen.
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Zitationshilfe: | Mörike, Eduard: Mozart auf der Reise nach Prag. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 4. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 263–362. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moerike_mozart_1910/32>, abgerufen am 17.02.2025. |