Mörike, Eduard: Gedichte. Stuttgart, 1838.An meinen Vetter. Lieber Vetter! Er ist eine Von den freundlichen Naturen, Die ich Sommerwesten nenne. Denn sie haben wirklich etwas Sonniges in ihrem Wesen. Es sind weltliche Beamte, Rechnungsräthe, Revisoren, Oder Cameralverwalter, Auch wohl manchmal Herrn vom Handel, Aber meist vom ältern Schlage, Keinesweges Petitmaitres, Haben manchmal hübsche Bäuche, Und ihr Vaterland ist Schwaben. Neulich auf der Reise traf ich
Auch mit einer Sommerweste In der Post zu Besigheim Eben zu Mittag zusammen. Und wir speisten eine Suppe, Darin rothe Krebse schwammen, Rindfleisch mit franzö'schem Senfe, Dazu liebliche Radieschen, Dann Gemüse, und so weiter; Schwazten von der neu'sten Zeitung, Und daß es an manchen Orten Gestern stark gewittert habe. An meinen Vetter. Lieber Vetter! Er iſt eine Von den freundlichen Naturen, Die ich Sommerweſten nenne. Denn ſie haben wirklich etwas Sonniges in ihrem Weſen. Es ſind weltliche Beamte, Rechnungsraͤthe, Reviſoren, Oder Cameralverwalter, Auch wohl manchmal Herrn vom Handel, Aber meiſt vom aͤltern Schlage, Keinesweges Petitmaitres, Haben manchmal huͤbſche Baͤuche, Und ihr Vaterland iſt Schwaben. Neulich auf der Reiſe traf ich
Auch mit einer Sommerweſte In der Poſt zu Beſigheim Eben zu Mittag zuſammen. Und wir ſpeisten eine Suppe, Darin rothe Krebſe ſchwammen, Rindfleiſch mit franzoͤ'ſchem Senfe, Dazu liebliche Radieschen, Dann Gemuͤſe, und ſo weiter; Schwazten von der neu'ſten Zeitung, Und daß es an manchen Orten Geſtern ſtark gewittert habe. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb n="208" facs="#f0224"/> </div> <div n="1"> <head> <hi rendition="#b">An meinen Vetter.</hi><lb/> </head> <lg type="poem"> <lg n="1"> <l>Lieber Vetter! Er iſt eine</l><lb/> <l>Von den freundlichen Naturen,</l><lb/> <l>Die ich <hi rendition="#g">Sommerweſten</hi> nenne.</l><lb/> <l>Denn ſie haben wirklich etwas</l><lb/> <l>Sonniges in ihrem Weſen.</l><lb/> <l>Es ſind weltliche Beamte,</l><lb/> <l>Rechnungsraͤthe, Reviſoren,</l><lb/> <l>Oder Cameralverwalter,</l><lb/> <l>Auch wohl manchmal Herrn vom Handel,</l><lb/> <l>Aber meiſt vom aͤltern Schlage,</l><lb/> <l>Keinesweges Petitmaitres,</l><lb/> <l>Haben manchmal huͤbſche Baͤuche,</l><lb/> <l>Und ihr Vaterland iſt Schwaben.</l><lb/> </lg> <lg n="2"> <l>Neulich auf der Reiſe traf ich</l><lb/> <l>Auch mit einer Sommerweſte</l><lb/> <l>In der Poſt zu Beſigheim</l><lb/> <l>Eben zu Mittag zuſammen.</l><lb/> <l>Und wir ſpeisten eine Suppe,</l><lb/> <l>Darin rothe Krebſe ſchwammen,</l><lb/> <l>Rindfleiſch mit franzoͤ'ſchem Senfe,</l><lb/> <l>Dazu liebliche Radieschen,</l><lb/> <l>Dann Gemuͤſe, und ſo weiter;</l><lb/> <l>Schwazten von der neu'ſten Zeitung,</l><lb/> <l>Und daß es an manchen Orten</l><lb/> <l>Geſtern ſtark gewittert habe.</l><lb/> </lg> </lg> </div> </body> </text> </TEI> [208/0224]
An meinen Vetter.
Lieber Vetter! Er iſt eine
Von den freundlichen Naturen,
Die ich Sommerweſten nenne.
Denn ſie haben wirklich etwas
Sonniges in ihrem Weſen.
Es ſind weltliche Beamte,
Rechnungsraͤthe, Reviſoren,
Oder Cameralverwalter,
Auch wohl manchmal Herrn vom Handel,
Aber meiſt vom aͤltern Schlage,
Keinesweges Petitmaitres,
Haben manchmal huͤbſche Baͤuche,
Und ihr Vaterland iſt Schwaben.
Neulich auf der Reiſe traf ich
Auch mit einer Sommerweſte
In der Poſt zu Beſigheim
Eben zu Mittag zuſammen.
Und wir ſpeisten eine Suppe,
Darin rothe Krebſe ſchwammen,
Rindfleiſch mit franzoͤ'ſchem Senfe,
Dazu liebliche Radieschen,
Dann Gemuͤſe, und ſo weiter;
Schwazten von der neu'ſten Zeitung,
Und daß es an manchen Orten
Geſtern ſtark gewittert habe.
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Zitationshilfe: | Mörike, Eduard: Gedichte. Stuttgart, 1838, S. 208. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moerike_gedichte_1838/224>, abgerufen am 04.03.2025. |