Milton, John: Das Verlohrne Paradies. Bd. 2. Übers. v. Justus Friedrich Wilhelm Zachariae Altona, 1763.
O unglücklich vorhergesehne Gesichte! Beglückter Hätt' ich gelebt, wofern ich nie die Zukunft geschauet! So hätt ich allein mein Theil von Unglück getragen, 810Und genug zu tragen gehabt mit jeglichem Tage! Jtzo fallen die Bürden von diesen künftigen Zeiten Schwer auf mich; sie alle zugleich auf mich nur alleine; Kommen, dieweil ich vorher sie weiß, vorher noch als unreif Zur Geburth, und quälen mich schon vorm wirklichen Daseyn Mit II. Theil. D d
O ungluͤcklich vorhergeſehne Geſichte! Begluͤckter Haͤtt’ ich gelebt, wofern ich nie die Zukunft geſchauet! So haͤtt ich allein mein Theil von Ungluͤck getragen, 810Und genug zu tragen gehabt mit jeglichem Tage! Jtzo fallen die Buͤrden von dieſen kuͤnftigen Zeiten Schwer auf mich; ſie alle zugleich auf mich nur alleine; Kommen, dieweil ich vorher ſie weiß, vorher noch als unreif Zur Geburth, und quaͤlen mich ſchon vorm wirklichen Daſeyn Mit II. Theil. D d
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Eilfter Geſang.
Aller Sterblichen Wohnungen waren mit Wellen bedecket,
Und mit ihrer Pracht tief unter dem Waſſer verſenket.
Meer bedeckte das Meer; Meer, ohne Geſtade. Pallaͤſte,
Wo unlaͤngſt die Wolluft geherrſcht, bewohneten itzo
Ungeheuer des Meers, und warfen Junge darinnen.
Was vom Menſchengeſchlecht, das erſt ſo zahlreich geweſen,
Uebrig geblieben, das ſchwamm auf Einem Schiffe verſammelt,
Ueber dem Abgrund. Wie haͤrmteſt du dich, ungluͤcklicher Adam,
Da du das Ende, das Ende voll Schrecken, von deinem Geſchlechte,
Dieſe Vertilgung ſahſt! Auch dich erſaͤufte beym Anblick
Eine maͤchtige Fluth von Thraͤnen und Klagen, und ſtuͤrzte
So wie deine Soͤhne dich nieder, bis daß du vom Engel
Freundlich erhoben, und wieder auf deine Fuͤße gerichtet,
Standſt, doch ohne Troſt; ſo wie ein jammernder Vater,
Welcher auf einmal ſein ganzes Geſchlecht vor ſeinem Geſichte
Umgebracht ſieht. Du klagteſt muͤhſam alſo zum Engel:
O ungluͤcklich vorhergeſehne Geſichte! Begluͤckter
Haͤtt’ ich gelebt, wofern ich nie die Zukunft geſchauet!
So haͤtt ich allein mein Theil von Ungluͤck getragen,
Und genug zu tragen gehabt mit jeglichem Tage!
Jtzo fallen die Buͤrden von dieſen kuͤnftigen Zeiten
Schwer auf mich; ſie alle zugleich auf mich nur alleine;
Kommen, dieweil ich vorher ſie weiß, vorher noch als unreif
Zur Geburth, und quaͤlen mich ſchon vorm wirklichen Daſeyn
Mit
II. Theil. D d
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