Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Mörike, Eduard: Gedichte. Stuttgart, 1838.

Bild:
<< vorherige Seite

Die fest verschlossnen Feuer tauchen
Hoch aus uraltem Schlund herauf,
Da fangen Wälder an zu rauchen
Und prasseln wild im Sturme auf.

Er aber darf nicht still sich fühlen,
Beschaulich im verborgnen Schacht,
Wo Gold und Edelsteine kühlen
Und hellen Augs der Elfe wacht:
Nach einem unverrückten Willen,
Der blüht in der Gestirne Flur,
Muß er die ew'gen Kräfte stillen
Mit Lust und Schrecken der Natur.
Soll er den Flug von hundert Wettern
Laut donnernd durcheinander ziehn,
Des Menschen Hütte niederschmettern,
Verderben auf das Meerschiff sprühn,
Da will das edle Herz zerreißen,
Da sieht er schrecklich sich allein:
Und doch kann er nicht würdig heißen,
Mit Göttern ganz ein Gott zu seyn.
Noch aber blieb ihm eine Freude,
Nachdem er Land und Meer bewegt,
Wenn er bei Nacht auf öder Haide
Die Sehnsucht seiner Seele pflegt.
Da hängen ungeheure Ketten
Aus tiefstem Wolkenraum herab,
Dran er, als müßten sie ihn retten,
Sich schwingt zum Himmel auf und ab.

Die feſt verſchloſſnen Feuer tauchen
Hoch aus uraltem Schlund herauf,
Da fangen Waͤlder an zu rauchen
Und praſſeln wild im Sturme auf.

Er aber darf nicht ſtill ſich fuͤhlen,
Beſchaulich im verborgnen Schacht,
Wo Gold und Edelſteine kuͤhlen
Und hellen Augs der Elfe wacht:
Nach einem unverruͤckten Willen,
Der bluͤht in der Geſtirne Flur,
Muß er die ew'gen Kraͤfte ſtillen
Mit Luſt und Schrecken der Natur.
Soll er den Flug von hundert Wettern
Laut donnernd durcheinander ziehn,
Des Menſchen Huͤtte niederſchmettern,
Verderben auf das Meerſchiff ſpruͤhn,
Da will das edle Herz zerreißen,
Da ſieht er ſchrecklich ſich allein:
Und doch kann er nicht wuͤrdig heißen,
Mit Goͤttern ganz ein Gott zu ſeyn.
Noch aber blieb ihm eine Freude,
Nachdem er Land und Meer bewegt,
Wenn er bei Nacht auf oͤder Haide
Die Sehnſucht ſeiner Seele pflegt.
Da haͤngen ungeheure Ketten
Aus tiefſtem Wolkenraum herab,
Dran er, als muͤßten ſie ihn retten,
Sich ſchwingt zum Himmel auf und ab.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <lg type="poem">
          <lg n="3">
            <pb facs="#f0175" n="159"/>
            <l>Die fe&#x017F;t ver&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;nen Feuer tauchen</l><lb/>
            <l>Hoch aus uraltem Schlund herauf,</l><lb/>
            <l>Da fangen Wa&#x0364;lder an zu rauchen</l><lb/>
            <l>Und pra&#x017F;&#x017F;eln wild im Sturme auf.</l><lb/>
          </lg>
          <lg n="4">
            <l>Er aber darf nicht &#x017F;till &#x017F;ich fu&#x0364;hlen,</l><lb/>
            <l>Be&#x017F;chaulich im verborgnen Schacht,</l><lb/>
            <l>Wo Gold und Edel&#x017F;teine ku&#x0364;hlen</l><lb/>
            <l>Und hellen Augs der Elfe wacht:</l><lb/>
            <l>Nach einem unverru&#x0364;ckten Willen,</l><lb/>
            <l>Der blu&#x0364;ht in der Ge&#x017F;tirne Flur,</l><lb/>
            <l>Muß er die ew'gen Kra&#x0364;fte &#x017F;tillen</l><lb/>
            <l>Mit Lu&#x017F;t und Schrecken der Natur.</l><lb/>
          </lg>
          <lg n="5">
            <l>Soll er den Flug von hundert Wettern</l><lb/>
            <l>Laut donnernd durcheinander ziehn,</l><lb/>
            <l>Des Men&#x017F;chen Hu&#x0364;tte nieder&#x017F;chmettern,</l><lb/>
            <l>Verderben auf das Meer&#x017F;chiff &#x017F;pru&#x0364;hn,</l><lb/>
            <l>Da will das edle Herz zerreißen,</l><lb/>
            <l>Da &#x017F;ieht er &#x017F;chrecklich &#x017F;ich allein:</l><lb/>
            <l>Und doch kann er nicht wu&#x0364;rdig heißen,</l><lb/>
            <l>Mit Go&#x0364;ttern ganz ein Gott zu &#x017F;eyn.</l><lb/>
          </lg>
          <lg n="6">
            <l>Noch aber blieb ihm <hi rendition="#g">eine</hi> Freude,</l><lb/>
            <l>Nachdem er Land und Meer bewegt,</l><lb/>
            <l>Wenn er bei Nacht auf o&#x0364;der Haide</l><lb/>
            <l>Die Sehn&#x017F;ucht &#x017F;einer Seele pflegt.</l><lb/>
            <l>Da ha&#x0364;ngen ungeheure Ketten</l><lb/>
            <l>Aus tief&#x017F;tem Wolkenraum herab,</l><lb/>
            <l>Dran er, als mu&#x0364;ßten &#x017F;ie ihn retten,</l><lb/>
            <l>Sich &#x017F;chwingt zum Himmel auf und ab.</l><lb/>
          </lg>
        </lg>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[159/0175] Die feſt verſchloſſnen Feuer tauchen Hoch aus uraltem Schlund herauf, Da fangen Waͤlder an zu rauchen Und praſſeln wild im Sturme auf. Er aber darf nicht ſtill ſich fuͤhlen, Beſchaulich im verborgnen Schacht, Wo Gold und Edelſteine kuͤhlen Und hellen Augs der Elfe wacht: Nach einem unverruͤckten Willen, Der bluͤht in der Geſtirne Flur, Muß er die ew'gen Kraͤfte ſtillen Mit Luſt und Schrecken der Natur. Soll er den Flug von hundert Wettern Laut donnernd durcheinander ziehn, Des Menſchen Huͤtte niederſchmettern, Verderben auf das Meerſchiff ſpruͤhn, Da will das edle Herz zerreißen, Da ſieht er ſchrecklich ſich allein: Und doch kann er nicht wuͤrdig heißen, Mit Goͤttern ganz ein Gott zu ſeyn. Noch aber blieb ihm eine Freude, Nachdem er Land und Meer bewegt, Wenn er bei Nacht auf oͤder Haide Die Sehnſucht ſeiner Seele pflegt. Da haͤngen ungeheure Ketten Aus tiefſtem Wolkenraum herab, Dran er, als muͤßten ſie ihn retten, Sich ſchwingt zum Himmel auf und ab.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/moerike_gedichte_1838
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/moerike_gedichte_1838/175
Zitationshilfe: Mörike, Eduard: Gedichte. Stuttgart, 1838, S. 159. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moerike_gedichte_1838/175>, abgerufen am 28.11.2024.