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Mörike, Eduard: Mozart auf der Reise nach Prag. Stuttgart u. a., 1856.

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"Verzeihen Ew. Gnaden, darnach sieht er gerad
nicht aus. Er däucht mir nicht richtig im Kopf;
auch ist er sehr hochmüthig. Moser nennt er sich.
Er wartet unten auf Bescheid; ich hieß den Franz
um den Weg bleiben und ein Aug auf ihn haben."

"Was hilft es hintendrein, zum Henker? Wenn
ich den Narren auch einstecken lasse, der Schaden ist
nicht mehr zu repariren! Ich sagt' Euch tausend¬
mal, das vordere Thor soll allezeit geschlossen bleiben.
Der Streich wär' aber jedenfalls verhütet worden,
hättet Ihr zur rechten Zeit Eure Zurüstungen gemacht."

Hier trat die Gräfin hastig und mit freudiger
Aufregung, das offene Billet in der Hand, aus dem
anstoßenden Cabinet. "Wißt Ihr," rief sie, "wer
unten ist? Um Gotteswillen, lest den Brief --
Mozart aus Wien, der Componist! Man muß gleich
gehen, ihn heraufzubitten -- ich fürchte nur, er ist
schon fort! was wird er von mir denken! Ihr,
Velten, seyd ihm doch höflich begegnet? Was ist
denn eigentlich geschehen?"

"Geschehn?" versezte der Gemahl, dem die Aus¬
sicht auf den Besuch eines berühmten Mannes un¬
möglich allen Aerger auf der Stelle niederschlagen
konnte: "der tolle Mensch hat von dem Baum, den

„Verzeihen Ew. Gnaden, darnach ſieht er gerad
nicht aus. Er däucht mir nicht richtig im Kopf;
auch iſt er ſehr hochmüthig. Moſer nennt er ſich.
Er wartet unten auf Beſcheid; ich hieß den Franz
um den Weg bleiben und ein Aug auf ihn haben.“

„Was hilft es hintendrein, zum Henker? Wenn
ich den Narren auch einſtecken laſſe, der Schaden iſt
nicht mehr zu repariren! Ich ſagt' Euch tauſend¬
mal, das vordere Thor ſoll allezeit geſchloſſen bleiben.
Der Streich wär' aber jedenfalls verhütet worden,
hättet Ihr zur rechten Zeit Eure Zurüſtungen gemacht.“

Hier trat die Gräfin haſtig und mit freudiger
Aufregung, das offene Billet in der Hand, aus dem
anſtoßenden Cabinet. „Wißt Ihr,“ rief ſie, „wer
unten iſt? Um Gotteswillen, lest den Brief —
Mozart aus Wien, der Componiſt! Man muß gleich
gehen, ihn heraufzubitten — ich fürchte nur, er iſt
ſchon fort! was wird er von mir denken! Ihr,
Velten, ſeyd ihm doch höflich begegnet? Was iſt
denn eigentlich geſchehen?“

„Geſchehn?“ verſezte der Gemahl, dem die Aus¬
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[34/0046] „Verzeihen Ew. Gnaden, darnach ſieht er gerad nicht aus. Er däucht mir nicht richtig im Kopf; auch iſt er ſehr hochmüthig. Moſer nennt er ſich. Er wartet unten auf Beſcheid; ich hieß den Franz um den Weg bleiben und ein Aug auf ihn haben.“ „Was hilft es hintendrein, zum Henker? Wenn ich den Narren auch einſtecken laſſe, der Schaden iſt nicht mehr zu repariren! Ich ſagt' Euch tauſend¬ mal, das vordere Thor ſoll allezeit geſchloſſen bleiben. Der Streich wär' aber jedenfalls verhütet worden, hättet Ihr zur rechten Zeit Eure Zurüſtungen gemacht.“ Hier trat die Gräfin haſtig und mit freudiger Aufregung, das offene Billet in der Hand, aus dem anſtoßenden Cabinet. „Wißt Ihr,“ rief ſie, „wer unten iſt? Um Gotteswillen, lest den Brief — Mozart aus Wien, der Componiſt! Man muß gleich gehen, ihn heraufzubitten — ich fürchte nur, er iſt ſchon fort! was wird er von mir denken! Ihr, Velten, ſeyd ihm doch höflich begegnet? Was iſt denn eigentlich geſchehen?“ „Geſchehn?“ verſezte der Gemahl, dem die Aus¬ ſicht auf den Beſuch eines berühmten Mannes un¬ möglich allen Aerger auf der Stelle niederſchlagen konnte: „der tolle Menſch hat von dem Baum, den

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Zitationshilfe: Mörike, Eduard: Mozart auf der Reise nach Prag. Stuttgart u. a., 1856, S. 34. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moerike_mozart_1856/46>, abgerufen am 21.11.2024.