Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Milton, John: Das Verlohrne Paradies. Bd. 2. Übers. v. Justus Friedrich Wilhelm Zachariae Altona, 1763.

Bild:
<< vorherige Seite

Siebenter Gesang.

Von der Jahrszeit gelehret, die Luft, und setzen vereinet
Ueber Länder und Meere, mit oft abwechselnden Schwingen,
Jhre luftige Wanderung fort, indem sie im Flug sich
Unter einander erleichtern. So hält der erfahrene Kranich
415Seine jährliche Reise, vom Winde getragen; so wie sie

Fliegen, zerfließt die Luft, die von unzähligen Flügeln
Aufgefacht wird. Jm Singen hüpften die kleineren Vögel
Fröhlich von Zweig zu Zweig. Die Thäler erschallten von Liedern
Und sie flogen umher auf ihren farbichten Schwingen,
420Bis zum Anbruch des Abends. Auch dann noch schweiget der Nächte

Feyrliche Sängerinn nicht; die ganze horchende Nacht durch
Wirbelt sie ihr bezauberndes Lied. Jn silbernen Seen
Baden andre die weiche Brust. Der prächtige Schwan hält
Mit gewölbtem Hals [Spaltenumbruch] ee), und aufgeschwollenen Flügeln,
425Und mit rudernden Füßen, die stolze Schiffahrt. Oft steigt er

Von dem schilfichten See auf seinem mächtigen Fittig
Jn die mittlere Luft empor. Die anderen giengen
Auf dem festen Boden einher. Mit heller Trompete
Meldet der Hahn, mit dem Kamme gekrönt, die schweigenden Stunden.
430Und ein andrer stolziert mit seinem stralenden Schweife,

Welcher mit Farben des Regenbogens, und sternenden Augen
Ausgeschmückt ist. Nachdem das Wasser mit Schaaren von Fischen,
Und die Luft mit Vögeln erfüllt war, da feyrte der Abend,
Und der Morgen, den fünften Tag, in heiligen Hymnen.

Jtzt
ee) Dieses Beywort vom Halfe des
Schwans ist viel mahlerischer, als des
[Spaltenumbruch] Homers seines, der ihn nur bloß lang-
halsicht nennt. Richardson.

Siebenter Geſang.

Von der Jahrszeit gelehret, die Luft, und ſetzen vereinet
Ueber Laͤnder und Meere, mit oft abwechſelnden Schwingen,
Jhre luftige Wanderung fort, indem ſie im Flug ſich
Unter einander erleichtern. So haͤlt der erfahrene Kranich
415Seine jaͤhrliche Reiſe, vom Winde getragen; ſo wie ſie

Fliegen, zerfließt die Luft, die von unzaͤhligen Fluͤgeln
Aufgefacht wird. Jm Singen huͤpften die kleineren Voͤgel
Froͤhlich von Zweig zu Zweig. Die Thaͤler erſchallten von Liedern
Und ſie flogen umher auf ihren farbichten Schwingen,
420Bis zum Anbruch des Abends. Auch dann noch ſchweiget der Naͤchte

Feyrliche Saͤngerinn nicht; die ganze horchende Nacht durch
Wirbelt ſie ihr bezauberndes Lied. Jn ſilbernen Seen
Baden andre die weiche Bruſt. Der praͤchtige Schwan haͤlt
Mit gewoͤlbtem Hals [Spaltenumbruch] ee), und aufgeſchwollenen Fluͤgeln,
425Und mit rudernden Fuͤßen, die ſtolze Schiffahrt. Oft ſteigt er

Von dem ſchilfichten See auf ſeinem maͤchtigen Fittig
Jn die mittlere Luft empor. Die anderen giengen
Auf dem feſten Boden einher. Mit heller Trompete
Meldet der Hahn, mit dem Kamme gekroͤnt, die ſchweigenden Stunden.
430Und ein andrer ſtolziert mit ſeinem ſtralenden Schweife,

Welcher mit Farben des Regenbogens, und ſternenden Augen
Ausgeſchmuͤckt iſt. Nachdem das Waſſer mit Schaaren von Fiſchen,
Und die Luft mit Voͤgeln erfuͤllt war, da feyrte der Abend,
Und der Morgen, den fuͤnften Tag, in heiligen Hymnen.

