Mörike, Eduard: Gedichte. Stuttgart, 1838.Der Genesene an die Hoffnung. Tödtlich graute mir der Morgen: Doch schon lag mein Haupt, wie süß! Hoffnung, dir im Schoos verborgen, Bis der Sieg gewonnen hieß. Opfer bracht' ich allen Göttern, Doch vergessen warest du; Seitwärts von den ew'gen Rettern Sahest du dem Feste zu. O vergib, du Vielgetreue! Tritt aus deinem Dämmerlicht, Daß ich dir in's ewig neue, Mondenhelle Angesicht Einmal schaue recht von Herzen, Wie ein Kind und sonder Harm; Ach, nur Einmal ohne Schmerzen Schließe mich in deinen Arm! Der Geneſene an die Hoffnung. Toͤdtlich graute mir der Morgen: Doch ſchon lag mein Haupt, wie ſuͤß! Hoffnung, dir im Schoos verborgen, Bis der Sieg gewonnen hieß. Opfer bracht' ich allen Goͤttern, Doch vergeſſen wareſt du; Seitwaͤrts von den ew'gen Rettern Saheſt du dem Feſte zu. O vergib, du Vielgetreue! Tritt aus deinem Daͤmmerlicht, Daß ich dir in's ewig neue, Mondenhelle Angeſicht Einmal ſchaue recht von Herzen, Wie ein Kind und ſonder Harm; Ach, nur Einmal ohne Schmerzen Schließe mich in deinen Arm! <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb n="122" facs="#f0138"/> </div> <div n="1"> <head> <hi rendition="#b">Der Geneſene an die Hoffnung.</hi><lb/> </head> <lg type="poem"> <lg n="1"> <l><hi rendition="#in">T</hi>oͤdtlich graute mir der Morgen:</l><lb/> <l>Doch ſchon lag mein Haupt, wie ſuͤß!</l><lb/> <l>Hoffnung, dir im Schoos verborgen,</l><lb/> <l>Bis der Sieg gewonnen hieß.</l><lb/> <l>Opfer bracht' ich allen Goͤttern,</l><lb/> <l>Doch vergeſſen wareſt du;</l><lb/> <l>Seitwaͤrts von den ew'gen Rettern</l><lb/> <l>Saheſt du dem Feſte zu.</l><lb/> </lg> <lg n="2"> <l>O vergib, du Vielgetreue!</l><lb/> <l>Tritt aus deinem Daͤmmerlicht,</l><lb/> <l>Daß ich dir in's ewig neue,</l><lb/> <l>Mondenhelle Angeſicht</l><lb/> <l>Einmal ſchaue recht von Herzen,</l><lb/> <l>Wie ein Kind und ſonder Harm;</l><lb/> <l>Ach, nur Einmal ohne Schmerzen</l><lb/> <l>Schließe mich in deinen Arm!</l><lb/> </lg> </lg> <milestone unit="section" rendition="#hr"/> </div> </body> </text> </TEI> [122/0138]
Der Geneſene an die Hoffnung.
Toͤdtlich graute mir der Morgen:
Doch ſchon lag mein Haupt, wie ſuͤß!
Hoffnung, dir im Schoos verborgen,
Bis der Sieg gewonnen hieß.
Opfer bracht' ich allen Goͤttern,
Doch vergeſſen wareſt du;
Seitwaͤrts von den ew'gen Rettern
Saheſt du dem Feſte zu.
O vergib, du Vielgetreue!
Tritt aus deinem Daͤmmerlicht,
Daß ich dir in's ewig neue,
Mondenhelle Angeſicht
Einmal ſchaue recht von Herzen,
Wie ein Kind und ſonder Harm;
Ach, nur Einmal ohne Schmerzen
Schließe mich in deinen Arm!
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Zitationshilfe: | Mörike, Eduard: Gedichte. Stuttgart, 1838, S. 122. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moerike_gedichte_1838/138>, abgerufen am 04.03.2025. |