Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Modestinus, Theophilus: Freymüthige Doch Bescheidene Unterredungen Von Kirchen- Religions- Politischen- und Natur-Sachen. Frankfurt (Main) u. a., 1737.

Bild:
<< vorherige Seite


Freude oder Pein empfinden könne. Ueber dieses
auch fast alle, oder doch die allermeisten Völcker auf
Erden, eine Unsterblichkeit der Seelen; und eine
Belohnung oder Straffe nach diesem Leben zuge-
ben und glauben. Die heilige Schrifft aber ins
besondere, und die Erfahrung frommer heiliger
Männer, (gegen welche man wegen eines Mangels
eines scharffen Verstandes mit Grunde nichts ein-
wenden kan) diese Wahrheiten bestätigen; wie
auch unsere obangezogene rationes ex differentia
objectorum desumta;
zu einem allerwahrscheinlich-
sten Beweiß dienen: so ist es ja gewißlich das ver-
nünfftigste (um mich ihnen zu accommodiren) und
sicherste: den Weg einzuschlagen, welcher mich
durch lebendige Erfahrung vergewissern kan,
was das beste sey: Nemlichen zu thun in Aufrich-
tigkeit des Hertzens vor GOtt, den Willen dessen
der Himmel und Erden geschaffen hat.
Nicander. Jch wünsche von Hertzen durch leben-
dige Erfahrung überzeuget zu werden; aber ich
möchte doch noch etwas deutlicher von seinem Be-
griff der Wiedergebuhrt benachrichtiget werden.
Alamodan. Dieses verlanget mich selbsten zu ver-
nehmen: ob mir gleich nicht unbekannt ist, was die
heilige Schrifft davon saget.
Modestin. Jch werde mich bemühen ihnen dieses
durch GOttes Beystand und Gnade so deutlich als
nur möglich vorzustellen. Jch setze demnach zum
Grunde: Daß gleich wie zweyerley gantz unter-
schiedene Objecta unserer Betrachtung und des Ver-
langens sind; als nemlich irrdische, sichtbare, zeit-
liche


