Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Modestinus, Theophilus: Freymüthige Doch Bescheidene Unterredungen Von Kirchen- Religions- Politischen- und Natur-Sachen. Frankfurt (Main) u. a., 1737.

Bild:
<< vorherige Seite


stentheils aus solchen saubern Gliedern bestehet; lasse
ich einen jeden verständigen unpraeoccupitten ur-
theilen.
Nicander. Hier hat Herr Modestin unserm lieben
Alamodano den Schwehren recht gestochen; was
sagt er nun dazu.
Alamodan. Der Herr verzeihe mir; unsere Leh-
rer sind mit einem schlechten Glaubens-Bekännt-
nis nicht zufrieden; sie erfodern auch ein gottseliges
ehrbahres Leben dazu, so viel uns möglich ist zu thun.
Modestin. Ja wohl sagt er: So viel uns möglich
ist: Dabey sie denn eine gute reservation oder Hin-
terhalt haben; das was man nicht will (als die
Verläugnung seiner selbst) gemeiniglich unmöglich
bleibet; und also das, was mit der einen Hand ein-
geräumet, mit der andern wieder genommen wird,
welches man protestationem facto contrariam zu
nennen pfleget.
Alamodan. Wir können ja von uns selbst als von
uns selbsten nichts gutes thun, und müssen alles von
der Gnade GOttes erwarten.
Modestin. Dieses ist an sich selbst gantz wahrhaff-
tig: Alleine GOtt ist so gütig und willig zu geben;
als der Mensch nur begierig seyn kann zu nehmen;
wo wir GOtt nur ernstlich und unabläßig umb
Weißheit und Gnade bitten; will er uns nichts
versagen, warum wir ihn bitten: weniger als ein
gütiger Vater seinen Kindern gute Gaben versaget,
die er in Uberfluß besitzet. Er hat uns auch keine
solche Gebote gegeben, die wir nicht halten könnten;
und ist ja auch der Natur nach ungereimt/ einem
etwas
C


