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Mörike, Eduard: Mozart auf der Reise nach Prag. Stuttgart u. a., 1856.

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aufgestellt. Eine am Stamm des Orangenbaums
befestigte Inschrift bezeichnete ihn als Eigenthum der
Braut; vorn aber, auf dem Moosgrund, stand, mit
einer Serviette bedeckt, ein Porcellanteller, der, als
man das Tuch hinwegnahm, eine zerschnittene Orange
zeigte, neben welche der Oheim mit listigem Blick
des Meisters Autographen steckte. Allgemeiner un¬
endlicher Jubel erhob sich darüber.

"Ich glaube gar," sagte die Gräfin, "Eugenie
weiß noch nicht einmal, was eigentlich da vor ihr
steht? Sie kennt wahrhaftig ihren alten Liebling in
seinem neuen Flor und Früchteschmuck nicht mehr!"

Bestürzt, ungläubig sah das Fräulein bald den
Baum, bald ihren Oheim an. "Es ist nicht mög¬
lich," sagte sie, "ich weiß ja wohl, er war nicht mehr
zu retten."

"Du meinst also," versetzte jener, "man habe dir
nur irgend ungefähr so ein Ersatzstück ausgesucht?
Das wär' was Rechts! Nein, sieh nur her -- ich
muß es machen, wie's in der Comödie der Brauch
ist, wo sich die todtgeglaubten Söhne oder Brüder
durch ihre Muttermäler und Narben legitimiren.
Schau diesen Auswuchs da! und hier die Schrunde
über's Kreuz, du mußt sie hundertmal bemerkt haben.

aufgeſtellt. Eine am Stamm des Orangenbaums
befeſtigte Inſchrift bezeichnete ihn als Eigenthum der
Braut; vorn aber, auf dem Moosgrund, ſtand, mit
einer Serviette bedeckt, ein Porcellanteller, der, als
man das Tuch hinwegnahm, eine zerſchnittene Orange
zeigte, neben welche der Oheim mit liſtigem Blick
des Meiſters Autographen ſteckte. Allgemeiner un¬
endlicher Jubel erhob ſich darüber.

„Ich glaube gar,“ ſagte die Gräfin, „Eugenie
weiß noch nicht einmal, was eigentlich da vor ihr
ſteht? Sie kennt wahrhaftig ihren alten Liebling in
ſeinem neuen Flor und Früchteſchmuck nicht mehr!“

Beſtürzt, ungläubig ſah das Fräulein bald den
Baum, bald ihren Oheim an. „Es iſt nicht mög¬
lich,“ ſagte ſie, „ich weiß ja wohl, er war nicht mehr
zu retten.“

„Du meinſt alſo,“ verſetzte jener, „man habe dir
nur irgend ungefähr ſo ein Erſatzſtück ausgeſucht?
Das wär' was Rechts! Nein, ſieh nur her — ich
muß es machen, wie's in der Comödie der Brauch
iſt, wo ſich die todtgeglaubten Söhne oder Brüder
durch ihre Muttermäler und Narben legitimiren.
Schau dieſen Auswuchs da! und hier die Schrunde
über's Kreuz, du mußt ſie hundertmal bemerkt haben.

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[59/0071] aufgeſtellt. Eine am Stamm des Orangenbaums befeſtigte Inſchrift bezeichnete ihn als Eigenthum der Braut; vorn aber, auf dem Moosgrund, ſtand, mit einer Serviette bedeckt, ein Porcellanteller, der, als man das Tuch hinwegnahm, eine zerſchnittene Orange zeigte, neben welche der Oheim mit liſtigem Blick des Meiſters Autographen ſteckte. Allgemeiner un¬ endlicher Jubel erhob ſich darüber. „Ich glaube gar,“ ſagte die Gräfin, „Eugenie weiß noch nicht einmal, was eigentlich da vor ihr ſteht? Sie kennt wahrhaftig ihren alten Liebling in ſeinem neuen Flor und Früchteſchmuck nicht mehr!“ Beſtürzt, ungläubig ſah das Fräulein bald den Baum, bald ihren Oheim an. „Es iſt nicht mög¬ lich,“ ſagte ſie, „ich weiß ja wohl, er war nicht mehr zu retten.“ „Du meinſt alſo,“ verſetzte jener, „man habe dir nur irgend ungefähr ſo ein Erſatzſtück ausgeſucht? Das wär' was Rechts! Nein, ſieh nur her — ich muß es machen, wie's in der Comödie der Brauch iſt, wo ſich die todtgeglaubten Söhne oder Brüder durch ihre Muttermäler und Narben legitimiren. Schau dieſen Auswuchs da! und hier die Schrunde über's Kreuz, du mußt ſie hundertmal bemerkt haben.

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Zitationshilfe: Mörike, Eduard: Mozart auf der Reise nach Prag. Stuttgart u. a., 1856, S. 59. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moerike_mozart_1856/71>, abgerufen am 23.11.2024.