Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Modestinus, Theophilus: Freymüthige Doch Bescheidene Unterredungen Von Kirchen- Religions- Politischen- und Natur-Sachen. Frankfurt (Main) u. a., 1737.

Bild:
<< vorherige Seite


Modestin. Unser Herr Nicander redet etwas zu
verächtlich von unsern Studiis. Es ist doch billig
ein gebührender Unterscheid zu machen zwischen dem
was an und vor sich selbst gut oder böß; oder auch
gantz indifferent ist; wie nicht weniger zwischen
einem guten Gebrauch einer Sache und deren
Mißbrauch.
Nicander. Jch bin dem Herrn Modestino hierin
nicht entgegen: Wo ich aber dem satyrischen Ge-
nio
den Zügel etwas wollte überlassen, hätte man
hier gewißlich Gelegenheit, die Grillen, Thorheiten
und Boßheiten mancher gelehrten Narren recht
derbe durchzuziehen. Weilen es sich aber zu un-
serer Conversation eben nicht schicket, so enthalte ich
mich dessen billig.
Theogenes. Es ist auch allerdings viel besser die
Wahrheit mit Bescheidenheit und Liebe des Näch-
sten vorzutragen und zu vertheidigen, als mit stach-
lichten Redens-Arten, welche die Jrrenden ehender
mehr verbittern als convinciren und bekehren: ob
sie gleich auslachens-würdig geachtet werden möch-
ten. Eine bescheidene Vorstellung ist eine Tochter
der wahren Liebe: Die Satyra aber hat zwar zur
Mutter die Liebe der Wahrheit, zum Vater aber
den Ehrgeitz. Alldieweilen es aber Zeit ist von denen-
selben mich zu beurlauben: als dancke ihnen aller-
seits das Vergnügen deren angenehmen Conversa-
tion
genossen zu haben. Worauf diese Herren ihr
Gegen-Compliment machten, und sämtlich von
Herrn Modestino ihren Abschied nahmen.
Fünfte


