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Mörike, Eduard: Gedichte. Stuttgart, 1838.

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An Hermann.
Unter Thränen rissest du dich von meinem Halse;
In die Finsterniß lang' sah ich verworren dir nach;
Wie? auf Ewig? sagtest du so? Dann lässet auf Ewig
Meine Jugend von mir, lässet mein Genius mich!
Und warum? bei Allem, was heilig, weißt du es
selber?

Wenn es der Uebermuth schwärmender Jugend nicht ist?
O verwegenes Spiel! Komm! nimm das Wort, ruf es
zurücke!

-- Aber du hörtest nicht, ließest mich staunend allein.
Monde vergingen und Jahre; die heimliche Sehnsucht im
Herzen,

Standen wir fremd, es fand Keiner ein muthiges
Wort,

Um den falschen Bann, den luftgewebten, zu brechen,
Und der gemeine Tag löschte bald jeglichen Wunsch.
Aber heutige Nacht erschien mir wieder im Traume
Deine Knabengestalt -- Wehe! wo rett' ich mich hin
Vor dem lieblichen Bild! Ich sah dich unter den hohen
Maulbeerbäumen im Hof, wo wir zusammen gespielt.
Und du wandtest dich ab, wie beschämt, ich strich dir die
Locken

Aus der Stirne: O du, rief ich, was kannst du dafür!
Weinend erwacht' ich zulezt, trüb schien der Mond auf
mein Lager,

Aufgerichtet im Bett saß ich und dachte dir nach;
An Hermann.
Unter Thraͤnen riſſeſt du dich von meinem Halſe;
In die Finſterniß lang' ſah ich verworren dir nach;
Wie? auf Ewig? ſagteſt du ſo? Dann laͤſſet auf Ewig
Meine Jugend von mir, laͤſſet mein Genius mich!
Und warum? bei Allem, was heilig, weißt du es
ſelber?

Wenn es der Uebermuth ſchwaͤrmender Jugend nicht iſt?
O verwegenes Spiel! Komm! nimm das Wort, ruf es
zuruͤcke!

— Aber du hoͤrteſt nicht, ließeſt mich ſtaunend allein.
Monde vergingen und Jahre; die heimliche Sehnſucht im
Herzen,

Standen wir fremd, es fand Keiner ein muthiges
Wort,

Um den falſchen Bann, den luftgewebten, zu brechen,
Und der gemeine Tag loͤſchte bald jeglichen Wunſch.
Aber heutige Nacht erſchien mir wieder im Traume
Deine Knabengeſtalt — Wehe! wo rett' ich mich hin
Vor dem lieblichen Bild! Ich ſah dich unter den hohen
Maulbeerbaͤumen im Hof, wo wir zuſammen geſpielt.
Und du wandteſt dich ab, wie beſchaͤmt, ich ſtrich dir die
Locken

Aus der Stirne: O du, rief ich, was kannſt du dafuͤr!
Weinend erwacht' ich zulezt, truͤb ſchien der Mond auf
mein Lager,

Aufgerichtet im Bett ſaß ich und dachte dir nach;
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[117/0133] An Hermann. Unter Thraͤnen riſſeſt du dich von meinem Halſe; In die Finſterniß lang' ſah ich verworren dir nach; Wie? auf Ewig? ſagteſt du ſo? Dann laͤſſet auf Ewig Meine Jugend von mir, laͤſſet mein Genius mich! Und warum? bei Allem, was heilig, weißt du es ſelber? Wenn es der Uebermuth ſchwaͤrmender Jugend nicht iſt? O verwegenes Spiel! Komm! nimm das Wort, ruf es zuruͤcke! — Aber du hoͤrteſt nicht, ließeſt mich ſtaunend allein. Monde vergingen und Jahre; die heimliche Sehnſucht im Herzen, Standen wir fremd, es fand Keiner ein muthiges Wort, Um den falſchen Bann, den luftgewebten, zu brechen, Und der gemeine Tag loͤſchte bald jeglichen Wunſch. Aber heutige Nacht erſchien mir wieder im Traume Deine Knabengeſtalt — Wehe! wo rett' ich mich hin Vor dem lieblichen Bild! Ich ſah dich unter den hohen Maulbeerbaͤumen im Hof, wo wir zuſammen geſpielt. Und du wandteſt dich ab, wie beſchaͤmt, ich ſtrich dir die Locken Aus der Stirne: O du, rief ich, was kannſt du dafuͤr! Weinend erwacht' ich zulezt, truͤb ſchien der Mond auf mein Lager, Aufgerichtet im Bett ſaß ich und dachte dir nach;

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Zitationshilfe: Mörike, Eduard: Gedichte. Stuttgart, 1838, S. 117. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moerike_gedichte_1838/133>, abgerufen am 22.12.2024.