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Milton, John: Das Verlohrne Paradies. Bd. 2. Übers. v. Justus Friedrich Wilhelm Zachariae Altona, 1763.

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Das verlohrne Paradies.

Aller Alter gemessen, daß nun befestigt die Zeit steht!
Weiter hinaus ists Abgrund, Nacht und Ewigkeit; niemand
Sieht ihr Ende! Nun kann ich belehrt, mit ruhigem Herzen
585Scheiden von hier; ich habe nunmehr die Fülle der Kenntniß,

Welche dieses Gefäß zu fassen fähig ist. Thorheit
War es, daß ich so sehr nach einer größeren strebte!
Künftig weiß ich, die Weisheit besteh in wahrem Gehorsam,
Gott zu lieben mit Furcht; stets so zu wandeln, als wär er
590Uns beständig zugegen; auf seine Vorsicht zu trauen,

Und allein an ihn sich zu halten. Wie gnädig erhält er
Alles, was er erschuf! beständig besiegt er das Böse
Durch das Gute; vollzieht erhabene Dinge durch kleine;
Stürzt durch Dinge, die schwach und geringe den Augen erscheinen,
595Weltliche Stärke danieder; und stolze weltliche Weisen

Durch sanftmüthige Fromme. Der Wahrheit wegen zu leiden,
Dieß ist Tapferkeit! Sie erhöht zum herrlichsten Siege,
Und der Tod ist die Pforte des Lebens für seine Gerechten.
Alles dieses bin ich durch dessen Exempel gelehret,
600Den ich allein für mein Heil, für meinen Erlöser erkenne.

Jhm erwiedert nun auch zum letztenmale der Engel:
Hast du dieses gelernt, so hast du, o Adam, den Gipfel
Aller Erkenntniß erreicht! Du kannst nichts höheres hoffen;
Wenn du auch alle Gestirne bey ihren Namen erkenntest,
605Wenn du alle ätherischen Kräfte, mit ihnen der Tiefe

Dunkle Geheimnisse wüßtest, und alle Werke des Schöpfers
Jn

Das verlohrne Paradies.

Aller Alter gemeſſen, daß nun befeſtigt die Zeit ſteht!
Weiter hinaus iſts Abgrund, Nacht und Ewigkeit; niemand
Sieht ihr Ende! Nun kann ich belehrt, mit ruhigem Herzen
585Scheiden von hier; ich habe nunmehr die Fuͤlle der Kenntniß,

Welche dieſes Gefaͤß zu faſſen faͤhig iſt. Thorheit
War es, daß ich ſo ſehr nach einer groͤßeren ſtrebte!
Kuͤnftig weiß ich, die Weisheit beſteh in wahrem Gehorſam,
Gott zu lieben mit Furcht; ſtets ſo zu wandeln, als waͤr er
590Uns beſtaͤndig zugegen; auf ſeine Vorſicht zu trauen,

Und allein an ihn ſich zu halten. Wie gnaͤdig erhaͤlt er
Alles, was er erſchuf! beſtaͤndig beſiegt er das Boͤſe
Durch das Gute; vollzieht erhabene Dinge durch kleine;
Stuͤrzt durch Dinge, die ſchwach und geringe den Augen erſcheinen,
595Weltliche Staͤrke danieder; und ſtolze weltliche Weiſen

Durch ſanftmuͤthige Fromme. Der Wahrheit wegen zu leiden,
Dieß iſt Tapferkeit! Sie erhoͤht zum herrlichſten Siege,
Und der Tod iſt die Pforte des Lebens fuͤr ſeine Gerechten.
Alles dieſes bin ich durch deſſen Exempel gelehret,
600Den ich allein fuͤr mein Heil, fuͤr meinen Erloͤſer erkenne.

Jhm erwiedert nun auch zum letztenmale der Engel:
Haſt du dieſes gelernt, ſo haſt du, o Adam, den Gipfel
Aller Erkenntniß erreicht! Du kannſt nichts hoͤheres hoffen;
Wenn du auch alle Geſtirne bey ihren Namen erkennteſt,
605Wenn du alle aͤtheriſchen Kraͤfte, mit ihnen der Tiefe

Dunkle Geheimniſſe wuͤßteſt, und alle Werke des Schoͤpfers
Jn
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[244/0270] Das verlohrne Paradies. Aller Alter gemeſſen, daß nun befeſtigt die Zeit ſteht! Weiter hinaus iſts Abgrund, Nacht und Ewigkeit; niemand Sieht ihr Ende! Nun kann ich belehrt, mit ruhigem Herzen Scheiden von hier; ich habe nunmehr die Fuͤlle der Kenntniß, Welche dieſes Gefaͤß zu faſſen faͤhig iſt. Thorheit War es, daß ich ſo ſehr nach einer groͤßeren ſtrebte! Kuͤnftig weiß ich, die Weisheit beſteh in wahrem Gehorſam, Gott zu lieben mit Furcht; ſtets ſo zu wandeln, als waͤr er Uns beſtaͤndig zugegen; auf ſeine Vorſicht zu trauen, Und allein an ihn ſich zu halten. Wie gnaͤdig erhaͤlt er Alles, was er erſchuf! beſtaͤndig beſiegt er das Boͤſe Durch das Gute; vollzieht erhabene Dinge durch kleine; Stuͤrzt durch Dinge, die ſchwach und geringe den Augen erſcheinen, Weltliche Staͤrke danieder; und ſtolze weltliche Weiſen Durch ſanftmuͤthige Fromme. Der Wahrheit wegen zu leiden, Dieß iſt Tapferkeit! Sie erhoͤht zum herrlichſten Siege, Und der Tod iſt die Pforte des Lebens fuͤr ſeine Gerechten. Alles dieſes bin ich durch deſſen Exempel gelehret, Den ich allein fuͤr mein Heil, fuͤr meinen Erloͤſer erkenne. Jhm erwiedert nun auch zum letztenmale der Engel: Haſt du dieſes gelernt, ſo haſt du, o Adam, den Gipfel Aller Erkenntniß erreicht! Du kannſt nichts hoͤheres hoffen; Wenn du auch alle Geſtirne bey ihren Namen erkennteſt, Wenn du alle aͤtheriſchen Kraͤfte, mit ihnen der Tiefe Dunkle Geheimniſſe wuͤßteſt, und alle Werke des Schoͤpfers Jn

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Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




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Zitationshilfe: Milton, John: Das Verlohrne Paradies. Bd. 2. Übers. v. Justus Friedrich Wilhelm Zachariae Altona, 1763, S. 244. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/milton_paradies02_1763/270>, abgerufen am 26.11.2024.