Mörike, Eduard: Gedichte. Stuttgart, 1838.Einsmals da kam der Königssohn Am Morgen von der Jagd, Er sah gar scheu und bange drein, Er sprach zu seiner Magd: "Die Leute reden schlimm von dir, Schatz, sey auf deiner Hut! Sie thäten dich gern verderben, Du süßes junges Blut!" -- "Sie sagen, daß ich ein falsches Ding, Daß ich eine Hexe sey?" -- "Ach, Liebste, ja so sprechen sie! Eine Hexe, meiner Treu! Das macht, du bist die Schönst' im Land, Sie sind voll Gift und Neid; O ihr beerschwarzen Augen, ihr Seyd dennoch meine Freud'. Und länger ruh' ich keinen Tag, Bis daß ich König bin, Und morgen zieh' ich auf die Fahrt: Aufs Jahr bist du Königin!" -- Sie sieht ihn an so schelmisch,
Sie sieht ihn an so schlau: "Du lügst in deinen Hals hinein, Du willt keine Hex zur Frau! Einsmals da kam der Koͤnigsſohn Am Morgen von der Jagd, Er ſah gar ſcheu und bange drein, Er ſprach zu ſeiner Magd: „Die Leute reden ſchlimm von dir, Schatz, ſey auf deiner Hut! Sie thaͤten dich gern verderben, Du ſuͤßes junges Blut!“ — „Sie ſagen, daß ich ein falſches Ding, Daß ich eine Hexe ſey?“ — „Ach, Liebſte, ja ſo ſprechen ſie! Eine Hexe, meiner Treu! Das macht, du biſt die Schoͤnſt' im Land, Sie ſind voll Gift und Neid; O ihr beerſchwarzen Augen, ihr Seyd dennoch meine Freud'. Und laͤnger ruh' ich keinen Tag, Bis daß ich Koͤnig bin, Und morgen zieh' ich auf die Fahrt: Aufs Jahr biſt du Koͤnigin!“ — Sie ſieht ihn an ſo ſchelmiſch,
Sie ſieht ihn an ſo ſchlau: „Du luͤgſt in deinen Hals hinein, Du willt keine Hex zur Frau! <TEI> <text> <body> <div n="1"> <lg type="poem"> <pb facs="#f0044" n="28"/> <lg n="12"> <l>Einsmals da kam der Koͤnigsſohn</l><lb/> <l>Am Morgen von der Jagd,</l><lb/> <l>Er ſah gar ſcheu und bange drein,</l><lb/> <l>Er ſprach zu ſeiner Magd:</l><lb/> </lg> <lg n="13"> <l>„Die Leute reden ſchlimm von dir,</l><lb/> <l>Schatz, ſey auf deiner Hut!</l><lb/> <l>Sie thaͤten dich gern verderben,</l><lb/> <l>Du ſuͤßes junges Blut!“ —</l><lb/> </lg> <lg n="14"> <l>„Sie ſagen, daß ich ein falſches Ding,</l><lb/> <l>Daß ich eine Hexe ſey?“ —</l><lb/> <l>„Ach, Liebſte, ja ſo ſprechen ſie!</l><lb/> <l>Eine Hexe, meiner Treu!</l><lb/> </lg> <lg n="15"> <l>Das macht, du biſt die Schoͤnſt' im Land,</l><lb/> <l>Sie ſind voll Gift und Neid;</l><lb/> <l>O ihr beerſchwarzen Augen, ihr</l><lb/> <l>Seyd dennoch meine Freud'.</l><lb/> </lg> <lg n="16"> <l>Und laͤnger ruh' ich keinen Tag,</l><lb/> <l>Bis daß ich Koͤnig bin,</l><lb/> <l>Und morgen zieh' ich auf die Fahrt:</l><lb/> <l>Aufs Jahr biſt du Koͤnigin!“ —</l><lb/> </lg> <lg n="17"> <l>Sie ſieht ihn an ſo ſchelmiſch,</l><lb/> <l>Sie ſieht ihn an ſo ſchlau:</l><lb/> <l>„Du luͤgſt in deinen Hals hinein,</l><lb/> <l>Du willt keine Hex zur Frau!</l><lb/> </lg> </lg> </div> </body> </text> </TEI> [28/0044]
Einsmals da kam der Koͤnigsſohn
Am Morgen von der Jagd,
Er ſah gar ſcheu und bange drein,
Er ſprach zu ſeiner Magd:
„Die Leute reden ſchlimm von dir,
Schatz, ſey auf deiner Hut!
Sie thaͤten dich gern verderben,
Du ſuͤßes junges Blut!“ —
„Sie ſagen, daß ich ein falſches Ding,
Daß ich eine Hexe ſey?“ —
„Ach, Liebſte, ja ſo ſprechen ſie!
Eine Hexe, meiner Treu!
Das macht, du biſt die Schoͤnſt' im Land,
Sie ſind voll Gift und Neid;
O ihr beerſchwarzen Augen, ihr
Seyd dennoch meine Freud'.
Und laͤnger ruh' ich keinen Tag,
Bis daß ich Koͤnig bin,
Und morgen zieh' ich auf die Fahrt:
Aufs Jahr biſt du Koͤnigin!“ —
Sie ſieht ihn an ſo ſchelmiſch,
Sie ſieht ihn an ſo ſchlau:
„Du luͤgſt in deinen Hals hinein,
Du willt keine Hex zur Frau!
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Zitationshilfe: | Mörike, Eduard: Gedichte. Stuttgart, 1838, S. 28. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moerike_gedichte_1838/44>, abgerufen am 16.02.2025. |