Freude oder Pein empfinden koͤnne. Ueber dieſes
auch faſt alle, oder doch die allermeiſten Voͤlcker auf
Erden, eine Unſterblichkeit der Seelen; und eine
Belohnung oder Straffe nach dieſem Leben zuge-
ben und glauben. Die heilige Schrifft aber ins
beſondere, und die Erfahrung frommer heiliger
Maͤnner, (gegen welche man wegen eines Mangels
eines ſcharffen Verſtandes mit Grunde nichts ein-
wenden kan) dieſe Wahrheiten beſtaͤtigen; wie
auch unſere obangezogene rationes ex differentia
objectorum deſumta;
zu einem allerwahrſcheinlich-
ſten Beweiß dienen: ſo iſt es ja gewißlich das ver-
nuͤnfftigſte (um mich ihnen zu accommodiren) und
ſicherſte: den Weg einzuſchlagen, welcher mich
durch lebendige Erfahrung vergewiſſern kan,
was das beſte ſey: Nemlichen zu thun in Aufrich-
tigkeit des Hertzens vor GOtt, den Willen deſſen
der Himmel und Erden geſchaffen hat.
Nicander. Jch wuͤnſche von Hertzen durch leben-
dige Erfahrung uͤberzeuget zu werden; aber ich
moͤchte doch noch etwas deutlicher von ſeinem Be-
griff der Wiedergebuhrt benachrichtiget werden.
Alamodan. Dieſes verlanget mich ſelbſten zu ver-
nehmen: ob mir gleich nicht unbekannt iſt, was die
heilige Schrifft davon ſaget.
Modeſtin. Jch werde mich bemuͤhen ihnen dieſes
durch GOttes Beyſtand und Gnade ſo deutlich als
nur moͤglich vorzuſtellen. Jch ſetze demnach zum
Grunde: Daß gleich wie zweyerley gantz unter-
ſchiedene Objecta unſerer Betrachtung und des Ver-
langens ſind; als nemlich irrdiſche, ſichtbare, zeit-
liche
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <sp>
          <p><pb facs="#f0094" n="88"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
Freude oder Pein empfinden ko&#x0364;nne. Ueber die&#x017F;es<lb/>
auch fa&#x017F;t alle, oder doch die allermei&#x017F;ten Vo&#x0364;lcker auf<lb/>
Erden, eine Un&#x017F;terblichkeit der Seelen; und eine<lb/>
Belohnung oder Straffe nach die&#x017F;em Leben zuge-<lb/>
ben und glauben. Die heilige Schrifft aber ins<lb/>
be&#x017F;ondere, und die Erfahrung frommer heiliger<lb/>
Ma&#x0364;nner, (gegen welche man wegen eines Mangels<lb/>
eines &#x017F;charffen Ver&#x017F;tandes mit Grunde nichts ein-<lb/>
wenden kan) die&#x017F;e Wahrheiten be&#x017F;ta&#x0364;tigen; wie<lb/>
auch un&#x017F;ere obangezogene <hi rendition="#aq">rationes ex differentia<lb/>
objectorum de&#x017F;umta;</hi> zu einem allerwahr&#x017F;cheinlich-<lb/>
&#x017F;ten Beweiß dienen: &#x017F;o i&#x017F;t es ja gewißlich das ver-<lb/>
nu&#x0364;nfftig&#x017F;te (um mich ihnen zu <hi rendition="#aq">accommodi</hi>ren) und<lb/>
&#x017F;icher&#x017F;te: den Weg einzu&#x017F;chlagen, welcher mich<lb/>
durch <hi rendition="#fr">lebendige Erfahrung</hi> vergewi&#x017F;&#x017F;ern kan,<lb/>
was das be&#x017F;te &#x017F;ey: Nemlichen zu thun in Aufrich-<lb/>
tigkeit des Hertzens vor GOtt, den Willen de&#x017F;&#x017F;en<lb/>
der Himmel und Erden ge&#x017F;chaffen hat.</p>
        </sp><lb/>
        <sp>
          <speaker> <hi rendition="#aq"> <hi rendition="#i">Nicander.</hi> </hi> </speaker>
          <p>Jch wu&#x0364;n&#x017F;che von Hertzen durch leben-<lb/>
dige Erfahrung u&#x0364;berzeuget zu werden; aber ich<lb/>
mo&#x0364;chte doch noch etwas deutlicher von &#x017F;einem Be-<lb/>
griff der Wiedergebuhrt benachrichtiget werden.</p>
        </sp><lb/>
        <sp>
          <speaker> <hi rendition="#aq"> <hi rendition="#i">Alamodan.</hi> </hi> </speaker>
          <p>Die&#x017F;es verlanget mich &#x017F;elb&#x017F;ten zu ver-<lb/>
nehmen: ob mir gleich nicht unbekannt i&#x017F;t, was die<lb/>
heilige Schrifft davon &#x017F;aget.</p>
        </sp><lb/>
        <sp>
          <speaker> <hi rendition="#aq"> <hi rendition="#i">Mode&#x017F;tin.</hi> </hi> </speaker>
          <p>Jch werde mich bemu&#x0364;hen ihnen die&#x017F;es<lb/>
durch GOttes Bey&#x017F;tand und Gnade &#x017F;o deutlich als<lb/>
nur mo&#x0364;glich vorzu&#x017F;tellen. Jch &#x017F;etze demnach zum<lb/>
Grunde: Daß gleich wie zweyerley gantz unter-<lb/>
&#x017F;chiedene <hi rendition="#aq">Objecta</hi> un&#x017F;erer Betrachtung und des Ver-<lb/>
langens &#x017F;ind; als nemlich irrdi&#x017F;che, &#x017F;ichtbare, zeit-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">liche</fw><lb/></p>
        </sp>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[88/0094] Freude oder Pein empfinden koͤnne. Ueber dieſes auch faſt alle, oder doch die allermeiſten Voͤlcker auf Erden, eine Unſterblichkeit der Seelen; und eine Belohnung oder Straffe nach dieſem Leben zuge- ben und glauben. Die heilige Schrifft aber ins beſondere, und die Erfahrung frommer heiliger Maͤnner, (gegen welche man wegen eines Mangels eines ſcharffen Verſtandes mit Grunde nichts ein- wenden kan) dieſe Wahrheiten beſtaͤtigen; wie auch unſere obangezogene rationes ex differentia objectorum deſumta; zu einem allerwahrſcheinlich- ſten Beweiß dienen: ſo iſt es ja gewißlich das ver- nuͤnfftigſte (um mich ihnen zu accommodiren) und ſicherſte: den Weg einzuſchlagen, welcher mich durch lebendige Erfahrung vergewiſſern kan, was das beſte ſey: Nemlichen zu thun in Aufrich- tigkeit des Hertzens vor GOtt, den Willen deſſen der Himmel und Erden geſchaffen hat. Nicander. Jch wuͤnſche von Hertzen durch leben- dige Erfahrung uͤberzeuget zu werden; aber ich moͤchte doch noch etwas deutlicher von ſeinem Be- griff der Wiedergebuhrt benachrichtiget werden. Alamodan. Dieſes verlanget mich ſelbſten zu ver- nehmen: ob mir gleich nicht unbekannt iſt, was die heilige Schrifft davon ſaget. Modeſtin. Jch werde mich bemuͤhen ihnen dieſes durch GOttes Beyſtand und Gnade ſo deutlich als nur moͤglich vorzuſtellen. Jch ſetze demnach zum Grunde: Daß gleich wie zweyerley gantz unter- ſchiedene Objecta unſerer Betrachtung und des Ver- langens ſind; als nemlich irrdiſche, ſichtbare, zeit- liche

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/modestinus_unterredungen_1737
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/modestinus_unterredungen_1737/94
Zitationshilfe: Modestinus, Theophilus: Freymüthige Doch Bescheidene Unterredungen Von Kirchen- Religions- Politischen- und Natur-Sachen. Frankfurt (Main) u. a., 1737. , S. 88. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/modestinus_unterredungen_1737/94>, abgerufen am 27.11.2024.