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Mörike, Eduard: Mozart auf der Reise nach Prag. Stuttgart u. a., 1856.

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Erstaunen Aller fand sich ein großer, blau, grün und
goldschimmernder Fisch in demselben. Die Nächsten
sprangen eifrig zu, um ihn heraus zu holen, da glitt
er ihnen aus den Händen, als wär' es wirklich ein
lebendiger, und fiel in die See. Das war nun eine
abgeredte Kriegslist, die Rothen zu bethören und aus
dem Schiff zu locken. Diese, gleichsam bezaubert von
dem Wunder, sobald sie merkten, daß das Thier nicht
untertauchen wollte, nur immer auf der Oberfläche
spielte, besannen sich nicht einen Augenblick, stürzten
sich alle in's Meer, die Grünen ebenfalls, und also
sah man zwölf gewandte, wohlgestalte Schwimmer,
den fliehenden Fisch zu erhaschen bemüht, indem er
auf den Wellen gaukelte, minutenlang unter den¬
selben verschwand, bald da, bald dort, dem einen
zwischen den Beinen, dem andern zwischen Brust und
Kinn herauf, wieder zum Vorschein kam. Auf Ein¬
mal, wie die Rothen eben am hitzigsten auf ihren
Fang aus waren, ersah die andere Partie ihren
Vortheil und erstieg schnell wie der Blitz das fremde,
ganz den Mädchen überlassene Schiff unter großem
Gekreische der letztern. Der nobelste der Burschen,
wie ein Mercur gewachsen, flog mit freudestrahlendem
Gesicht auf die schönste zu, umfaßte, küßte sie, die,

Erſtaunen Aller fand ſich ein großer, blau, grün und
goldſchimmernder Fiſch in demſelben. Die Nächſten
ſprangen eifrig zu, um ihn heraus zu holen, da glitt
er ihnen aus den Händen, als wär' es wirklich ein
lebendiger, und fiel in die See. Das war nun eine
abgeredte Kriegsliſt, die Rothen zu bethören und aus
dem Schiff zu locken. Dieſe, gleichſam bezaubert von
dem Wunder, ſobald ſie merkten, daß das Thier nicht
untertauchen wollte, nur immer auf der Oberfläche
ſpielte, beſannen ſich nicht einen Augenblick, ſtürzten
ſich alle in's Meer, die Grünen ebenfalls, und alſo
ſah man zwölf gewandte, wohlgeſtalte Schwimmer,
den fliehenden Fiſch zu erhaſchen bemüht, indem er
auf den Wellen gaukelte, minutenlang unter den¬
ſelben verſchwand, bald da, bald dort, dem einen
zwiſchen den Beinen, dem andern zwiſchen Bruſt und
Kinn herauf, wieder zum Vorſchein kam. Auf Ein¬
mal, wie die Rothen eben am hitzigſten auf ihren
Fang aus waren, erſah die andere Partie ihren
Vortheil und erſtieg ſchnell wie der Blitz das fremde,
ganz den Mädchen überlaſſene Schiff unter großem
Gekreiſche der letztern. Der nobelſte der Burſchen,
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[51/0063] Erſtaunen Aller fand ſich ein großer, blau, grün und goldſchimmernder Fiſch in demſelben. Die Nächſten ſprangen eifrig zu, um ihn heraus zu holen, da glitt er ihnen aus den Händen, als wär' es wirklich ein lebendiger, und fiel in die See. Das war nun eine abgeredte Kriegsliſt, die Rothen zu bethören und aus dem Schiff zu locken. Dieſe, gleichſam bezaubert von dem Wunder, ſobald ſie merkten, daß das Thier nicht untertauchen wollte, nur immer auf der Oberfläche ſpielte, beſannen ſich nicht einen Augenblick, ſtürzten ſich alle in's Meer, die Grünen ebenfalls, und alſo ſah man zwölf gewandte, wohlgeſtalte Schwimmer, den fliehenden Fiſch zu erhaſchen bemüht, indem er auf den Wellen gaukelte, minutenlang unter den¬ ſelben verſchwand, bald da, bald dort, dem einen zwiſchen den Beinen, dem andern zwiſchen Bruſt und Kinn herauf, wieder zum Vorſchein kam. Auf Ein¬ mal, wie die Rothen eben am hitzigſten auf ihren Fang aus waren, erſah die andere Partie ihren Vortheil und erſtieg ſchnell wie der Blitz das fremde, ganz den Mädchen überlaſſene Schiff unter großem Gekreiſche der letztern. Der nobelſte der Burſchen, wie ein Mercur gewachſen, flog mit freudeſtrahlendem Geſicht auf die ſchönſte zu, umfaßte, küßte ſie, die,

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Zitationshilfe: Mörike, Eduard: Mozart auf der Reise nach Prag. Stuttgart u. a., 1856, S. 51. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moerike_mozart_1856/63>, abgerufen am 23.11.2024.