Jhm geraubte Verlobte, Lavinia; oder die Feindfchaft Vom Neptunus, oder der Juno, die über den Griechen, Und der Cythere Sohn so langes Unglück gebracht hat. Wenn nur meinen Gesang durch wahren erhabenen Ausdruck 20Meine himmlische Gönnerinn hebt; sie, welche mich würdigt, Mich von selbst zu besuchen des Nachts; und die mir im Schlummer Meine Gedanken begeistert, und, ohne daß ich drauf sinne, Selbst den fließenden Vers in meiner Entzückung mir vorsagt, Seitdem, da mir zuerst zu einem heroischen Liede 25Diese Geschichte gefiel, nachdem ich lange gewählet, Und spät anhub; indem von Natur mein Geist nicht geneigt ist, Blutige Schlachten und Kriege zu singen, den einzigen Stoff nur, Den man bisher für heroisch erklärt; wenn etwan sich künstlich Mit verdrüßlichen langen Gefechten die Ritter der Fabel 30Jn erdichteten Schlachten zerfetzten; indessen man Tugend, Jene höhere Stärke der edlern Geduld, und die Thaten Tapfrer Märtyrer nicht befang, und vorzog, Turniere Zu beschreiben, und Ritterspiel', und Rüstungen, schimmernd Von geschlagenem Gold; und blasonnierete Schilde, 35Prahlende Wappen und Pferdedecken, und prangende Rosse Und von Golddrath gewirkte Schabracken und prächtige Ritter, Die mit Lanzen und Schwerdt in offener Rennbahn sich zeigten; Dann ein prächtiges Mahl im Rittersaale gehalten, Wo sie Marschall und Truchseß, und Seneschallen bedienten. 40Dinge von schlechter Kunst, und weniger Würde, die niemals Weder dem Manne, noch auch dem Gedicht, den Namen heroisch
Mit-
Das verlohrne Paradies.
Jhm geraubte Verlobte, Lavinia; oder die Feindfchaft Vom Neptunus, oder der Juno, die uͤber den Griechen, Und der Cythere Sohn ſo langes Ungluͤck gebracht hat. Wenn nur meinen Geſang durch wahren erhabenen Ausdruck 20Meine himmliſche Goͤnnerinn hebt; ſie, welche mich wuͤrdigt, Mich von ſelbſt zu beſuchen des Nachts; und die mir im Schlummer Meine Gedanken begeiſtert, und, ohne daß ich drauf ſinne, Selbſt den fließenden Vers in meiner Entzuͤckung mir vorſagt, Seitdem, da mir zuerſt zu einem heroiſchen Liede 25Dieſe Geſchichte gefiel, nachdem ich lange gewaͤhlet, Und ſpaͤt anhub; indem von Natur mein Geiſt nicht geneigt iſt, Blutige Schlachten und Kriege zu ſingen, den einzigen Stoff nur, Den man bisher fuͤr heroiſch erklaͤrt; wenn etwan ſich kuͤnſtlich Mit verdruͤßlichen langen Gefechten die Ritter der Fabel 30Jn erdichteten Schlachten zerfetzten; indeſſen man Tugend, Jene hoͤhere Staͤrke der edlern Geduld, und die Thaten Tapfrer Maͤrtyrer nicht befang, und vorzog, Turniere Zu beſchreiben, und Ritterſpiel’, und Ruͤſtungen, ſchimmernd Von geſchlagenem Gold; und blaſonnierete Schilde, 35Prahlende Wappen und Pferdedecken, und prangende Roſſe Und von Golddrath gewirkte Schabracken und praͤchtige Ritter, Die mit Lanzen und Schwerdt in offener Rennbahn ſich zeigten; Dann ein praͤchtiges Mahl im Ritterſaale gehalten, Wo ſie Marſchall und Truchſeß, und Seneſchallen bedienten. 40Dinge von ſchlechter Kunſt, und weniger Wuͤrde, die niemals Weder dem Manne, noch auch dem Gedicht, den Namen heroiſch
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Das verlohrne Paradies.
Jhm geraubte Verlobte, Lavinia; oder die Feindfchaft
Vom Neptunus, oder der Juno, die uͤber den Griechen,
Und der Cythere Sohn ſo langes Ungluͤck gebracht hat.
Wenn nur meinen Geſang durch wahren erhabenen Ausdruck
Meine himmliſche Goͤnnerinn hebt; ſie, welche mich wuͤrdigt,
Mich von ſelbſt zu beſuchen des Nachts; und die mir im Schlummer
Meine Gedanken begeiſtert, und, ohne daß ich drauf ſinne,
Selbſt den fließenden Vers in meiner Entzuͤckung mir vorſagt,
Seitdem, da mir zuerſt zu einem heroiſchen Liede
Dieſe Geſchichte gefiel, nachdem ich lange gewaͤhlet,
Und ſpaͤt anhub; indem von Natur mein Geiſt nicht geneigt iſt,
Blutige Schlachten und Kriege zu ſingen, den einzigen Stoff nur,
Den man bisher fuͤr heroiſch erklaͤrt; wenn etwan ſich kuͤnſtlich
Mit verdruͤßlichen langen Gefechten die Ritter der Fabel
Jn erdichteten Schlachten zerfetzten; indeſſen man Tugend,
Jene hoͤhere Staͤrke der edlern Geduld, und die Thaten
Tapfrer Maͤrtyrer nicht befang, und vorzog, Turniere
Zu beſchreiben, und Ritterſpiel’, und Ruͤſtungen, ſchimmernd
Von geſchlagenem Gold; und blaſonnierete Schilde,
Prahlende Wappen und Pferdedecken, und prangende Roſſe
Und von Golddrath gewirkte Schabracken und praͤchtige Ritter,
Die mit Lanzen und Schwerdt in offener Rennbahn ſich zeigten;
Dann ein praͤchtiges Mahl im Ritterſaale gehalten,
Wo ſie Marſchall und Truchſeß, und Seneſchallen bedienten.
Dinge von ſchlechter Kunſt, und weniger Wuͤrde, die niemals
Weder dem Manne, noch auch dem Gedicht, den Namen heroiſch
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Milton, John: Das Verlohrne Paradies. Bd. 2. Übers. v. Justus Friedrich Wilhelm Zachariae Altona, 1763, S. 68. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/milton_paradies02_1763/88>, abgerufen am 26.07.2024.
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