Mörike, Eduard: Gedichte. Stuttgart, 1838.Nimmersatte Liebe. So ist die Lieb! So ist die Lieb! Mit Küssen nicht zu stillen; Wer ist der Thor und will ein Sieb Mit eitel Wasser füllen? Und schöpf'st du an die tausend Jahr, Und küssest ewig, ewig gar, Du thust ihr nie zu Willen. Die Lieb, die Lieb hat alle Stund Neu wunderlich Gelüsten, Wir bissen uns die Lippen wund, Da wir uns heute küßten. Das Mädchen hielt in guter Ruh, Wie's Lämmlein unter'm Messer; Ihr Auge bat: nur immer zu, Je weher, desto besser! So ist die Lieb, und war auch so, Wie lang es Liebe gibt, Und anders war Herr Salomo, Der Weise, nicht verliebt. Nimmerſatte Liebe. So iſt die Lieb! So iſt die Lieb! Mit Kuͤſſen nicht zu ſtillen; Wer iſt der Thor und will ein Sieb Mit eitel Waſſer fuͤllen? Und ſchoͤpf'ſt du an die tauſend Jahr, Und kuͤſſeſt ewig, ewig gar, Du thuſt ihr nie zu Willen. Die Lieb, die Lieb hat alle Stund Neu wunderlich Geluͤſten, Wir biſſen uns die Lippen wund, Da wir uns heute kuͤßten. Das Maͤdchen hielt in guter Ruh, Wie's Laͤmmlein unter'm Meſſer; Ihr Auge bat: nur immer zu, Je weher, deſto beſſer! So iſt die Lieb, und war auch ſo, Wie lang es Liebe gibt, Und anders war Herr Salomo, Der Weiſe, nicht verliebt. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb n="42" facs="#f0058"/> </div> <div n="1"> <head> <hi rendition="#b">Nimmerſatte Liebe.</hi><lb/> </head> <lg type="poem"> <lg n="1"> <l>So iſt die Lieb! So iſt die Lieb!</l><lb/> <l>Mit Kuͤſſen nicht zu ſtillen;</l><lb/> <l>Wer iſt der Thor und will ein Sieb</l><lb/> <l>Mit eitel Waſſer fuͤllen?</l><lb/> <l>Und ſchoͤpf'ſt du an die tauſend Jahr,</l><lb/> <l>Und kuͤſſeſt ewig, ewig gar,</l><lb/> <l>Du thuſt ihr nie zu Willen.</l><lb/> </lg> <lg n="2"> <l>Die Lieb, die Lieb hat alle Stund</l><lb/> <l>Neu wunderlich Geluͤſten,</l><lb/> <l>Wir biſſen uns die Lippen wund,</l><lb/> <l>Da wir uns heute kuͤßten.</l><lb/> <l>Das Maͤdchen hielt in guter Ruh,</l><lb/> <l>Wie's Laͤmmlein unter'm Meſſer;</l><lb/> <l>Ihr Auge bat: nur immer zu,</l><lb/> <l>Je weher, deſto beſſer!</l><lb/> </lg> <lg n="3"> <l>So iſt die Lieb, und war auch ſo,</l><lb/> <l>Wie lang es Liebe gibt,</l><lb/> <l>Und anders war Herr Salomo,</l><lb/> <l>Der Weiſe, nicht verliebt.</l><lb/> </lg> </lg> <milestone unit="section" rendition="#hr"/> </div> </body> </text> </TEI> [42/0058]
Nimmerſatte Liebe.
So iſt die Lieb! So iſt die Lieb!
Mit Kuͤſſen nicht zu ſtillen;
Wer iſt der Thor und will ein Sieb
Mit eitel Waſſer fuͤllen?
Und ſchoͤpf'ſt du an die tauſend Jahr,
Und kuͤſſeſt ewig, ewig gar,
Du thuſt ihr nie zu Willen.
Die Lieb, die Lieb hat alle Stund
Neu wunderlich Geluͤſten,
Wir biſſen uns die Lippen wund,
Da wir uns heute kuͤßten.
Das Maͤdchen hielt in guter Ruh,
Wie's Laͤmmlein unter'm Meſſer;
Ihr Auge bat: nur immer zu,
Je weher, deſto beſſer!
So iſt die Lieb, und war auch ſo,
Wie lang es Liebe gibt,
Und anders war Herr Salomo,
Der Weiſe, nicht verliebt.
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Zitationshilfe: | Mörike, Eduard: Gedichte. Stuttgart, 1838, S. 42. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moerike_gedichte_1838/58>, abgerufen am 03.03.2025. |