Milton, John: Das Verlohrne Paradies. Bd. 2. Übers. v. Justus Friedrich Wilhelm Zachariae Altona, 1763.
Michael schwieg, denn Adam wär' itzt, von Freuden belastet, So in Thränen zerflossen, als wenn sie der Kummer erzeuget, Hätt' er den stockenden Athem nicht so in Worten verhauchet. O Prophet von glücklicher Zeitung, du, der du die Wünsche Meiner höhesten Hoffnung erfüllst; wie deutlich versteh ich, 400Was oft meine kühnsten Gedanken vergebens gesuchet, Nämlich warum der große Meßias, der Saamen des Weibes Sollte genennet werden. O Heil dir, o Jungfrau Mutter, Sey mir gegrüßt! so hoch in der Liebe des Himmels erhaben! Und doch sollst du dereinst aus meinen Lenden entspringen, 405Und aus deinem Schooße der Sohn des Höchsten! So wird Gott Mit dem Menschen vereint. Nothwendig muß itzo die Schlange Die Zerquetschung des Haupts mit tödtlichen Schmerzen erwarten. Sage,
Michael ſchwieg, denn Adam waͤr’ itzt, von Freuden belaſtet, So in Thraͤnen zerfloſſen, als wenn ſie der Kummer erzeuget, Haͤtt’ er den ſtockenden Athem nicht ſo in Worten verhauchet. O Prophet von gluͤcklicher Zeitung, du, der du die Wuͤnſche Meiner hoͤheſten Hoffnung erfuͤllſt; wie deutlich verſteh ich, 400Was oft meine kuͤhnſten Gedanken vergebens geſuchet, Naͤmlich warum der große Meßias, der Saamen des Weibes Sollte genennet werden. O Heil dir, o Jungfrau Mutter, Sey mir gegruͤßt! ſo hoch in der Liebe des Himmels erhaben! Und doch ſollſt du dereinſt aus meinen Lenden entſpringen, 405Und aus deinem Schooße der Sohn des Hoͤchſten! So wird Gott Mit dem Menſchen vereint. Nothwendig muß itzo die Schlange Die Zerquetſchung des Haupts mit toͤdtlichen Schmerzen erwarten. Sage,
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Das verlohrne Paradies.
Aber verkuͤndigt ein Stern, der vor nie am Himmel erſchienen,
Fuͤhrt die Weiſen vom Aufgang her zu ſeinem Geburthsort,
Wo ſie Weihrauch und Gold und Spezereyen ihm opfern.
Seinen Geburtsort ſagt ein feſtlicher Engel den Hirten
Auf dem Felde bey Nacht. Sie eilen mit heiligen Freuden
Zu dem Ort, und hoͤren daſelbſt die Choͤre der Engel
Seine Geburth beſingen. Die Mutter iſt eine Jungfrau,
Aber ſein Ahnherr die Kraft des Allerhoͤchſten. So wird er
Seinen Erbthron beſteigen; ſein Reich mit den Enden der Erde,
Seiner Herrlichkeit Ruhm mit dem Umfang des Himmels begraͤnzen.
Michael ſchwieg, denn Adam waͤr’ itzt, von Freuden belaſtet,
So in Thraͤnen zerfloſſen, als wenn ſie der Kummer erzeuget,
Haͤtt’ er den ſtockenden Athem nicht ſo in Worten verhauchet.
O Prophet von gluͤcklicher Zeitung, du, der du die Wuͤnſche
Meiner hoͤheſten Hoffnung erfuͤllſt; wie deutlich verſteh ich,
Was oft meine kuͤhnſten Gedanken vergebens geſuchet,
Naͤmlich warum der große Meßias, der Saamen des Weibes
Sollte genennet werden. O Heil dir, o Jungfrau Mutter,
Sey mir gegruͤßt! ſo hoch in der Liebe des Himmels erhaben!
Und doch ſollſt du dereinſt aus meinen Lenden entſpringen,
Und aus deinem Schooße der Sohn des Hoͤchſten! So wird Gott
Mit dem Menſchen vereint. Nothwendig muß itzo die Schlange
Die Zerquetſchung des Haupts mit toͤdtlichen Schmerzen erwarten.
Sage,
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