Modeſtin. Unſer Herr Nicander redet etwas zu
veraͤchtlich von unſern Studiis. Es iſt doch billig
ein gebuͤhrender Unterſcheid zu machen zwiſchen dem
was an und vor ſich ſelbſt gut oder boͤß; oder auch
gantz indifferent iſt; wie nicht weniger zwiſchen
einem guten Gebrauch einer Sache und deren
Mißbrauch.
Nicander. Jch bin dem Herrn Modeſtino hierin
nicht entgegen: Wo ich aber dem ſatyriſchen Ge-
nio
den Zuͤgel etwas wollte uͤberlaſſen, haͤtte man
hier gewißlich Gelegenheit, die Grillen, Thorheiten
und Boßheiten mancher gelehrten Narren recht
derbe durchzuziehen. Weilen es ſich aber zu un-
ſerer Converſation eben nicht ſchicket, ſo enthalte ich
mich deſſen billig.
Theogenes. Es iſt auch allerdings viel beſſer die
Wahrheit mit Beſcheidenheit und Liebe des Naͤch-
ſten vorzutragen und zu vertheidigen, als mit ſtach-
lichten Redens-Arten, welche die Jrrenden ehender
mehr verbittern als convinciren und bekehren: ob
ſie gleich auslachens-wuͤrdig geachtet werden moͤch-
ten. Eine beſcheidene Vorſtellung iſt eine Tochter
der wahren Liebe: Die Satyra aber hat zwar zur
Mutter die Liebe der Wahrheit, zum Vater aber
den Ehrgeitz. Alldieweilen es aber Zeit iſt von denen-
ſelben mich zu beurlauben: als dancke ihnen aller-
ſeits das Vergnuͤgen deren angenehmen Converſa-
tion
genoſſen zu haben. Worauf dieſe Herren ihr
Gegen-Compliment machten, und ſaͤmtlich von
Herrn Modeſtino ihren Abſchied nahmen.
Fuͤnfte
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0116" n="110"/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        <sp>
          <speaker> <hi rendition="#aq"> <hi rendition="#i">Mode&#x017F;tin.</hi> </hi> </speaker>
          <p>Un&#x017F;er Herr <hi rendition="#aq">Nicander</hi> redet etwas zu<lb/>
vera&#x0364;chtlich von un&#x017F;ern <hi rendition="#aq">Studiis.</hi> Es i&#x017F;t doch billig<lb/>
ein gebu&#x0364;hrender Unter&#x017F;cheid zu machen zwi&#x017F;chen dem<lb/>
was an und vor &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t gut oder bo&#x0364;ß; oder auch<lb/>
gantz <hi rendition="#aq">indifferent</hi> i&#x017F;t; wie nicht weniger zwi&#x017F;chen<lb/>
einem guten Gebrauch einer Sache und deren<lb/>
Mißbrauch.</p>
        </sp><lb/>
        <sp>
          <speaker> <hi rendition="#aq"> <hi rendition="#i">Nicander.</hi> </hi> </speaker>
          <p>Jch bin dem Herrn <hi rendition="#aq">Mode&#x017F;tino</hi> hierin<lb/>
nicht entgegen: Wo ich aber dem <hi rendition="#aq">&#x017F;atyri</hi>&#x017F;chen <hi rendition="#aq">Ge-<lb/>
nio</hi> den Zu&#x0364;gel etwas wollte u&#x0364;berla&#x017F;&#x017F;en, ha&#x0364;tte man<lb/>
hier gewißlich Gelegenheit, die Grillen, Thorheiten<lb/>
und Boßheiten mancher gelehrten Narren recht<lb/>
derbe durchzuziehen. Weilen es &#x017F;ich aber zu un-<lb/>
&#x017F;erer <hi rendition="#aq">Conver&#x017F;ation</hi> eben nicht &#x017F;chicket, &#x017F;o enthalte ich<lb/>
mich de&#x017F;&#x017F;en billig.</p>
        </sp><lb/>
        <sp>
          <speaker> <hi rendition="#aq"> <hi rendition="#i">Theogenes.</hi> </hi> </speaker>
          <p>Es i&#x017F;t auch allerdings viel be&#x017F;&#x017F;er die<lb/>
Wahrheit mit Be&#x017F;cheidenheit und Liebe des Na&#x0364;ch-<lb/>
&#x017F;ten vorzutragen und zu vertheidigen, als mit &#x017F;tach-<lb/>
lichten Redens-Arten, welche die Jrrenden ehender<lb/>
mehr verbittern als <hi rendition="#aq">convinci</hi>ren und bekehren: ob<lb/>
&#x017F;ie gleich auslachens-wu&#x0364;rdig geachtet werden mo&#x0364;ch-<lb/>
ten. Eine be&#x017F;cheidene Vor&#x017F;tellung i&#x017F;t eine Tochter<lb/>
der wahren Liebe: Die <hi rendition="#aq">Satyra</hi> aber hat zwar zur<lb/>
Mutter die Liebe der Wahrheit, zum Vater aber<lb/>
den Ehrgeitz. Alldieweilen es aber Zeit i&#x017F;t von denen-<lb/>
&#x017F;elben mich zu beurlauben: als dancke ihnen aller-<lb/>
&#x017F;eits das Vergnu&#x0364;gen deren angenehmen <hi rendition="#aq">Conver&#x017F;a-<lb/>
tion</hi> geno&#x017F;&#x017F;en zu haben. Worauf die&#x017F;e Herren ihr<lb/>
Gegen-Compliment machten, und &#x017F;a&#x0364;mtlich von<lb/>
Herrn <hi rendition="#aq">Mode&#x017F;tino</hi> ihren Ab&#x017F;chied nahmen.</p>
        </sp>
      </div><lb/>
      <fw place="bottom" type="catch">Fu&#x0364;nfte</fw><lb/>
    </body>
  </text>
</TEI>
[110/0116] Modeſtin. Unſer Herr Nicander redet etwas zu veraͤchtlich von unſern Studiis. Es iſt doch billig ein gebuͤhrender Unterſcheid zu machen zwiſchen dem was an und vor ſich ſelbſt gut oder boͤß; oder auch gantz indifferent iſt; wie nicht weniger zwiſchen einem guten Gebrauch einer Sache und deren Mißbrauch. Nicander. Jch bin dem Herrn Modeſtino hierin nicht entgegen: Wo ich aber dem ſatyriſchen Ge- nio den Zuͤgel etwas wollte uͤberlaſſen, haͤtte man hier gewißlich Gelegenheit, die Grillen, Thorheiten und Boßheiten mancher gelehrten Narren recht derbe durchzuziehen. Weilen es ſich aber zu un- ſerer Converſation eben nicht ſchicket, ſo enthalte ich mich deſſen billig. Theogenes. Es iſt auch allerdings viel beſſer die Wahrheit mit Beſcheidenheit und Liebe des Naͤch- ſten vorzutragen und zu vertheidigen, als mit ſtach- lichten Redens-Arten, welche die Jrrenden ehender mehr verbittern als convinciren und bekehren: ob ſie gleich auslachens-wuͤrdig geachtet werden moͤch- ten. Eine beſcheidene Vorſtellung iſt eine Tochter der wahren Liebe: Die Satyra aber hat zwar zur Mutter die Liebe der Wahrheit, zum Vater aber den Ehrgeitz. Alldieweilen es aber Zeit iſt von denen- ſelben mich zu beurlauben: als dancke ihnen aller- ſeits das Vergnuͤgen deren angenehmen Converſa- tion genoſſen zu haben. Worauf dieſe Herren ihr Gegen-Compliment machten, und ſaͤmtlich von Herrn Modeſtino ihren Abſchied nahmen. Fuͤnfte

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/modestinus_unterredungen_1737
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/modestinus_unterredungen_1737/116
Zitationshilfe: Modestinus, Theophilus: Freymüthige Doch Bescheidene Unterredungen Von Kirchen- Religions- Politischen- und Natur-Sachen. Frankfurt (Main) u. a., 1737. , S. 110. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/modestinus_unterredungen_1737/116>, abgerufen am 27.11.2024.