ſtentheils aus ſolchen ſaubern Gliedern beſtehet; laſſe
ich einen jeden verſtaͤndigen unpræoccupitten ur-
theilen.
Nicander. Hier hat Herr Modeſtin unſerm lieben
Alamodano den Schwehren recht geſtochen; was
ſagt er nun dazu.
Alamodan. Der Herr verzeihe mir; unſere Leh-
rer ſind mit einem ſchlechten Glaubens-Bekaͤnnt-
nis nicht zufrieden; ſie erfodern auch ein gottſeliges
ehrbahres Leben dazu, ſo viel uns moͤglich iſt zu thun.
Modeſtin. Ja wohl ſagt er: So viel uns moͤglich
iſt: Dabey ſie denn eine gute reſervation oder Hin-
terhalt haben; das was man nicht will (als die
Verlaͤugnung ſeiner ſelbſt) gemeiniglich unmoͤglich
bleibet; und alſo das, was mit der einen Hand ein-
geraͤumet, mit der andern wieder genommen wird,
welches man proteſtationem facto contrariam zu
nennen pfleget.
Alamodan. Wir koͤnnen ja von uns ſelbſt als von
uns ſelbſten nichts gutes thun, und muͤſſen alles von
der Gnade GOttes erwarten.
Modeſtin. Dieſes iſt an ſich ſelbſt gantz wahrhaff-
tig: Alleine GOtt iſt ſo guͤtig und willig zu geben;
als der Menſch nur begierig ſeyn kann zu nehmen;
wo wir GOtt nur ernſtlich und unablaͤßig umb
Weißheit und Gnade bitten; will er uns nichts
verſagen, warum wir ihn bitten: weniger als ein
guͤtiger Vater ſeinen Kindern gute Gaben verſaget,
die er in Uberfluß beſitzet. Er hat uns auch keine
ſolche Gebote gegeben, die wir nicht halten koͤnnten;
und iſt ja auch der Natur nach ungereimt/ einem
etwas
C
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <sp>
          <p><pb facs="#f0039" n="33"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
&#x017F;tentheils aus &#x017F;olchen &#x017F;aubern Gliedern be&#x017F;tehet; la&#x017F;&#x017F;e<lb/>
ich einen jeden ver&#x017F;ta&#x0364;ndigen un<hi rendition="#aq">præoccupit</hi>ten ur-<lb/>
theilen.</p>
        </sp><lb/>
        <sp>
          <speaker> <hi rendition="#aq"> <hi rendition="#i">Nicander.</hi> </hi> </speaker>
          <p>Hier hat Herr <hi rendition="#aq">Mode&#x017F;tin</hi> un&#x017F;erm lieben<lb/><hi rendition="#aq">Alamodano</hi> den Schwehren recht ge&#x017F;tochen; was<lb/>
&#x017F;agt er nun dazu.</p>
        </sp><lb/>
        <sp>
          <speaker> <hi rendition="#aq"> <hi rendition="#i">Alamodan.</hi> </hi> </speaker>
          <p>Der Herr verzeihe mir; un&#x017F;ere Leh-<lb/>
rer &#x017F;ind mit einem &#x017F;chlechten Glaubens-Beka&#x0364;nnt-<lb/>
nis nicht zufrieden; &#x017F;ie erfodern auch ein gott&#x017F;eliges<lb/>
ehrbahres Leben dazu, &#x017F;o viel uns mo&#x0364;glich i&#x017F;t zu thun.</p>
        </sp><lb/>
        <sp>
          <speaker> <hi rendition="#aq"> <hi rendition="#i">Mode&#x017F;tin.</hi> </hi> </speaker>
          <p>Ja wohl &#x017F;agt er: So viel uns mo&#x0364;glich<lb/>
i&#x017F;t: Dabey &#x017F;ie denn eine gute <hi rendition="#aq">re&#x017F;ervation</hi> oder Hin-<lb/>
terhalt haben; das was man nicht will (als die<lb/>
Verla&#x0364;ugnung &#x017F;einer &#x017F;elb&#x017F;t) gemeiniglich unmo&#x0364;glich<lb/>
bleibet; und al&#x017F;o das, was mit der einen Hand ein-<lb/>
gera&#x0364;umet, mit der andern wieder genommen wird,<lb/>
welches man <hi rendition="#aq">prote&#x017F;tationem facto contrariam</hi> zu<lb/>
nennen pfleget.</p>
        </sp><lb/>
        <sp>
          <speaker> <hi rendition="#aq"> <hi rendition="#i">Alamodan.</hi> </hi> </speaker>
          <p>Wir ko&#x0364;nnen ja von uns &#x017F;elb&#x017F;t als von<lb/>
uns &#x017F;elb&#x017F;ten nichts gutes thun, und mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en alles von<lb/>
der Gnade GOttes erwarten.</p>
        </sp><lb/>
        <sp>
          <speaker> <hi rendition="#aq"> <hi rendition="#i">Mode&#x017F;tin.</hi> </hi> </speaker>
          <p>Die&#x017F;es i&#x017F;t an &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t gantz wahrhaff-<lb/>
tig: Alleine GOtt i&#x017F;t &#x017F;o gu&#x0364;tig und willig zu geben;<lb/>
als der Men&#x017F;ch nur begierig &#x017F;eyn kann zu nehmen;<lb/>
wo wir GOtt nur ern&#x017F;tlich und unabla&#x0364;ßig umb<lb/>
Weißheit und Gnade bitten; will er uns nichts<lb/>
ver&#x017F;agen, warum wir ihn bitten: weniger als ein<lb/>
gu&#x0364;tiger Vater &#x017F;einen Kindern gute Gaben ver&#x017F;aget,<lb/>
die er in Uberfluß be&#x017F;itzet. Er hat uns auch keine<lb/>
&#x017F;olche Gebote gegeben, die wir nicht halten ko&#x0364;nnten;<lb/>
und i&#x017F;t ja auch der Natur nach ungereimt/ einem<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">C</fw><fw place="bottom" type="catch">etwas</fw><lb/></p>
        </sp>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[33/0039] ſtentheils aus ſolchen ſaubern Gliedern beſtehet; laſſe ich einen jeden verſtaͤndigen unpræoccupitten ur- theilen. Nicander. Hier hat Herr Modeſtin unſerm lieben Alamodano den Schwehren recht geſtochen; was ſagt er nun dazu. Alamodan. Der Herr verzeihe mir; unſere Leh- rer ſind mit einem ſchlechten Glaubens-Bekaͤnnt- nis nicht zufrieden; ſie erfodern auch ein gottſeliges ehrbahres Leben dazu, ſo viel uns moͤglich iſt zu thun. Modeſtin. Ja wohl ſagt er: So viel uns moͤglich iſt: Dabey ſie denn eine gute reſervation oder Hin- terhalt haben; das was man nicht will (als die Verlaͤugnung ſeiner ſelbſt) gemeiniglich unmoͤglich bleibet; und alſo das, was mit der einen Hand ein- geraͤumet, mit der andern wieder genommen wird, welches man proteſtationem facto contrariam zu nennen pfleget. Alamodan. Wir koͤnnen ja von uns ſelbſt als von uns ſelbſten nichts gutes thun, und muͤſſen alles von der Gnade GOttes erwarten. Modeſtin. Dieſes iſt an ſich ſelbſt gantz wahrhaff- tig: Alleine GOtt iſt ſo guͤtig und willig zu geben; als der Menſch nur begierig ſeyn kann zu nehmen; wo wir GOtt nur ernſtlich und unablaͤßig umb Weißheit und Gnade bitten; will er uns nichts verſagen, warum wir ihn bitten: weniger als ein guͤtiger Vater ſeinen Kindern gute Gaben verſaget, die er in Uberfluß beſitzet. Er hat uns auch keine ſolche Gebote gegeben, die wir nicht halten koͤnnten; und iſt ja auch der Natur nach ungereimt/ einem etwas C

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/modestinus_unterredungen_1737
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/modestinus_unterredungen_1737/39
Zitationshilfe: Modestinus, Theophilus: Freymüthige Doch Bescheidene Unterredungen Von Kirchen- Religions- Politischen- und Natur-Sachen. Frankfurt (Main) u. a., 1737. , S. 33. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/modestinus_unterredungen_1737/39>, abgerufen am 23.11.2024.