Mörike, Eduard: Gedichte. Stuttgart, 1838.Die schlimme Greth und der Königssohn. "Mein Vater ist ein Müller, Ich bin sein einzig Kind; Ich habe keinen Mühlbach hier, Die Mühle treibt der Wind. Die stangenlangen Flügel Sie haspeln leere Luft: Ich lebe von dem Winde leicht Und Regenbogenduft." -- "Mein Vater war ein König, Ich bin sein einziger Sohn. Dreimal verwünschet sey der Tag An dem ich stieg zu Thron! Es riß die rothe Fahn' vom Thurm Die Windsbraut und ihr Troß, Es that sich auf der Erden Grund, Es fiel mein Königsschloß. Da schrien die Priester Ach und Weh,
Mein Volk in Waffen stand, Bei Nacht und Nebel mußt' ich fliehn Aus meiner Väter Land. Die ſchlimme Greth und der Königsſohn. „Mein Vater iſt ein Muͤller, Ich bin ſein einzig Kind; Ich habe keinen Muͤhlbach hier, Die Muͤhle treibt der Wind. Die ſtangenlangen Fluͤgel Sie haspeln leere Luft: Ich lebe von dem Winde leicht Und Regenbogenduft.“ — „Mein Vater war ein Koͤnig, Ich bin ſein einziger Sohn. Dreimal verwuͤnſchet ſey der Tag An dem ich ſtieg zu Thron! Es riß die rothe Fahn' vom Thurm Die Windsbraut und ihr Troß, Es that ſich auf der Erden Grund, Es fiel mein Koͤnigsſchloß. Da ſchrien die Prieſter Ach und Weh,
Mein Volk in Waffen ſtand, Bei Nacht und Nebel mußt' ich fliehn Aus meiner Vaͤter Land. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb n="26" facs="#f0042"/> </div> <div n="1"> <head> <hi rendition="#b">Die ſchlimme Greth und der Königsſohn.</hi><lb/> </head> <lg type="poem"> <lg n="1"> <l>„<hi rendition="#in">M</hi>ein Vater iſt ein Muͤller,</l><lb/> <l>Ich bin ſein einzig Kind;</l><lb/> <l>Ich habe keinen Muͤhlbach hier,</l><lb/> <l>Die Muͤhle treibt der Wind.</l><lb/> </lg> <lg n="2"> <l>Die ſtangenlangen Fluͤgel</l><lb/> <l>Sie haspeln leere Luft:</l><lb/> <l>Ich lebe von dem Winde leicht</l><lb/> <l>Und Regenbogenduft.“ —</l><lb/> </lg> <lg n="3"> <l>„Mein Vater war ein Koͤnig,</l><lb/> <l>Ich bin ſein einziger Sohn.</l><lb/> <l>Dreimal verwuͤnſchet ſey der Tag</l><lb/> <l>An dem ich ſtieg zu Thron!</l><lb/> </lg> <lg n="4"> <l>Es riß die rothe Fahn' vom Thurm</l><lb/> <l>Die Windsbraut und ihr Troß,</l><lb/> <l>Es that ſich auf der Erden Grund,</l><lb/> <l>Es fiel mein Koͤnigsſchloß.</l><lb/> </lg> <lg n="5"> <l>Da ſchrien die Prieſter Ach und Weh,</l><lb/> <l>Mein Volk in Waffen ſtand,</l><lb/> <l>Bei Nacht und Nebel mußt' ich fliehn</l><lb/> <l>Aus meiner Vaͤter Land.</l><lb/> </lg> </lg> </div> </body> </text> </TEI> [26/0042]
Die ſchlimme Greth und der Königsſohn.
„Mein Vater iſt ein Muͤller,
Ich bin ſein einzig Kind;
Ich habe keinen Muͤhlbach hier,
Die Muͤhle treibt der Wind.
Die ſtangenlangen Fluͤgel
Sie haspeln leere Luft:
Ich lebe von dem Winde leicht
Und Regenbogenduft.“ —
„Mein Vater war ein Koͤnig,
Ich bin ſein einziger Sohn.
Dreimal verwuͤnſchet ſey der Tag
An dem ich ſtieg zu Thron!
Es riß die rothe Fahn' vom Thurm
Die Windsbraut und ihr Troß,
Es that ſich auf der Erden Grund,
Es fiel mein Koͤnigsſchloß.
Da ſchrien die Prieſter Ach und Weh,
Mein Volk in Waffen ſtand,
Bei Nacht und Nebel mußt' ich fliehn
Aus meiner Vaͤter Land.
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Zitationshilfe: | Mörike, Eduard: Gedichte. Stuttgart, 1838, S. 26. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moerike_gedichte_1838/42>, abgerufen am 04.03.2025. |