Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Mörike, Eduard: Mozart auf der Reise nach Prag. Stuttgart u. a., 1856.

Bild:
<< vorherige Seite

weit entfernt in das Geschrei der andern einzustimmen,
ihre Arme gleichfalls feurig um den ihr wohlbekannten
Jüngling schlang. Die betrogene Schaar schwamm
zwar eilends herbei, wurde aber mit Rudern und
Waffen vom Bord abgetrieben. Ihre unnütze Wuth,
das Angstgeschrei der Mädchen, der gewaltsame Wider¬
stand einiger von ihnen, ihr Bitten und Flehen, fast
erstickt vom übrigen Alarm, des Wassers, der Musik,
die plötzlich einen andern Charakter angenommen
hatte -- es war schön über alle Beschreibung und
die Zuschauer brachen darüber in einen Sturm von
Begeisterung aus."

"In diesem Moment nun entwickelte sich das
bisher locker eingebundene Segel: daraus ging ein
rosiger Knabe hervor mit silbernen Schwingen, mit
Bogen, Pfeil und Köcher, und in anmuthvoller
Stellung schwebte er frei auf der Stange. Schon
sind die Ruder alle in voller Thätigkeit, das Segel
blähte sich auf: allein gewaltiger als beides schien
die Gegenwart des Gottes und seine heftig vorwärts
eilende Gebärde das Fahrzeug fortzutreiben, dergestalt,
daß die fast athemlos nachsetzenden Schwimmer, deren
Einer den goldenen Fisch hoch mit der Linken über
seinem Haupte hielt, die Hoffnung bald aufgaben,

weit entfernt in das Geſchrei der andern einzuſtimmen,
ihre Arme gleichfalls feurig um den ihr wohlbekannten
Jüngling ſchlang. Die betrogene Schaar ſchwamm
zwar eilends herbei, wurde aber mit Rudern und
Waffen vom Bord abgetrieben. Ihre unnütze Wuth,
das Angſtgeſchrei der Mädchen, der gewaltſame Wider¬
ſtand einiger von ihnen, ihr Bitten und Flehen, faſt
erſtickt vom übrigen Alarm, des Waſſers, der Muſik,
die plötzlich einen andern Charakter angenommen
hatte — es war ſchön über alle Beſchreibung und
die Zuſchauer brachen darüber in einen Sturm von
Begeiſterung aus.“

„In dieſem Moment nun entwickelte ſich das
bisher locker eingebundene Segel: daraus ging ein
roſiger Knabe hervor mit ſilbernen Schwingen, mit
Bogen, Pfeil und Köcher, und in anmuthvoller
Stellung ſchwebte er frei auf der Stange. Schon
ſind die Ruder alle in voller Thätigkeit, das Segel
blähte ſich auf: allein gewaltiger als beides ſchien
die Gegenwart des Gottes und ſeine heftig vorwärts
eilende Gebärde das Fahrzeug fortzutreiben, dergeſtalt,
daß die faſt athemlos nachſetzenden Schwimmer, deren
Einer den goldenen Fiſch hoch mit der Linken über
ſeinem Haupte hielt, die Hoffnung bald aufgaben,

<TEI>
  <text>
    <body>
      <p><pb facs="#f0064" n="52"/>
weit entfernt in das Ge&#x017F;chrei der andern einzu&#x017F;timmen,<lb/>
ihre Arme gleichfalls feurig um den ihr wohlbekannten<lb/>
Jüngling &#x017F;chlang. Die betrogene Schaar &#x017F;chwamm<lb/>
zwar eilends herbei, wurde aber mit Rudern und<lb/>
Waffen vom Bord abgetrieben. Ihre unnütze Wuth,<lb/>
das Ang&#x017F;tge&#x017F;chrei der Mädchen, der gewalt&#x017F;ame Wider¬<lb/>
&#x017F;tand einiger von ihnen, ihr Bitten und Flehen, fa&#x017F;t<lb/>
er&#x017F;tickt vom übrigen Alarm, des Wa&#x017F;&#x017F;ers, der Mu&#x017F;ik,<lb/>
die plötzlich einen andern Charakter angenommen<lb/>
hatte &#x2014; es war &#x017F;chön über alle Be&#x017F;chreibung und<lb/>
die Zu&#x017F;chauer brachen darüber in einen Sturm von<lb/>
Begei&#x017F;terung aus.&#x201C;</p><lb/>
      <p>&#x201E;In die&#x017F;em Moment nun entwickelte &#x017F;ich das<lb/>
bisher locker eingebundene Segel: daraus ging ein<lb/>
ro&#x017F;iger Knabe hervor mit &#x017F;ilbernen Schwingen, mit<lb/>
Bogen, Pfeil und Köcher, und in anmuthvoller<lb/>
Stellung &#x017F;chwebte er frei auf der Stange. Schon<lb/>
&#x017F;ind die Ruder alle in voller Thätigkeit, das Segel<lb/>
blähte &#x017F;ich auf: allein gewaltiger als beides &#x017F;chien<lb/>
die Gegenwart des Gottes und &#x017F;eine heftig vorwärts<lb/>
eilende Gebärde das Fahrzeug fortzutreiben, derge&#x017F;talt,<lb/>
daß die fa&#x017F;t athemlos nach&#x017F;etzenden Schwimmer, deren<lb/>
Einer den goldenen Fi&#x017F;ch hoch mit der Linken über<lb/>
&#x017F;einem Haupte hielt, die Hoffnung bald aufgaben,<lb/></p>
    </body>
  </text>
</TEI>
[52/0064] weit entfernt in das Geſchrei der andern einzuſtimmen, ihre Arme gleichfalls feurig um den ihr wohlbekannten Jüngling ſchlang. Die betrogene Schaar ſchwamm zwar eilends herbei, wurde aber mit Rudern und Waffen vom Bord abgetrieben. Ihre unnütze Wuth, das Angſtgeſchrei der Mädchen, der gewaltſame Wider¬ ſtand einiger von ihnen, ihr Bitten und Flehen, faſt erſtickt vom übrigen Alarm, des Waſſers, der Muſik, die plötzlich einen andern Charakter angenommen hatte — es war ſchön über alle Beſchreibung und die Zuſchauer brachen darüber in einen Sturm von Begeiſterung aus.“ „In dieſem Moment nun entwickelte ſich das bisher locker eingebundene Segel: daraus ging ein roſiger Knabe hervor mit ſilbernen Schwingen, mit Bogen, Pfeil und Köcher, und in anmuthvoller Stellung ſchwebte er frei auf der Stange. Schon ſind die Ruder alle in voller Thätigkeit, das Segel blähte ſich auf: allein gewaltiger als beides ſchien die Gegenwart des Gottes und ſeine heftig vorwärts eilende Gebärde das Fahrzeug fortzutreiben, dergeſtalt, daß die faſt athemlos nachſetzenden Schwimmer, deren Einer den goldenen Fiſch hoch mit der Linken über ſeinem Haupte hielt, die Hoffnung bald aufgaben,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/moerike_mozart_1856
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/moerike_mozart_1856/64
Zitationshilfe: Mörike, Eduard: Mozart auf der Reise nach Prag. Stuttgart u. a., 1856, S. 52. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moerike_mozart_1856/64>, abgerufen am 24.11.2024.