Mörike, Eduard: Gedichte. Stuttgart, 1838.Das wächst und wächst und leuchtet fast Wie einer Zaubersonne Glast, Darin ein Mägdlein sizt und spinnt, Sich beuget ihr Gesang im Wind; Die Männer stehen wie verzückt, Ein Jeder nach dem Wunder blickt Und horcht und staunet unverwandt, Dem Steuermann entsinkt die Hand, Hat Keiner auf das Schiff mehr Acht, Bis es am Felsenriffe kracht. Die Luft zerreißt ein Jammerschrei: Herr Gott im Himmel, steh' uns bei! Da löscht die Zauberin ihr Licht; Noch einmal aus der Tiefe bricht Verhallend Weh aus Einem Munde: Da zuckt das Schiff und sinkt zu Grunde. Das waͤchſt und waͤchſt und leuchtet faſt Wie einer Zauberſonne Glaſt, Darin ein Maͤgdlein ſizt und ſpinnt, Sich beuget ihr Geſang im Wind; Die Maͤnner ſtehen wie verzuͤckt, Ein Jeder nach dem Wunder blickt Und horcht und ſtaunet unverwandt, Dem Steuermann entſinkt die Hand, Hat Keiner auf das Schiff mehr Acht, Bis es am Felſenriffe kracht. Die Luft zerreißt ein Jammerſchrei: Herr Gott im Himmel, ſteh' uns bei! Da loͤſcht die Zauberin ihr Licht; Noch einmal aus der Tiefe bricht Verhallend Weh aus Einem Munde: Da zuckt das Schiff und ſinkt zu Grunde. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <lg type="poem"> <pb facs="#f0186" n="170"/> <l>Das waͤchſt und waͤchſt und leuchtet faſt</l><lb/> <l>Wie einer Zauberſonne Glaſt,</l><lb/> <l>Darin ein Maͤgdlein ſizt und ſpinnt,</l><lb/> <l>Sich beuget ihr Geſang im Wind;</l><lb/> <l>Die Maͤnner ſtehen wie verzuͤckt,</l><lb/> <l>Ein Jeder nach dem Wunder blickt</l><lb/> <l>Und horcht und ſtaunet unverwandt,</l><lb/> <l>Dem Steuermann entſinkt die Hand,</l><lb/> <l>Hat Keiner auf das Schiff mehr Acht,</l><lb/> <l>Bis es am Felſenriffe kracht.</l><lb/> <l>Die Luft zerreißt ein Jammerſchrei:</l><lb/> <l>Herr Gott im Himmel, ſteh' uns bei!</l><lb/> <l>Da loͤſcht die Zauberin ihr Licht;</l><lb/> <l>Noch einmal aus der Tiefe bricht</l><lb/> <l>Verhallend Weh aus Einem Munde:</l><lb/> <l>Da zuckt das Schiff und ſinkt zu Grunde.</l><lb/> </lg> </div> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> </div> </body> </text> </TEI> [170/0186]
Das waͤchſt und waͤchſt und leuchtet faſt
Wie einer Zauberſonne Glaſt,
Darin ein Maͤgdlein ſizt und ſpinnt,
Sich beuget ihr Geſang im Wind;
Die Maͤnner ſtehen wie verzuͤckt,
Ein Jeder nach dem Wunder blickt
Und horcht und ſtaunet unverwandt,
Dem Steuermann entſinkt die Hand,
Hat Keiner auf das Schiff mehr Acht,
Bis es am Felſenriffe kracht.
Die Luft zerreißt ein Jammerſchrei:
Herr Gott im Himmel, ſteh' uns bei!
Da loͤſcht die Zauberin ihr Licht;
Noch einmal aus der Tiefe bricht
Verhallend Weh aus Einem Munde:
Da zuckt das Schiff und ſinkt zu Grunde.
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Zitationshilfe: | Mörike, Eduard: Gedichte. Stuttgart, 1838, S. 170. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moerike_gedichte_1838/186>, abgerufen am 16.02.2025. |