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Mörike, Eduard: Mozart auf der Reise nach Prag. Stuttgart u. a., 1856.

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und bei erschöpften Kräften nothgedrungen ihre Zu¬
flucht zu dem verlassenen Schiffe nahmen. Derweil
haben die Grünen eine kleine bebuschte Halbinsel
erreicht, wo sich unerwartet ein stattliches Boot mit
bewaffneten Kameraden im Hinterhalt zeigte. Im
Angesicht so drohender Umstände pflanzte das Häufchen
eine weiße Flagge auf, zum Zeichen, daß man güt¬
lich unterhandeln wolle. Durch ein gleiches Signal
von jenseits ermuntert, fuhren sie auf jenen Haltort
zu, und bald sah man daselbst die guten Mädchen
alle, bis auf die Eine, die mit Willen blieb, ver¬
gnügt mit ihren Liebhabern das eigene Schiff be¬
steigen. -- Hiemit war die Comödie beendigt."

"Mir däucht," so flüsterte Eugenie mit leuchten¬
den Augen dem Baron in einer Pause zu, worin
sich jedermann beifällig über das eben Gehörte aus¬
sprach, "wir haben hier eine gemalte Symphonie
von Anfang bis zu Ende gehabt, und ein vollkom¬
menes Gleichniß überdieß des Mozartischen Geistes
selbst in seiner ganzen Heiterkeit! Hab' ich nicht Recht?
ist nicht die ganze Anmuth Figaro's darin?"

Der Bräutigam war im Begriff, ihre Bemerkung
dem Componisten mitzutheilen, als dieser zu reden
fortfuhr.

und bei erſchöpften Kräften nothgedrungen ihre Zu¬
flucht zu dem verlaſſenen Schiffe nahmen. Derweil
haben die Grünen eine kleine bebuſchte Halbinſel
erreicht, wo ſich unerwartet ein ſtattliches Boot mit
bewaffneten Kameraden im Hinterhalt zeigte. Im
Angeſicht ſo drohender Umſtände pflanzte das Häufchen
eine weiße Flagge auf, zum Zeichen, daß man güt¬
lich unterhandeln wolle. Durch ein gleiches Signal
von jenſeits ermuntert, fuhren ſie auf jenen Haltort
zu, und bald ſah man daſelbſt die guten Mädchen
alle, bis auf die Eine, die mit Willen blieb, ver¬
gnügt mit ihren Liebhabern das eigene Schiff be¬
ſteigen. — Hiemit war die Comödie beendigt.“

„Mir däucht,“ ſo flüſterte Eugenie mit leuchten¬
den Augen dem Baron in einer Pauſe zu, worin
ſich jedermann beifällig über das eben Gehörte aus¬
ſprach, „wir haben hier eine gemalte Symphonie
von Anfang bis zu Ende gehabt, und ein vollkom¬
menes Gleichniß überdieß des Mozartiſchen Geiſtes
ſelbſt in ſeiner ganzen Heiterkeit! Hab' ich nicht Recht?
iſt nicht die ganze Anmuth Figaro's darin?“

Der Bräutigam war im Begriff, ihre Bemerkung
dem Componiſten mitzutheilen, als dieſer zu reden
fortfuhr.

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[53/0065] und bei erſchöpften Kräften nothgedrungen ihre Zu¬ flucht zu dem verlaſſenen Schiffe nahmen. Derweil haben die Grünen eine kleine bebuſchte Halbinſel erreicht, wo ſich unerwartet ein ſtattliches Boot mit bewaffneten Kameraden im Hinterhalt zeigte. Im Angeſicht ſo drohender Umſtände pflanzte das Häufchen eine weiße Flagge auf, zum Zeichen, daß man güt¬ lich unterhandeln wolle. Durch ein gleiches Signal von jenſeits ermuntert, fuhren ſie auf jenen Haltort zu, und bald ſah man daſelbſt die guten Mädchen alle, bis auf die Eine, die mit Willen blieb, ver¬ gnügt mit ihren Liebhabern das eigene Schiff be¬ ſteigen. — Hiemit war die Comödie beendigt.“ „Mir däucht,“ ſo flüſterte Eugenie mit leuchten¬ den Augen dem Baron in einer Pauſe zu, worin ſich jedermann beifällig über das eben Gehörte aus¬ ſprach, „wir haben hier eine gemalte Symphonie von Anfang bis zu Ende gehabt, und ein vollkom¬ menes Gleichniß überdieß des Mozartiſchen Geiſtes ſelbſt in ſeiner ganzen Heiterkeit! Hab' ich nicht Recht? iſt nicht die ganze Anmuth Figaro's darin?“ Der Bräutigam war im Begriff, ihre Bemerkung dem Componiſten mitzutheilen, als dieſer zu reden fortfuhr.

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Zitationshilfe: Mörike, Eduard: Mozart auf der Reise nach Prag. Stuttgart u. a., 1856, S. 53. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moerike_mozart_1856/65>, abgerufen am 27.11.2024.