Thee an ihrer Seite trank, sich seinen Abendbraten daheim bei der Familie schmecken ließ, um nachher nicht mehr auszugehen, was war damit erreicht? Er konnte wohl einmal, durch ein verweintes Auge seiner Frau plötzlich betroffen und bewegt, eine schlimme Gewohnheit aufrichtig verwünschen, das Beste ver¬ sprechen, mehr als sie verlangte, -- umsonst, er fand sich unversehens im alten Fahrgeleise wieder. Man war versucht zu glauben, es habe anders nicht in seiner Macht gestanden und eine völlig veränderte Ordnung nach unsern Begriffen von dem, was allen Menschen ziemt und frommt, ihm irgendwie gewalt¬ sam aufgedrungen, müßte das wunderbare Wesen geradezu selbst aufgehoben haben.
Einen günstigen Umschwung der Dinge hoffte Constanze doch stets in so weit, als derselbe von außen her möglich war: durch eine gründliche Ver¬ besserung ihrer ökonomischen Lage, wie solche bei dem wachsenden Ruf ihres Mannes nicht ausbleiben könne. Wenn erst, so meinte sie, der stete Druck wegfiel. der sich auch ihm, bald näher, bald entfernter, von dieser Seite fühlbar machte, wenn er, anstatt die Hälfte seiner Kraft und Zeit dem bloßen Gelder¬ werb zu opfern, ungetheilt seiner wahren Bestimmung
Mörike, Mozart. 2
Thee an ihrer Seite trank, ſich ſeinen Abendbraten daheim bei der Familie ſchmecken ließ, um nachher nicht mehr auszugehen, was war damit erreicht? Er konnte wohl einmal, durch ein verweintes Auge ſeiner Frau plötzlich betroffen und bewegt, eine ſchlimme Gewohnheit aufrichtig verwünſchen, das Beſte ver¬ ſprechen, mehr als ſie verlangte, — umſonſt, er fand ſich unverſehens im alten Fahrgeleiſe wieder. Man war verſucht zu glauben, es habe anders nicht in ſeiner Macht geſtanden und eine völlig veränderte Ordnung nach unſern Begriffen von dem, was allen Menſchen ziemt und frommt, ihm irgendwie gewalt¬ ſam aufgedrungen, müßte das wunderbare Weſen geradezu ſelbſt aufgehoben haben.
Einen günſtigen Umſchwung der Dinge hoffte Conſtanze doch ſtets in ſo weit, als derſelbe von außen her möglich war: durch eine gründliche Ver¬ beſſerung ihrer ökonomiſchen Lage, wie ſolche bei dem wachſenden Ruf ihres Mannes nicht ausbleiben könne. Wenn erſt, ſo meinte ſie, der ſtete Druck wegfiel. der ſich auch ihm, bald näher, bald entfernter, von dieſer Seite fühlbar machte, wenn er, anſtatt die Hälfte ſeiner Kraft und Zeit dem bloßen Gelder¬ werb zu opfern, ungetheilt ſeiner wahren Beſtimmung
Mörike, Mozart. 2
<TEI><text><body><p><pbfacs="#f0029"n="17"/>
Thee an ihrer Seite trank, ſich ſeinen Abendbraten<lb/>
daheim bei der Familie ſchmecken ließ, um nachher<lb/>
nicht mehr auszugehen, was war damit erreicht?<lb/>
Er konnte wohl einmal, durch ein verweintes Auge<lb/>ſeiner Frau plötzlich betroffen und bewegt, eine ſchlimme<lb/>
Gewohnheit aufrichtig verwünſchen, das Beſte ver¬<lb/>ſprechen, mehr als ſie verlangte, — umſonſt, er fand<lb/>ſich unverſehens im alten Fahrgeleiſe wieder. Man<lb/>
war verſucht zu glauben, es habe anders nicht in<lb/>ſeiner Macht geſtanden und eine völlig veränderte<lb/>
Ordnung nach unſern Begriffen von dem, was allen<lb/>
Menſchen ziemt und frommt, <hirendition="#g">ihm</hi> irgendwie gewalt¬<lb/>ſam aufgedrungen, müßte das wunderbare Weſen<lb/>
geradezu ſelbſt aufgehoben haben.</p><lb/><p>Einen günſtigen Umſchwung der Dinge hoffte<lb/>
Conſtanze doch ſtets in ſo weit, als derſelbe von<lb/>
außen her möglich war: durch eine gründliche Ver¬<lb/>
beſſerung ihrer ökonomiſchen Lage, wie ſolche bei dem<lb/>
wachſenden Ruf ihres Mannes nicht ausbleiben könne.<lb/>
Wenn erſt, ſo meinte ſie, der ſtete Druck wegfiel.<lb/>
der ſich auch ihm, bald näher, bald entfernter, von<lb/>
dieſer Seite fühlbar machte, wenn er, anſtatt die<lb/>
Hälfte ſeiner Kraft und Zeit dem bloßen Gelder¬<lb/>
werb zu opfern, ungetheilt ſeiner wahren Beſtimmung<lb/><fwplace="bottom"type="sig"><hirendition="#g">Mörike</hi>, Mozart. 2<lb/></fw></p></body></text></TEI>
[17/0029]
Thee an ihrer Seite trank, ſich ſeinen Abendbraten
daheim bei der Familie ſchmecken ließ, um nachher
nicht mehr auszugehen, was war damit erreicht?
Er konnte wohl einmal, durch ein verweintes Auge
ſeiner Frau plötzlich betroffen und bewegt, eine ſchlimme
Gewohnheit aufrichtig verwünſchen, das Beſte ver¬
ſprechen, mehr als ſie verlangte, — umſonſt, er fand
ſich unverſehens im alten Fahrgeleiſe wieder. Man
war verſucht zu glauben, es habe anders nicht in
ſeiner Macht geſtanden und eine völlig veränderte
Ordnung nach unſern Begriffen von dem, was allen
Menſchen ziemt und frommt, ihm irgendwie gewalt¬
ſam aufgedrungen, müßte das wunderbare Weſen
geradezu ſelbſt aufgehoben haben.
Einen günſtigen Umſchwung der Dinge hoffte
Conſtanze doch ſtets in ſo weit, als derſelbe von
außen her möglich war: durch eine gründliche Ver¬
beſſerung ihrer ökonomiſchen Lage, wie ſolche bei dem
wachſenden Ruf ihres Mannes nicht ausbleiben könne.
Wenn erſt, ſo meinte ſie, der ſtete Druck wegfiel.
der ſich auch ihm, bald näher, bald entfernter, von
dieſer Seite fühlbar machte, wenn er, anſtatt die
Hälfte ſeiner Kraft und Zeit dem bloßen Gelder¬
werb zu opfern, ungetheilt ſeiner wahren Beſtimmung
Mörike, Mozart. 2
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Mörike, Eduard: Mozart auf der Reise nach Prag. Stuttgart u. a., 1856, S. 17. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moerike_mozart_1856/29>, abgerufen am 17.02.2025.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften
(Kontakt).
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2025. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.