Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Mörike, Eduard: Mozart auf der Reise nach Prag. Stuttgart u. a., 1856.

Bild:
<< vorherige Seite

sogenannten Hof, und weiter an der Pfarre zu unsrer
lieben Frau vorbei, dem Schottenthor entgegen, wo
er seitwärts zur Linken auf die Mölkerbastei stieg und
dadurch der Ansprache mehrerer Bekannten, die eben
zur Stadt herein kamen, entging. Nur kurze Zeit
genoß er hier, obwohl von einer stumm bei den Ka¬
nonen auf und nieder gehenden Schildwache nicht
belästigt, der vortrefflichen Aussicht über die grüne
Ebene des Glacis und die Vorstädte hin nach dem
Kahlenberg und südlich nach den steierischen Alpen.
Die schöne Ruhe der äußern Natur widersprach seinem
innern Zustand. Mit einem Seufzer setzte er seinen
Gang über die Esplanade und sodann durch die Alser-
Vorstadt ohne bestimmten Zielpunkt fort.

Am Ende der Währinger Gasse lag eine Schenke
mit Kegelbahn, deren Eigenthümer, ein Seilermeister,
durch seine gute Waare, wie durch die Reinheit seines
Getränks den Nachbarn und Landleuten, die ihr
Weg vorüber führte, gar wohl bekannt war. Man
hörte Kegelschieben und übrigens ging es bei einer
Anzahl von höchstens einem Dutzend Gästen mäßig
zu. Ein kaum bewußter Trieb, sich unter anspruch¬
losen, natürlichen Menschen in etwas zu vergessen,
bewog den Musiker zur Einkehr. Er setzte sich an

Mörike, Mozart. 6

ſogenannten Hof, und weiter an der Pfarre zu unſrer
lieben Frau vorbei, dem Schottenthor entgegen, wo
er ſeitwärts zur Linken auf die Mölkerbaſtei ſtieg und
dadurch der Anſprache mehrerer Bekannten, die eben
zur Stadt herein kamen, entging. Nur kurze Zeit
genoß er hier, obwohl von einer ſtumm bei den Ka¬
nonen auf und nieder gehenden Schildwache nicht
beläſtigt, der vortrefflichen Ausſicht über die grüne
Ebene des Glacis und die Vorſtädte hin nach dem
Kahlenberg und ſüdlich nach den ſteieriſchen Alpen.
Die ſchöne Ruhe der äußern Natur widerſprach ſeinem
innern Zuſtand. Mit einem Seufzer ſetzte er ſeinen
Gang über die Eſplanade und ſodann durch die Alſer-
Vorſtadt ohne beſtimmten Zielpunkt fort.

Am Ende der Währinger Gaſſe lag eine Schenke
mit Kegelbahn, deren Eigenthümer, ein Seilermeiſter,
durch ſeine gute Waare, wie durch die Reinheit ſeines
Getränks den Nachbarn und Landleuten, die ihr
Weg vorüber führte, gar wohl bekannt war. Man
hörte Kegelſchieben und übrigens ging es bei einer
Anzahl von höchſtens einem Dutzend Gäſten mäßig
zu. Ein kaum bewußter Trieb, ſich unter anſpruch¬
loſen, natürlichen Menſchen in etwas zu vergeſſen,
bewog den Muſiker zur Einkehr. Er ſetzte ſich an

