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Modestinus, Theophilus: Freymüthige Doch Bescheidene Unterredungen Von Kirchen- Religions- Politischen- und Natur-Sachen. Frankfurt (Main) u. a., 1737.

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wohl, als wahre von GOtt erleuchtete Christen,
beurtheilen.
Nicander. Unser Herr Modestin bedienet sich ver-
schiedener Redens-Arten, welche mir sehr meta-
phori
sch und unverständlich, oder wie sie schon oben
benannt worden, Enthusiastisch vorkommen. Denn
was ist das: Von GOTT erleuchtet seyn? Der
Mensch hat seinen natürlichen Verstand. Die-
sem mag durch Unterweisung, Fleiß und Erfahrung
wohl aufgeholffen werden, daß er penetranter, weit-
sichtiger, grösser und stärcker wird. Was soll aber
hier das Wort Göttliche Erleuchtung heissen?
Modestin. Die Philosophie oder Liebe zur Weiß-
heit und zur Tugend; der Fleiß und die Uebung
helffen freylich wohl zur Ausbesserung des Verstan-
des und des Willens: Dabey doch die Eigenliebe
bey denen meisten Philosophen und Helden der
Grund und der Endzweck ihrer Actionen geblieben.
Die Gnade aber kehret den Menschen öffters auf
einmahl dergestalt um, daß sie ihm einen gantz an-
dern neuen Sinn giebet: und seinen Verstand ohne
Kunst und Mühe, mit solchen Eigenschafften bega-
bet, daß er ein Ding gantz anderst als zuvor und
in einem andern Licht und Gesicht als die Vernunfft,
einsiehet. Daß aber zwischen der Vernunfft und
dem experimentalen Gnaden-Lichte ein mächtiger
Unterscheid sey; erhellet, theils aus deme, was schon
vorhero davon erwehnet worden; theils aus der
Betrachtung des Unterscheids derer Gegenwürffe
(objectorum) und zu dem Begriff dererselben auch
nothwendig unterschiedenen Mitteln. Gleich wie
nun


wohl, als wahre von GOtt erleuchtete Chriſten,
beurtheilen.
Nicander. Unſer Herr Modeſtin bedienet ſich ver-
ſchiedener Redens-Arten, welche mir ſehr meta-
phori
ſch und unverſtaͤndlich, oder wie ſie ſchon oben
benannt worden, Enthuſiaſtiſch vorkommen. Denn
was iſt das: Von GOTT erleuchtet ſeyn? Der
Menſch hat ſeinen natuͤrlichen Verſtand. Die-
ſem mag durch Unterweiſung, Fleiß und Erfahrung
wohl aufgeholffen werden, daß er penetranter, weit-
ſichtiger, groͤſſer und ſtaͤrcker wird. Was ſoll aber
hier das Wort Goͤttliche Erleuchtung heiſſen?
Modeſtin. Die Philoſophie oder Liebe zur Weiß-
heit und zur Tugend; der Fleiß und die Uebung
helffen freylich wohl zur Ausbeſſerung des Verſtan-
des und des Willens: Dabey doch die Eigenliebe
bey denen meiſten Philoſophen und Helden der
Grund und der Endzweck ihrer Actionen geblieben.
Die Gnade aber kehret den Menſchen oͤffters auf
einmahl dergeſtalt um, daß ſie ihm einen gantz an-
dern neuen Sinn giebet: und ſeinen Verſtand ohne
Kunſt und Muͤhe, mit ſolchen Eigenſchafften bega-
bet, daß er ein Ding gantz anderſt als zuvor und
in einem andern Licht und Geſicht als die Vernunfft,
einſiehet. Daß aber zwiſchen der Vernunfft und
dem experimentalen Gnaden-Lichte ein maͤchtiger
Unterſcheid ſey; erhellet, theils aus deme, was ſchon
vorhero davon erwehnet worden; theils aus der
Betrachtung des Unterſcheids derer Gegenwuͤrffe
(objectorum) und zu dem Begriff dererſelben auch
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[82/0088] wohl, als wahre von GOtt erleuchtete Chriſten, beurtheilen. Nicander. Unſer Herr Modeſtin bedienet ſich ver- ſchiedener Redens-Arten, welche mir ſehr meta- phoriſch und unverſtaͤndlich, oder wie ſie ſchon oben benannt worden, Enthuſiaſtiſch vorkommen. Denn was iſt das: Von GOTT erleuchtet ſeyn? Der Menſch hat ſeinen natuͤrlichen Verſtand. Die- ſem mag durch Unterweiſung, Fleiß und Erfahrung wohl aufgeholffen werden, daß er penetranter, weit- ſichtiger, groͤſſer und ſtaͤrcker wird. Was ſoll aber hier das Wort Goͤttliche Erleuchtung heiſſen? Modeſtin. Die Philoſophie oder Liebe zur Weiß- heit und zur Tugend; der Fleiß und die Uebung helffen freylich wohl zur Ausbeſſerung des Verſtan- des und des Willens: Dabey doch die Eigenliebe bey denen meiſten Philoſophen und Helden der Grund und der Endzweck ihrer Actionen geblieben. Die Gnade aber kehret den Menſchen oͤffters auf einmahl dergeſtalt um, daß ſie ihm einen gantz an- dern neuen Sinn giebet: und ſeinen Verſtand ohne Kunſt und Muͤhe, mit ſolchen Eigenſchafften bega- bet, daß er ein Ding gantz anderſt als zuvor und in einem andern Licht und Geſicht als die Vernunfft, einſiehet. Daß aber zwiſchen der Vernunfft und dem experimentalen Gnaden-Lichte ein maͤchtiger Unterſcheid ſey; erhellet, theils aus deme, was ſchon vorhero davon erwehnet worden; theils aus der Betrachtung des Unterſcheids derer Gegenwuͤrffe (objectorum) und zu dem Begriff dererſelben auch nothwendig unterſchiedenen Mitteln. Gleich wie nun

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Zitationshilfe: Modestinus, Theophilus: Freymüthige Doch Bescheidene Unterredungen Von Kirchen- Religions- Politischen- und Natur-Sachen. Frankfurt (Main) u. a., 1737. , S. 82. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/modestinus_unterredungen_1737/88>, abgerufen am 26.11.2024.