Der befand sich inzwischen bereits sehr behag¬ lich daselbst und auf das Beste unterhalten. Nach kurzer Zeit sah er Eugenien mit ihrem Verlobten; ein blühendes, höchst anmuthiges, inniges Wesen. Sie war blond, ihre schlanke Gestalt in carmoisinrothe, leuchtende Seide mit kostbaren Spitzen festlich geklei¬ det, um ihre Stirn ein weißes Band mit edlen Per¬ len. Der Baron, nur wenig älter als sie, von sanf¬ tem, offenem Charakter, schien ihrer werth in jeder Rücksicht.
Den ersten Aufwand des Gesprächs bestritt, fast nur zu freigebig, der gute launige Hausherr, ver¬ möge seiner etwas lauten, mit Späßen und Histör¬ chen sattsam gespickten Unterhaltungsweise. Es wur¬ den Erfrischungen gereicht, die unser Reisender im mindesten nicht schonte.
Eines hatte den Flügel geöffnet, Figaros Hoch¬ zeit lag aufgeschlagen, und das Fräulein schickte sich an, von dem Baron accompagnirt, die Arie Susan¬ nas in jener Gartenscene zu singen, wo wir den Geist der süßen Leidenschaft stromweise, wie die ge¬ würzte sommerliche Abendluft, einathmen. Die feine Röthe auf Eugeniens Wangen wich zwei Athemzüge lang der äußersten Blässe; doch mit dem ersten Ton,
Der befand ſich inzwiſchen bereits ſehr behag¬ lich daſelbſt und auf das Beſte unterhalten. Nach kurzer Zeit ſah er Eugenien mit ihrem Verlobten; ein blühendes, höchſt anmuthiges, inniges Weſen. Sie war blond, ihre ſchlanke Geſtalt in carmoiſinrothe, leuchtende Seide mit koſtbaren Spitzen feſtlich geklei¬ det, um ihre Stirn ein weißes Band mit edlen Per¬ len. Der Baron, nur wenig älter als ſie, von ſanf¬ tem, offenem Charakter, ſchien ihrer werth in jeder Rückſicht.
Den erſten Aufwand des Geſprächs beſtritt, faſt nur zu freigebig, der gute launige Hausherr, ver¬ möge ſeiner etwas lauten, mit Späßen und Hiſtör¬ chen ſattſam geſpickten Unterhaltungsweiſe. Es wur¬ den Erfriſchungen gereicht, die unſer Reiſender im mindeſten nicht ſchonte.
Eines hatte den Flügel geöffnet, Figaros Hoch¬ zeit lag aufgeſchlagen, und das Fräulein ſchickte ſich an, von dem Baron accompagnirt, die Arie Suſan¬ nas in jener Gartenſcene zu ſingen, wo wir den Geiſt der ſüßen Leidenſchaft ſtromweiſe, wie die ge¬ würzte ſommerliche Abendluft, einathmen. Die feine Röthe auf Eugeniens Wangen wich zwei Athemzüge lang der äußerſten Bläſſe; doch mit dem erſten Ton,
<TEI><text><body><pbfacs="#f0051"n="39"/><p>Der befand ſich inzwiſchen bereits ſehr behag¬<lb/>
lich daſelbſt und auf das Beſte unterhalten. Nach<lb/>
kurzer Zeit ſah er Eugenien mit ihrem Verlobten; ein<lb/>
blühendes, höchſt anmuthiges, inniges Weſen. Sie<lb/>
war blond, ihre ſchlanke Geſtalt in carmoiſinrothe,<lb/>
leuchtende Seide mit koſtbaren Spitzen feſtlich geklei¬<lb/>
det, um ihre Stirn ein weißes Band mit edlen Per¬<lb/>
len. Der Baron, nur wenig älter als ſie, von ſanf¬<lb/>
tem, offenem Charakter, ſchien ihrer werth in jeder<lb/>
Rückſicht.</p><lb/><p>Den erſten Aufwand des Geſprächs beſtritt, faſt<lb/>
nur zu freigebig, der gute launige Hausherr, ver¬<lb/>
möge ſeiner etwas lauten, mit Späßen und Hiſtör¬<lb/>
chen ſattſam geſpickten Unterhaltungsweiſe. Es wur¬<lb/>
den Erfriſchungen gereicht, die unſer Reiſender im<lb/>
mindeſten nicht ſchonte.</p><lb/><p>Eines hatte den Flügel geöffnet, Figaros Hoch¬<lb/>
zeit lag aufgeſchlagen, und das Fräulein ſchickte ſich<lb/>
an, von dem Baron accompagnirt, die Arie Suſan¬<lb/>
nas in jener Gartenſcene zu ſingen, wo wir den<lb/>
Geiſt der ſüßen Leidenſchaft ſtromweiſe, wie die ge¬<lb/>
würzte ſommerliche Abendluft, einathmen. Die feine<lb/>
Röthe auf Eugeniens Wangen wich zwei Athemzüge<lb/>
lang der äußerſten Bläſſe; doch mit dem erſten Ton,<lb/></p></body></text></TEI>
[39/0051]
Der befand ſich inzwiſchen bereits ſehr behag¬
lich daſelbſt und auf das Beſte unterhalten. Nach
kurzer Zeit ſah er Eugenien mit ihrem Verlobten; ein
blühendes, höchſt anmuthiges, inniges Weſen. Sie
war blond, ihre ſchlanke Geſtalt in carmoiſinrothe,
leuchtende Seide mit koſtbaren Spitzen feſtlich geklei¬
det, um ihre Stirn ein weißes Band mit edlen Per¬
len. Der Baron, nur wenig älter als ſie, von ſanf¬
tem, offenem Charakter, ſchien ihrer werth in jeder
Rückſicht.
Den erſten Aufwand des Geſprächs beſtritt, faſt
nur zu freigebig, der gute launige Hausherr, ver¬
möge ſeiner etwas lauten, mit Späßen und Hiſtör¬
chen ſattſam geſpickten Unterhaltungsweiſe. Es wur¬
den Erfriſchungen gereicht, die unſer Reiſender im
mindeſten nicht ſchonte.
Eines hatte den Flügel geöffnet, Figaros Hoch¬
zeit lag aufgeſchlagen, und das Fräulein ſchickte ſich
an, von dem Baron accompagnirt, die Arie Suſan¬
nas in jener Gartenſcene zu ſingen, wo wir den
Geiſt der ſüßen Leidenſchaft ſtromweiſe, wie die ge¬
würzte ſommerliche Abendluft, einathmen. Die feine
Röthe auf Eugeniens Wangen wich zwei Athemzüge
lang der äußerſten Bläſſe; doch mit dem erſten Ton,
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Mörike, Eduard: Mozart auf der Reise nach Prag. Stuttgart u. a., 1856, S. 39. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moerike_mozart_1856/51>, abgerufen am 27.07.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.