Mörike, Mozart. 6
<TEI>
  <text>
    <body>
      <p><pb facs="#f0093" n="81"/>
&#x017F;ogenannten Hof, und weiter an der Pfarre zu un&#x017F;rer<lb/>
lieben Frau vorbei, dem Schottenthor entgegen, wo<lb/>
er &#x017F;eitwärts zur Linken auf die Mölkerba&#x017F;tei &#x017F;tieg und<lb/>
dadurch der An&#x017F;prache mehrerer Bekannten, die eben<lb/>
zur Stadt herein kamen, entging. Nur kurze Zeit<lb/>
genoß er hier, obwohl von einer &#x017F;tumm bei den Ka¬<lb/>
nonen auf und nieder gehenden Schildwache nicht<lb/>
belä&#x017F;tigt, der vortrefflichen Aus&#x017F;icht über die grüne<lb/>
Ebene des Glacis und die Vor&#x017F;tädte hin nach dem<lb/>
Kahlenberg und &#x017F;üdlich nach den &#x017F;teieri&#x017F;chen Alpen.<lb/>
Die &#x017F;chöne Ruhe der äußern Natur wider&#x017F;prach &#x017F;einem<lb/>
innern Zu&#x017F;tand. Mit einem Seufzer &#x017F;etzte er &#x017F;einen<lb/>
Gang über die E&#x017F;planade und &#x017F;odann durch die Al&#x017F;er-<lb/>
Vor&#x017F;tadt ohne be&#x017F;timmten Zielpunkt fort.</p><lb/>
      <p>Am Ende der Währinger Ga&#x017F;&#x017F;e lag eine Schenke<lb/>
mit Kegelbahn, deren Eigenthümer, ein Seilermei&#x017F;ter,<lb/>
durch &#x017F;eine gute Waare, wie durch die Reinheit &#x017F;eines<lb/>
Getränks den Nachbarn und Landleuten, die ihr<lb/>
Weg vorüber führte, gar wohl bekannt war. Man<lb/>
hörte Kegel&#x017F;chieben und übrigens ging es bei einer<lb/>
Anzahl von höch&#x017F;tens einem Dutzend Gä&#x017F;ten mäßig<lb/>
zu. Ein kaum bewußter Trieb, &#x017F;ich unter an&#x017F;pruch¬<lb/>
lo&#x017F;en, natürlichen Men&#x017F;chen in etwas zu verge&#x017F;&#x017F;en,<lb/>
bewog den Mu&#x017F;iker zur Einkehr. Er &#x017F;etzte &#x017F;ich an<lb/>
<fw place="bottom" type="sig"><hi rendition="#g">Mörike</hi>, Mozart. 6<lb/></fw>
</p>
    </body>
  </text>
</TEI>
[81/0093] ſogenannten Hof, und weiter an der Pfarre zu unſrer lieben Frau vorbei, dem Schottenthor entgegen, wo er ſeitwärts zur Linken auf die Mölkerbaſtei ſtieg und dadurch der Anſprache mehrerer Bekannten, die eben zur Stadt herein kamen, entging. Nur kurze Zeit genoß er hier, obwohl von einer ſtumm bei den Ka¬ nonen auf und nieder gehenden Schildwache nicht beläſtigt, der vortrefflichen Ausſicht über die grüne Ebene des Glacis und die Vorſtädte hin nach dem Kahlenberg und ſüdlich nach den ſteieriſchen Alpen. Die ſchöne Ruhe der äußern Natur widerſprach ſeinem innern Zuſtand. Mit einem Seufzer ſetzte er ſeinen Gang über die Eſplanade und ſodann durch die Alſer- Vorſtadt ohne beſtimmten Zielpunkt fort. Am Ende der Währinger Gaſſe lag eine Schenke mit Kegelbahn, deren Eigenthümer, ein Seilermeiſter, durch ſeine gute Waare, wie durch die Reinheit ſeines Getränks den Nachbarn und Landleuten, die ihr Weg vorüber führte, gar wohl bekannt war. Man hörte Kegelſchieben und übrigens ging es bei einer Anzahl von höchſtens einem Dutzend Gäſten mäßig zu. Ein kaum bewußter Trieb, ſich unter anſpruch¬ loſen, natürlichen Menſchen in etwas zu vergeſſen, bewog den Muſiker zur Einkehr. Er ſetzte ſich an Mörike, Mozart. 6

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/moerike_mozart_1856
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/moerike_mozart_1856/93
Zitationshilfe: Mörike, Eduard: Mozart auf der Reise nach Prag. Stuttgart u. a., 1856, S. 81. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moerike_mozart_1856/93>, abgerufen am 27.11.2024.