Mörike, Eduard: Gedichte. Stuttgart, 1838.Nicht den Menschen sowohl, die da leben und wandeln Nicht den Menſchen ſowohl, die da leben und wandeln <TEI> <text> <body> <div n="1"> <lg type="poem"> <lg n="2"> <pb facs="#f0194" n="178"/> <l>Nicht den Menſchen ſowohl, die da leben und wandeln<lb/><hi rendition="#et">auf Erden, —</hi></l><lb/> <l>Ihnen dient nur wenig zu wiſſen —, ſondern den Geiſtern</l><lb/> <l>In der Schattenwelt, den alten Weiſen und Helden,</l><lb/> <l>Welche traurig ſitzen und forſchen das hohe Verhaͤngniß,</l><lb/> <l>Schweigſam immerdar, des erquicklichen Wortes entbehrend.</l><lb/> <l>Aber vergebens harren ſie dein, dieweil du ja gaͤnzlich</l><lb/> <l>Deines erhabnen Berufs vergiſſeſt. Laß mich nur offen</l><lb/> <l>Dir geſtehen, ſo wie du es bisher getrieben, erſcheinſt du</l><lb/> <l>Weder ein Halbgott, noch ein Begeiſteter, ſondern ein<lb/><hi rendition="#et">Schweinpelz,</hi></l><lb/> <l>Graͤulichem Ruͤbenfraß ergeben, ſinnſt du nur Unheil;</l><lb/> <l>Steigeſt des Nachts in den Fluß, bis uͤber die Kniee ge¬<lb/><hi rendition="#et">ſtiefelt,</hi></l><lb/> <l>Trennſt die Baͤnder los an den Floͤßen und ſchleuderſt die<lb/><hi rendition="#et">Balken</hi></l><lb/> <l>Weit hinein in das Land, den ehrlichen Floͤßern zum<lb/><hi rendition="#et">Torten.</hi></l><lb/> <l>Tagelang trollſt du muͤßig umher im wilden Gebirge,</l><lb/> <l>Ahmeſt das Grunzen des Keulers nach und lockeſt ſein<lb/><hi rendition="#et">Weibchen,</hi></l><lb/> <l>Greifeſt, wenn ſie nun rennt durch den Buſch, die Sau<lb/><hi rendition="#et">bei den Ohren,</hi></l><lb/> <l>Zwickſt die Wuͤthende, grauſam dich weidend an ihrem<lb/><hi rendition="#et">Geſchreie.</hi></l><lb/> <l>Siehe, dies wiſſen wir wohl, denn Alles ſehen die Goͤtter.</l><lb/> <l>Aber reize ſie laͤnger nicht mehr, es moͤchte dich reuen!</l><lb/> <l>Schmeidige doch ein Weniges deine borſtige Seele!</l><lb/> <l>Suche zuſammen dein Wiſſen und lichte die rußigen<lb/><hi rendition="#et">Kammern</hi></l><lb/> </lg> </lg> </div> </body> </text> </TEI> [178/0194]
Nicht den Menſchen ſowohl, die da leben und wandeln
auf Erden, —
Ihnen dient nur wenig zu wiſſen —, ſondern den Geiſtern
In der Schattenwelt, den alten Weiſen und Helden,
Welche traurig ſitzen und forſchen das hohe Verhaͤngniß,
Schweigſam immerdar, des erquicklichen Wortes entbehrend.
Aber vergebens harren ſie dein, dieweil du ja gaͤnzlich
Deines erhabnen Berufs vergiſſeſt. Laß mich nur offen
Dir geſtehen, ſo wie du es bisher getrieben, erſcheinſt du
Weder ein Halbgott, noch ein Begeiſteter, ſondern ein
Schweinpelz,
Graͤulichem Ruͤbenfraß ergeben, ſinnſt du nur Unheil;
Steigeſt des Nachts in den Fluß, bis uͤber die Kniee ge¬
ſtiefelt,
Trennſt die Baͤnder los an den Floͤßen und ſchleuderſt die
Balken
Weit hinein in das Land, den ehrlichen Floͤßern zum
Torten.
Tagelang trollſt du muͤßig umher im wilden Gebirge,
Ahmeſt das Grunzen des Keulers nach und lockeſt ſein
Weibchen,
Greifeſt, wenn ſie nun rennt durch den Buſch, die Sau
bei den Ohren,
Zwickſt die Wuͤthende, grauſam dich weidend an ihrem
Geſchreie.
Siehe, dies wiſſen wir wohl, denn Alles ſehen die Goͤtter.
Aber reize ſie laͤnger nicht mehr, es moͤchte dich reuen!
Schmeidige doch ein Weniges deine borſtige Seele!
Suche zuſammen dein Wiſſen und lichte die rußigen
Kammern
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