Mörike, Eduard: Gedichte. Stuttgart, 1838.Auftrag. An S. In poetischer Epistel Ruft ein desperater Wicht Aus dem Ton der höchsten Fistel: Schurke, warum schreibt Er nicht?! Weiß Er doch, es lassen Herzen, Die die Liebe angeweht, Ganz und gar nicht mit sich scherzen, Und nun vollends ein Poet! Denn ich bin von dem Gelichter, Dem der Kopf beständig voll: Bin ich auch nur halb ein Dichter, Bin ich doch zur Hälfte toll. Amor hat Ihn mir verpflichtet, Und fürwahr, der durft' es schon, Denn der Mund, der Ihm berichtet, Reicht zugleich den Botenlohn. Pass' Er denn zur guten Stunde,
Wenn Sein Schatz durch's Lädchen schaut Lock' ihr jedes Wort vom Munde, Das mein Schätzchen ihr vertraut. Mörike, Gedich[t][e] 13
Auftrag. An S. In poetiſcher Epiſtel Ruft ein deſperater Wicht Aus dem Ton der hoͤchſten Fiſtel: Schurke, warum ſchreibt Er nicht?! Weiß Er doch, es laſſen Herzen, Die die Liebe angeweht, Ganz und gar nicht mit ſich ſcherzen, Und nun vollends ein Poet! Denn ich bin von dem Gelichter, Dem der Kopf beſtaͤndig voll: Bin ich auch nur halb ein Dichter, Bin ich doch zur Haͤlfte toll. Amor hat Ihn mir verpflichtet, Und fuͤrwahr, der durft' es ſchon, Denn der Mund, der Ihm berichtet, Reicht zugleich den Botenlohn. Paſſ' Er denn zur guten Stunde,
Wenn Sein Schatz durch's Laͤdchen ſchaut Lock' ihr jedes Wort vom Munde, Das mein Schaͤtzchen ihr vertraut. Moͤrike, Gedich[t][e] 13
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Auftrag.
An S.
In poetiſcher Epiſtel
Ruft ein deſperater Wicht
Aus dem Ton der hoͤchſten Fiſtel:
Schurke, warum ſchreibt Er nicht?!
Weiß Er doch, es laſſen Herzen,
Die die Liebe angeweht,
Ganz und gar nicht mit ſich ſcherzen,
Und nun vollends ein Poet!
Denn ich bin von dem Gelichter,
Dem der Kopf beſtaͤndig voll:
Bin ich auch nur halb ein Dichter,
Bin ich doch zur Haͤlfte toll.
Amor hat Ihn mir verpflichtet,
Und fuͤrwahr, der durft' es ſchon,
Denn der Mund, der Ihm berichtet,
Reicht zugleich den Botenlohn.
Paſſ' Er denn zur guten Stunde,
Wenn Sein Schatz durch's Laͤdchen ſchaut
Lock' ihr jedes Wort vom Munde,
Das mein Schaͤtzchen ihr vertraut.
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Zitationshilfe: | Mörike, Eduard: Gedichte. Stuttgart, 1838, S. 193. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moerike_gedichte_1838/209>, abgerufen am 04.03.2025. |