Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Mörike, Eduard: Mozart auf der Reise nach Prag. Stuttgart u. a., 1856.

Bild:
<< vorherige Seite

Geliebten. Eine darunter, welche mitten auf dem
Verdecke saß und Blumenkränze wand, zeichnete sich
durch Wuchs und Schönheit, so wie durch ihren Putz
vor allen übrigen aus. Diese dienten ihr willig,
spannten gegen die Sonne ein Tuch über sie und
reichten ihr die Blumen aus dem Korb. Eine Flö¬
tenspielerin saß zu ihren Füßen, die den Gesang der
andern mit ihren hellen Tönen unterstützte. Auch
jener vorzüglichen Schönen fehlte es nicht an einem
eigenen Beschützer; doch verhielten sich beide ziemlich
gleichgültig gegen einander und der Liebhaber däuchte
mir fast etwas roh."

"Inzwischen war das andere, einfachere Fahr¬
zeug näher gekommen. Hier sah man bloß männliche
Jugend. Wie jene Jünglinge Hochroth trugen, so
war die Farbe der letztern Seegrün. Sie stutzten
beim Anblick der lieblichen Kinder, winkten Grüße
herüber und gaben ihr Verlangen nach näherer Be¬
kanntschaft zu erkennen. Die munterste hierauf nahm
eine Rose vom Busen und hielt sie schelmisch in die
Höhe, gleichsam fragend, ob solche Gaben bei ihnen
wohl angebracht wären, worauf von drüben allerseits
mit unzweideutigen Gebärden geantwortet wurde. Die
Rothen sahen verächtlich und finster darein, konnten

Geliebten. Eine darunter, welche mitten auf dem
Verdecke ſaß und Blumenkränze wand, zeichnete ſich
durch Wuchs und Schönheit, ſo wie durch ihren Putz
vor allen übrigen aus. Dieſe dienten ihr willig,
ſpannten gegen die Sonne ein Tuch über ſie und
reichten ihr die Blumen aus dem Korb. Eine Flö¬
tenſpielerin ſaß zu ihren Füßen, die den Geſang der
andern mit ihren hellen Tönen unterſtützte. Auch
jener vorzüglichen Schönen fehlte es nicht an einem
eigenen Beſchützer; doch verhielten ſich beide ziemlich
gleichgültig gegen einander und der Liebhaber däuchte
mir faſt etwas roh.“

„Inzwiſchen war das andere, einfachere Fahr¬
zeug näher gekommen. Hier ſah man bloß männliche
Jugend. Wie jene Jünglinge Hochroth trugen, ſo
war die Farbe der letztern Seegrün. Sie ſtutzten
beim Anblick der lieblichen Kinder, winkten Grüße
herüber und gaben ihr Verlangen nach näherer Be¬
kanntſchaft zu erkennen. Die munterſte hierauf nahm
eine Roſe vom Buſen und hielt ſie ſchelmiſch in die
Höhe, gleichſam fragend, ob ſolche Gaben bei ihnen
wohl angebracht wären, worauf von drüben allerſeits
mit unzweideutigen Gebärden geantwortet wurde. Die
Rothen ſahen verächtlich und finſter darein, konnten

<TEI>
  <text>
    <body>
      <p><pb facs="#f0060" n="48"/>
Geliebten. Eine darunter, welche mitten auf dem<lb/>
Verdecke &#x017F;aß und Blumenkränze wand, zeichnete &#x017F;ich<lb/>
durch Wuchs und Schönheit, &#x017F;o wie durch ihren Putz<lb/>
vor allen übrigen aus. Die&#x017F;e dienten ihr willig,<lb/>
&#x017F;pannten gegen die Sonne ein Tuch über &#x017F;ie und<lb/>
reichten ihr die Blumen aus dem Korb. Eine Flö¬<lb/>
ten&#x017F;pielerin &#x017F;aß zu ihren Füßen, die den Ge&#x017F;ang der<lb/>
andern mit ihren hellen Tönen unter&#x017F;tützte. Auch<lb/>
jener vorzüglichen Schönen fehlte es nicht an einem<lb/>
eigenen Be&#x017F;chützer; doch verhielten &#x017F;ich beide ziemlich<lb/>
gleichgültig gegen einander und der Liebhaber däuchte<lb/>
mir fa&#x017F;t etwas roh.&#x201C;</p><lb/>
      <p>&#x201E;Inzwi&#x017F;chen war das andere, einfachere Fahr¬<lb/>
zeug näher gekommen. Hier &#x017F;ah man bloß männliche<lb/>
Jugend. Wie jene Jünglinge Hochroth trugen, &#x017F;o<lb/>
war die Farbe der letztern Seegrün. Sie &#x017F;tutzten<lb/>
beim Anblick der lieblichen Kinder, winkten Grüße<lb/>
herüber und gaben ihr Verlangen nach näherer Be¬<lb/>
kannt&#x017F;chaft zu erkennen. Die munter&#x017F;te hierauf nahm<lb/>
eine Ro&#x017F;e vom Bu&#x017F;en und hielt &#x017F;ie &#x017F;chelmi&#x017F;ch in die<lb/>
Höhe, gleich&#x017F;am fragend, ob &#x017F;olche Gaben bei ihnen<lb/>
wohl angebracht wären, worauf von drüben aller&#x017F;eits<lb/>
mit unzweideutigen Gebärden geantwortet wurde. Die<lb/>
Rothen &#x017F;ahen verächtlich und fin&#x017F;ter darein, konnten<lb/></p>
    </body>
  </text>
</TEI>
[48/0060] Geliebten. Eine darunter, welche mitten auf dem Verdecke ſaß und Blumenkränze wand, zeichnete ſich durch Wuchs und Schönheit, ſo wie durch ihren Putz vor allen übrigen aus. Dieſe dienten ihr willig, ſpannten gegen die Sonne ein Tuch über ſie und reichten ihr die Blumen aus dem Korb. Eine Flö¬ tenſpielerin ſaß zu ihren Füßen, die den Geſang der andern mit ihren hellen Tönen unterſtützte. Auch jener vorzüglichen Schönen fehlte es nicht an einem eigenen Beſchützer; doch verhielten ſich beide ziemlich gleichgültig gegen einander und der Liebhaber däuchte mir faſt etwas roh.“ „Inzwiſchen war das andere, einfachere Fahr¬ zeug näher gekommen. Hier ſah man bloß männliche Jugend. Wie jene Jünglinge Hochroth trugen, ſo war die Farbe der letztern Seegrün. Sie ſtutzten beim Anblick der lieblichen Kinder, winkten Grüße herüber und gaben ihr Verlangen nach näherer Be¬ kanntſchaft zu erkennen. Die munterſte hierauf nahm eine Roſe vom Buſen und hielt ſie ſchelmiſch in die Höhe, gleichſam fragend, ob ſolche Gaben bei ihnen wohl angebracht wären, worauf von drüben allerſeits mit unzweideutigen Gebärden geantwortet wurde. Die Rothen ſahen verächtlich und finſter darein, konnten

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/moerike_mozart_1856
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/moerike_mozart_1856/60
Zitationshilfe: Mörike, Eduard: Mozart auf der Reise nach Prag. Stuttgart u. a., 1856, S. 48. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moerike_mozart_1856/60>, abgerufen am 24.11.2024.