Modestinus, Theophilus: Freymüthige Doch Bescheidene Unterredungen Von Kirchen- Religions- Politischen- und Natur-Sachen. Frankfurt (Main) u. a., 1737.und Wandel unsträfflich sind; wie hievon des be- rühmten Herrn Voltaire Lettres sur les Anglois nachgesehen werden können. Daß aber die meiste Partien unserer heutigen Christen eine gantz con- traire Lehre und Leben führen; und ratio status: das ist Ehr- und Geld-Geitz mehr gilt als die Gebote Christi/ benimmt der Wahrheit gar nichts. Alamodan. Hält er denn die da Kriege führen/ deßwegen vor keine rechtschaffene Christen? Es ist ja nach dem Gesetz der Natur und aller Völcker er- laubet sich zu defendiren/ und Gewalt mit Gewalt zu vertreiben. Nicander. Jch halte davor: daß Herr Alamodan hierinnen allerdings recht habe. Soll man sich be- schimpffen/ berauben und unrecht thun lassen? Das wäre ja wieder alle Billigkeit und Recht. Modestin. Diese Sach und Frage lasse ich eines jeden Gewissen zu decidiren anheim gestellet seyn: Wobey ich aber das bedinge: daß er mehr dem Geist Christi/ als dem Geist der Welt in sich Raum und Gehör gebe. Was einem Kinde/ oder auch einem Menschen von schwachem Verstande zuweilen er- laubet ist/ und an selbigem entschuldiget wird; ist hin- gegen einem verständigen tugendhafften Mann nicht zugelassen. Je mehr der Mensch am Jnwen- digen/ in der neuen Gebuhrt aus GOtt zunimmt und starck wird im Glauben und Vertrauen auff den allmächtigen/ allgenugsamen/ allgegenwärti- gen GOtt; und je mehr er im Gegentheil sein eigen Nichts erkennet: jemehr überlässet er sich GOtt in gewissester Zuversicht/ daß wenn dieser grosse all- mäch- E
und Wandel unſtraͤfflich ſind; wie hievon des be- ruͤhmten Herrn Voltaire Lettres ſur les Anglois nachgeſehen werden koͤnnen. Daß aber die meiſte Partien unſerer heutigen Chriſten eine gantz con- traire Lehre und Leben fuͤhren; und ratio ſtatus: das iſt Ehr- und Geld-Geitz mehr gilt als die Gebote Chriſti/ benimmt der Wahrheit gar nichts. Alamodan. Haͤlt er denn die da Kriege fuͤhren/ deßwegen vor keine rechtſchaffene Chriſten? Es iſt ja nach dem Geſetz der Natur und aller Voͤlcker er- laubet ſich zu defendiren/ und Gewalt mit Gewalt zu vertreiben. Nicander. Jch halte davor: daß Herr Alamodan hierinnen allerdings recht habe. Soll man ſich be- ſchimpffen/ berauben und unrecht thun laſſen? Das waͤre ja wieder alle Billigkeit und Recht. Modeſtin. Dieſe Sach und Frage laſſe ich eines jeden Gewiſſen zu decidiren anheim geſtellet ſeyn: Wobey ich aber das bedinge: daß er mehr dem Geiſt Chriſti/ als dem Geiſt der Welt in ſich Raum und Gehoͤr gebe. Was einem Kinde/ oder auch einem Menſchen von ſchwachem Verſtande zuweilen er- laubet iſt/ und an ſelbigem entſchuldiget wird; iſt hin- gegen einem verſtaͤndigen tugendhafften Mann nicht zugelaſſen. Je mehr der Menſch am Jnwen- digen/ in der neuen Gebuhrt aus GOtt zunimmt und ſtarck wird im Glauben und Vertrauen auff den allmaͤchtigen/ allgenugſamen/ allgegenwaͤrti- gen GOtt; und je mehr er im Gegentheil ſein eigen Nichts erkennet: jemehr uͤberlaͤſſet er ſich GOtt in gewiſſeſter Zuverſicht/ daß wenn dieſer groſſe all- maͤch- E
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und Wandel unſtraͤfflich ſind; wie hievon des be-
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Partien unſerer heutigen Chriſten eine gantz con-
traire Lehre und Leben fuͤhren; und ratio ſtatus: das
iſt Ehr- und Geld-Geitz mehr gilt als die Gebote
Chriſti/ benimmt der Wahrheit gar nichts.
Alamodan. Haͤlt er denn die da Kriege fuͤhren/
deßwegen vor keine rechtſchaffene Chriſten? Es iſt
ja nach dem Geſetz der Natur und aller Voͤlcker er-
laubet ſich zu defendiren/ und Gewalt mit Gewalt
zu vertreiben.
Nicander. Jch halte davor: daß Herr Alamodan
hierinnen allerdings recht habe. Soll man ſich be-
ſchimpffen/ berauben und unrecht thun laſſen? Das
waͤre ja wieder alle Billigkeit und Recht.
Modeſtin. Dieſe Sach und Frage laſſe ich eines
jeden Gewiſſen zu decidiren anheim geſtellet ſeyn:
Wobey ich aber das bedinge: daß er mehr dem Geiſt
Chriſti/ als dem Geiſt der Welt in ſich Raum und
Gehoͤr gebe. Was einem Kinde/ oder auch einem
Menſchen von ſchwachem Verſtande zuweilen er-
laubet iſt/ und an ſelbigem entſchuldiget wird; iſt hin-
gegen einem verſtaͤndigen tugendhafften Mann
nicht zugelaſſen. Je mehr der Menſch am Jnwen-
digen/ in der neuen Gebuhrt aus GOtt zunimmt
und ſtarck wird im Glauben und Vertrauen auff
den allmaͤchtigen/ allgenugſamen/ allgegenwaͤrti-
gen GOtt; und je mehr er im Gegentheil ſein eigen
Nichts erkennet: jemehr uͤberlaͤſſet er ſich GOtt in
gewiſſeſter Zuverſicht/ daß wenn dieſer groſſe all-
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