Modestinus, Theophilus: Freymüthige Doch Bescheidene Unterredungen Von Kirchen- Religions- Politischen- und Natur-Sachen. Frankfurt (Main) u. a., 1737.bey der geringsten Gelegenheit wiederum gebro- chen wird. Modestin. Allein, mein werther Herr Nicander, er beliebe nur die eigentliche Ursachen des angeführ- ten etwas gründlicher zu untersuchen; so wird sichs wohl ergeben, wo der Haase im Pfeffer lie- get. Hat die Bemühung sich nur auf einen äus- serlichen Schein der Tugend, oder gar auf eitele Ehre, Interesse, Schönheit oder dergleichen etwas gegründet: so ist sich gar nicht zu verwundern, daß einer seines Zwecks verfehlet hat. Dannenhero ist es nöthig, ein Gemüth zuvoren erst recht kennen zu lernen, ehe man sich in eine besondere gar ver- trauliche Freundschafft einlässet: dabey man doch kein argwöhnisches Mißtrauen hegen muß. Denn solche Temperamenten, die von Natur zum Arg- wohn und Mißtrauen sehr geneigt sind, sich zu einer vertraulichen Freundschafft gar übel schicken, auch selten dazu gelangen. Alamodan. Man muß aber auch nicht zu leicht- gläubig seyn, sonsten wird man mannigmahlen heßlich betrogen: Wie es Kauffleute öffters mit grossem Schaden erfahren; da denn ein gebrann- tes Kind, nach dem gemeinem Sprichwort, das Feuer scheuet. Theogenes. Es finden sich Menschen, welche nach ihrem Naturel ein sehr bequemes Temperament zu
bey der geringſten Gelegenheit wiederum gebro- chen wird. Modeſtin. Allein, mein werther Herr Nicander, er beliebe nur die eigentliche Urſachen des angefuͤhr- ten etwas gruͤndlicher zu unterſuchen; ſo wird ſichs wohl ergeben, wo der Haaſe im Pfeffer lie- get. Hat die Bemuͤhung ſich nur auf einen aͤuſ- ſerlichen Schein der Tugend, oder gar auf eitele Ehre, Intereſſe, Schoͤnheit oder dergleichen etwas gegruͤndet: ſo iſt ſich gar nicht zu verwundern, daß einer ſeines Zwecks verfehlet hat. Dannenhero iſt es noͤthig, ein Gemuͤth zuvoren erſt recht kennen zu lernen, ehe man ſich in eine beſondere gar ver- trauliche Freundſchafft einlaͤſſet: dabey man doch kein argwoͤhniſches Mißtrauen hegen muß. Denn ſolche Temperamenten, die von Natur zum Arg- wohn und Mißtrauen ſehr geneigt ſind, ſich zu einer vertraulichen Freundſchafft gar uͤbel ſchicken, auch ſelten dazu gelangen. Alamodan. Man muß aber auch nicht zu leicht- glaͤubig ſeyn, ſonſten wird man mannigmahlen heßlich betrogen: Wie es Kauffleute oͤffters mit groſſem Schaden erfahren; da denn ein gebrann- tes Kind, nach dem gemeinem Sprichwort, das Feuer ſcheuet. Theogenes. Es finden ſich Menſchen, welche nach ihrem Naturel ein ſehr bequemes Temperament zu
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bey der geringſten Gelegenheit wiederum gebro-
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Modeſtin. Allein, mein werther Herr Nicander,
er beliebe nur die eigentliche Urſachen des angefuͤhr-
ten etwas gruͤndlicher zu unterſuchen; ſo wird
ſichs wohl ergeben, wo der Haaſe im Pfeffer lie-
get. Hat die Bemuͤhung ſich nur auf einen aͤuſ-
ſerlichen Schein der Tugend, oder gar auf eitele
Ehre, Intereſſe, Schoͤnheit oder dergleichen etwas
gegruͤndet: ſo iſt ſich gar nicht zu verwundern, daß
einer ſeines Zwecks verfehlet hat. Dannenhero
iſt es noͤthig, ein Gemuͤth zuvoren erſt recht kennen
zu lernen, ehe man ſich in eine beſondere gar ver-
trauliche Freundſchafft einlaͤſſet: dabey man doch
kein argwoͤhniſches Mißtrauen hegen muß. Denn
ſolche Temperamenten, die von Natur zum Arg-
wohn und Mißtrauen ſehr geneigt ſind, ſich zu
einer vertraulichen Freundſchafft gar uͤbel ſchicken,
auch ſelten dazu gelangen.
Alamodan. Man muß aber auch nicht zu leicht-
glaͤubig ſeyn, ſonſten wird man mannigmahlen
heßlich betrogen: Wie es Kauffleute oͤffters mit
groſſem Schaden erfahren; da denn ein gebrann-
tes Kind, nach dem gemeinem Sprichwort, das
Feuer ſcheuet.
Theogenes. Es finden ſich Menſchen, welche nach
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Zitationshilfe: | Modestinus, Theophilus: Freymüthige Doch Bescheidene Unterredungen Von Kirchen- Religions- Politischen- und Natur-Sachen. Frankfurt (Main) u. a., 1737. , S. 142. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/modestinus_unterredungen_1737/148>, abgerufen am 22.02.2025. |