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Modestinus, Theophilus: Freymüthige Doch Bescheidene Unterredungen Von Kirchen- Religions- Politischen- und Natur-Sachen. Frankfurt (Main) u. a., 1737.

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Geilheit und Füllerey geneigt sind, von diesen La-
stern, oder der starcken Neigung zu derselben, gar
leicht in eine Trägheit, Unachtsamkeit, Schläffrig-
keit und Unbeständigkeit gerathen; und dahero an
dem Fortgang und Wachsthum im Christenthum,
und an der Erneuerung ihres Sinnes gehindert und
aufgehalten werden. Diejenige hingegen, welche
pro passione Dominante den Ehrgeitz und Herrsch-
sucht haben; wie sie von Natur zur Gewaltthätig-
keit, Zorn, Eigensinn, Unterdrückung des Nächsten
geneigt sind, werden dadurch ebenfals am Reich
GOttes, und in dieses einzudringen öffters sehr ge-
hindert. Und ob diese zwar sehr wachtsam zu seyn
pflegen ihren Zweck im Reich der Natur zu erlan-
gen: so finden sie doch einen starcken Wiederstand
von diesen in ihnen wohnenden Feinden des wah-
ren Christenthums; und kommt sie die gründliche
Verläugnung ihrer selbst sauer und schwer an.
Ja wenn es mit einem HErr HErr sagen gethan
wäre, um in das Reich GOttes einzugehen; und
dem HErrn der Heerschaaren nur mit Worten und
Ceremonien ein Compliment abzustatten: würden
diese dazu überaus geschickt seyn. Aber seinen
Neben-Menschen als einen Bruder zu betrachten,
und ihm als einem Bruder mit Sanfft- und De-
muth zu begegnen; ist ihnen eine schwere und fast
unanständige Lection, und mächtige Hinderniß des
Wachsthums im Christenthum. Vom äusserli-
chen Mund- und Nahm-Christenthum (welches
nur in Bildern, Concepten und in der That nichts
reales bedeutenden Wörter-Kram bestehet,) ist hier
un-


Geilheit und Fuͤllerey geneigt ſind, von dieſen La-
ſtern, oder der ſtarcken Neigung zu derſelben, gar
leicht in eine Traͤgheit, Unachtſamkeit, Schlaͤffrig-
keit und Unbeſtaͤndigkeit gerathen; und dahero an
dem Fortgang und Wachsthum im Chriſtenthum,
und an der Erneuerung ihres Sinnes gehindert und
aufgehalten werden. Diejenige hingegen, welche
pro paſſione Dominante den Ehrgeitz und Herrſch-
ſucht haben; wie ſie von Natur zur Gewaltthaͤtig-
keit, Zorn, Eigenſinn, Unterdruͤckung des Naͤchſten
geneigt ſind, werden dadurch ebenfals am Reich
GOttes, und in dieſes einzudringen oͤffters ſehr ge-
hindert. Und ob dieſe zwar ſehr wachtſam zu ſeyn
pflegen ihren Zweck im Reich der Natur zu erlan-
gen: ſo finden ſie doch einen ſtarcken Wiederſtand
von dieſen in ihnen wohnenden Feinden des wah-
ren Chriſtenthums; und kommt ſie die gruͤndliche
Verlaͤugnung ihrer ſelbſt ſauer und ſchwer an.
Ja wenn es mit einem HErr HErr ſagen gethan
waͤre, um in das Reich GOttes einzugehen; und
dem HErrn der Heerſchaaren nur mit Worten und
Ceremonien ein Compliment abzuſtatten: wuͤrden
dieſe dazu uͤberaus geſchickt ſeyn. Aber ſeinen
Neben-Menſchen als einen Bruder zu betrachten,
und ihm als einem Bruder mit Sanfft- und De-
muth zu begegnen; iſt ihnen eine ſchwere und faſt
unanſtaͤndige Lection, und maͤchtige Hinderniß des
Wachsthums im Chriſtenthum. Vom aͤuſſerli-
chen Mund- und Nahm-Chriſtenthum (welches
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[96/0102] Geilheit und Fuͤllerey geneigt ſind, von dieſen La- ſtern, oder der ſtarcken Neigung zu derſelben, gar leicht in eine Traͤgheit, Unachtſamkeit, Schlaͤffrig- keit und Unbeſtaͤndigkeit gerathen; und dahero an dem Fortgang und Wachsthum im Chriſtenthum, und an der Erneuerung ihres Sinnes gehindert und aufgehalten werden. Diejenige hingegen, welche pro paſſione Dominante den Ehrgeitz und Herrſch- ſucht haben; wie ſie von Natur zur Gewaltthaͤtig- keit, Zorn, Eigenſinn, Unterdruͤckung des Naͤchſten geneigt ſind, werden dadurch ebenfals am Reich GOttes, und in dieſes einzudringen oͤffters ſehr ge- hindert. Und ob dieſe zwar ſehr wachtſam zu ſeyn pflegen ihren Zweck im Reich der Natur zu erlan- gen: ſo finden ſie doch einen ſtarcken Wiederſtand von dieſen in ihnen wohnenden Feinden des wah- ren Chriſtenthums; und kommt ſie die gruͤndliche Verlaͤugnung ihrer ſelbſt ſauer und ſchwer an. Ja wenn es mit einem HErr HErr ſagen gethan waͤre, um in das Reich GOttes einzugehen; und dem HErrn der Heerſchaaren nur mit Worten und Ceremonien ein Compliment abzuſtatten: wuͤrden dieſe dazu uͤberaus geſchickt ſeyn. Aber ſeinen Neben-Menſchen als einen Bruder zu betrachten, und ihm als einem Bruder mit Sanfft- und De- muth zu begegnen; iſt ihnen eine ſchwere und faſt unanſtaͤndige Lection, und maͤchtige Hinderniß des Wachsthums im Chriſtenthum. Vom aͤuſſerli- chen Mund- und Nahm-Chriſtenthum (welches nur in Bildern, Concepten und in der That nichts reales bedeutenden Woͤrter-Kram beſtehet,) iſt hier un-

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Zitationshilfe: Modestinus, Theophilus: Freymüthige Doch Bescheidene Unterredungen Von Kirchen- Religions- Politischen- und Natur-Sachen. Frankfurt (Main) u. a., 1737. , S. 96. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/modestinus_unterredungen_1737/102>, abgerufen am 27.11.2024.