Jtzt
ee) Dieſes Beywort vom Halfe des
Schwans iſt viel mahleriſcher, als des
[Spaltenumbruch] Homers ſeines, der ihn nur bloß lang-
halſicht nennt. Richardſon.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <lg type="poem">
          <lg n="16">
            <l>
              <pb facs="#f0039" n="23"/>
              <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Siebenter Ge&#x017F;ang.</hi> </fw>
            </l><lb/>
            <l>Von der Jahrszeit gelehret, die Luft, und &#x017F;etzen vereinet</l><lb/>
            <l>Ueber La&#x0364;nder und Meere, mit oft abwech&#x017F;elnden Schwingen,</l><lb/>
            <l>Jhre luftige Wanderung fort, indem &#x017F;ie im Flug &#x017F;ich</l><lb/>
            <l>Unter einander erleichtern. So ha&#x0364;lt der erfahrene Kranich<lb/><note place="left">415</note>Seine ja&#x0364;hrliche Rei&#x017F;e, vom Winde getragen; &#x017F;o wie &#x017F;ie</l><lb/>
            <l>Fliegen, zerfließt die Luft, die von unza&#x0364;hligen Flu&#x0364;geln</l><lb/>
            <l>Aufgefacht wird. Jm Singen hu&#x0364;pften die kleineren Vo&#x0364;gel</l><lb/>
            <l>Fro&#x0364;hlich von Zweig zu Zweig. Die Tha&#x0364;ler er&#x017F;challten von Liedern</l><lb/>
            <l>Und &#x017F;ie flogen umher auf ihren farbichten Schwingen,<lb/><note place="left">420</note>Bis zum Anbruch des Abends. Auch dann noch &#x017F;chweiget der Na&#x0364;chte</l><lb/>
            <l>Feyrliche Sa&#x0364;ngerinn nicht; die ganze horchende Nacht durch</l><lb/>
            <l>Wirbelt &#x017F;ie ihr bezauberndes Lied. Jn &#x017F;ilbernen Seen</l><lb/>
            <l>Baden andre die weiche Bru&#x017F;t. Der pra&#x0364;chtige Schwan ha&#x0364;lt</l><lb/>
            <l>Mit gewo&#x0364;lbtem Hals <cb/>
<note place="foot" n="ee)">Die&#x017F;es Beywort vom Halfe des<lb/>
Schwans i&#x017F;t viel mahleri&#x017F;cher, als des<lb/><cb/>
Homers &#x017F;eines, der ihn nur bloß lang-<lb/>
hal&#x017F;icht nennt. <hi rendition="#fr">Richard&#x017F;on.</hi></note>, und aufge&#x017F;chwollenen Flu&#x0364;geln,<lb/><note place="left">425</note>Und mit rudernden Fu&#x0364;ßen, die &#x017F;tolze Schiffahrt. Oft &#x017F;teigt er</l><lb/>
            <l>Von dem &#x017F;chilfichten See auf &#x017F;einem ma&#x0364;chtigen Fittig</l><lb/>
            <l>Jn die mittlere Luft empor. Die anderen giengen</l><lb/>
            <l>Auf dem fe&#x017F;ten Boden einher. Mit heller Trompete</l><lb/>
            <l>Meldet der Hahn, mit dem Kamme gekro&#x0364;nt, die &#x017F;chweigenden Stunden.<lb/><note place="left">430</note>Und ein andrer &#x017F;tolziert mit &#x017F;einem &#x017F;tralenden Schweife,</l><lb/>
            <l>Welcher mit Farben des Regenbogens, und &#x017F;ternenden Augen</l><lb/>
            <l>Ausge&#x017F;chmu&#x0364;ckt i&#x017F;t. Nachdem das Wa&#x017F;&#x017F;er mit Schaaren von Fi&#x017F;chen,</l><lb/>
            <l>Und die Luft mit Vo&#x0364;geln erfu&#x0364;llt war, da feyrte der Abend,</l><lb/>
            <l>Und der Morgen, den fu&#x0364;nften Tag, in heiligen Hymnen.<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">Jtzt</fw><lb/></l>
          </lg>
        </lg>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[23/0039] Siebenter Geſang. Von der Jahrszeit gelehret, die Luft, und ſetzen vereinet Ueber Laͤnder und Meere, mit oft abwechſelnden Schwingen, Jhre luftige Wanderung fort, indem ſie im Flug ſich Unter einander erleichtern. So haͤlt der erfahrene Kranich Seine jaͤhrliche Reiſe, vom Winde getragen; ſo wie ſie Fliegen, zerfließt die Luft, die von unzaͤhligen Fluͤgeln Aufgefacht wird. Jm Singen huͤpften die kleineren Voͤgel Froͤhlich von Zweig zu Zweig. Die Thaͤler erſchallten von Liedern Und ſie flogen umher auf ihren farbichten Schwingen, Bis zum Anbruch des Abends. Auch dann noch ſchweiget der Naͤchte Feyrliche Saͤngerinn nicht; die ganze horchende Nacht durch Wirbelt ſie ihr bezauberndes Lied. Jn ſilbernen Seen Baden andre die weiche Bruſt. Der praͤchtige Schwan haͤlt Mit gewoͤlbtem Hals ee), und aufgeſchwollenen Fluͤgeln, Und mit rudernden Fuͤßen, die ſtolze Schiffahrt. Oft ſteigt er Von dem ſchilfichten See auf ſeinem maͤchtigen Fittig Jn die mittlere Luft empor. Die anderen giengen Auf dem feſten Boden einher. Mit heller Trompete Meldet der Hahn, mit dem Kamme gekroͤnt, die ſchweigenden Stunden. Und ein andrer ſtolziert mit ſeinem ſtralenden Schweife, Welcher mit Farben des Regenbogens, und ſternenden Augen Ausgeſchmuͤckt iſt. Nachdem das Waſſer mit Schaaren von Fiſchen, Und die Luft mit Voͤgeln erfuͤllt war, da feyrte der Abend, Und der Morgen, den fuͤnften Tag, in heiligen Hymnen. Jtzt ee) Dieſes Beywort vom Halfe des Schwans iſt viel mahleriſcher, als des Homers ſeines, der ihn nur bloß lang- halſicht nennt. Richardſon.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/milton_paradies02_1763
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/milton_paradies02_1763/39
Zitationshilfe: Milton, John: Das Verlohrne Paradies. Bd. 2. Übers. v. Justus Friedrich Wilhelm Zachariae Altona, 1763, S. 23. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/milton_paradies02_1763/39>, abgerufen am 21.11.2024.