Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Milton, John: Das Verlohrne Paradies. Bd. 2. Übers. v. Justus Friedrich Wilhelm Zachariae Altona, 1763.

Bild:
<< vorherige Seite

Eilfter Gesang.

Oder des Ewigen Fußtritt erkennen? Denn ob ich vor ihm gleich
350Floh, da ich zornig ihn sah; doch, da er zu längeren Tagen

Mich zurückegerufen, und künftig mir Saamen verheißen;
So seh ich mit Freuden itzt selbst die äußersten Säume
Seines Glanzes, und bethe von fern an, wo er gewandelt.

Michael gab mit gütigem Blick ihm also zur Antwort:
355Adam, du weißt es, der Himmel ist sein, sein ist auch die Erde,

Und nicht dieser Hügel nur bloß; allgegenwärtig
Füllet er Land und See und Luft, und alles, was lebet [Spaltenumbruch] n),
Wel-
n) Der berühmte Pope hat diesen Ge-
danken mit großer Stärke weiter ausge-
führt Essay on Man I. 259 etc.
All are but parts of one stupendous
whole,
Whose body Nature is, and God the
soul;
That, chang'd thro' all, and yet in all
the same
Great in the earth, as in th' ethereal
frame,
Warms in the sun, refreshes in the
breeze,
Glows in the stars, and blossoms in
the trees,
Lives thro' all life, extends thro' all
extent,
Spreads undivided, operates unspent,
Breathes in our soul, informs our
mortal part,
As full, as perfect in a hair, as heart,
As full, as perfect in vile man that
mourns,
As the rapt Seraph that adores and
burns;
To him, no high, no low, no great,
no small;
[Spaltenumbruch] He fills, he bounds, connects, and
equals all.

So sind denn alle Dinge Theile bloß
Von Einem unermeßlich großen
Ganzen,
Der Leib ist die Natur, die Seele
Gott.
Verändert stets, und stets in allem
eins,
Groß in der Erd', und im ätherschen
Bau,
Wärmt sie in Sonnen, und erfrischt
im West;
Glüht in den Sternen, und blüht in
dem Baum.
Sie lebt durch alle Leben voller Kraft;
Durch alles ausgedehnte dehnt sie sich,
Und theilt sich, unzertheilbar, allen mit.
Sie schenket, ohne zu verschwenden,
reich;
Sie athmet in den Seelen, und belebt
Was in uns sterblich ist; ist eben so
Vollkommen und so groß in einem
Haar,
Als einem Herzen; eben so vollkommen
Jn dem unwürdgen Menschen, welcher
traurt,
Als
A a 3

Eilfter Geſang.

Oder des Ewigen Fußtritt erkennen? Denn ob ich vor ihm gleich
350Floh, da ich zornig ihn ſah; doch, da er zu laͤngeren Tagen

Mich zuruͤckegerufen, und kuͤnftig mir Saamen verheißen;
So ſeh ich mit Freuden itzt ſelbſt die aͤußerſten Saͤume
Seines Glanzes, und bethe von fern an, wo er gewandelt.

Michael gab mit guͤtigem Blick ihm alſo zur Antwort:
355Adam, du weißt es, der Himmel iſt ſein, ſein iſt auch die Erde,

Und nicht dieſer Huͤgel nur bloß; allgegenwaͤrtig
Fuͤllet er Land und See und Luft, und alles, was lebet [Spaltenumbruch] n),
Wel-
n) Der beruͤhmte Pope hat dieſen Ge-
danken mit großer Staͤrke weiter ausge-
fuͤhrt Eſſay on Man I. 259 ꝛc.
All are but parts of one ſtupendous
whole,
Whoſe body Nature is, and God the
ſoul;
That, chang’d thro’ all, and yet in all
the ſame
Great in the earth, as in th’ ethereal
frame,
Warms in the ſun, refreshes in the
breeze,
Glows in the ſtars, and bloſſoms in
the trees,
Lives thro’ all life, extends thro’ all
extent,
Spreads undivided, operates unſpent,
Breathes in our ſoul, informs our
mortal part,
As full, as perfect in a hair, as heart,
As full, as perfect in vile man that
mourns,
As the rapt Seraph that adores and
burns;
To him, no high, no low, no great,
no ſmall;
[Spaltenumbruch] He fills, he bounds, connects, and
equals all.

So ſind denn alle Dinge Theile bloß
Von Einem unermeßlich großen
Ganzen,
Der Leib iſt die Natur, die Seele
Gott.
Veraͤndert ſtets, und ſtets in allem
eins,
Groß in der Erd’, und im aͤtherſchen
Bau,
Waͤrmt ſie in Sonnen, und erfriſcht
im Weſt;
Gluͤht in den Sternen, und bluͤht in
dem Baum.
Sie lebt durch alle Leben voller Kraft;
Durch alles ausgedehnte dehnt ſie ſich,
Und theilt ſich, unzertheilbar, allen mit.
Sie ſchenket, ohne zu verſchwenden,
reich;
Sie athmet in den Seelen, und belebt
Was in uns ſterblich iſt; iſt eben ſo
Vollkommen und ſo groß in einem
Haar,
Als einem Herzen; eben ſo vollkommen
Jn dem unwuͤrdgen Menſchen, welcher
traurt,
Als
A a 3
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <lg type="poem">
          <lg n="20">
            <l>
              <pb facs="#f0213" n="189"/>
              <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Eilfter Ge&#x017F;ang.</hi> </fw>
            </l><lb/>
            <l>Oder des Ewigen Fußtritt erkennen? Denn ob ich vor ihm gleich<lb/><note place="left">350</note>Floh, da ich zornig ihn &#x017F;ah; doch, da er zu la&#x0364;ngeren Tagen</l><lb/>
            <l>Mich zuru&#x0364;ckegerufen, und ku&#x0364;nftig mir Saamen verheißen;</l><lb/>
            <l>So &#x017F;eh ich mit Freuden itzt &#x017F;elb&#x017F;t die a&#x0364;ußer&#x017F;ten Sa&#x0364;ume</l><lb/>
            <l>Seines Glanzes, und bethe von fern an, wo er gewandelt.</l>
          </lg><lb/>
          <lg n="21">
            <l><hi rendition="#fr">Michael</hi> gab mit gu&#x0364;tigem Blick ihm al&#x017F;o zur Antwort:<lb/><note place="left">355</note><hi rendition="#fr">Adam,</hi> du weißt es, der Himmel i&#x017F;t &#x017F;ein, &#x017F;ein i&#x017F;t auch die Erde,</l><lb/>
            <l>Und nicht die&#x017F;er Hu&#x0364;gel nur bloß; allgegenwa&#x0364;rtig</l><lb/>
            <l>Fu&#x0364;llet er Land und See und Luft, und alles, was lebet <cb/>
<note xml:id="f13" next="#f14" place="foot" n="n)">Der beru&#x0364;hmte Pope hat die&#x017F;en Ge-<lb/>
danken mit großer Sta&#x0364;rke weiter ausge-<lb/>
fu&#x0364;hrt <hi rendition="#aq">E&#x017F;&#x017F;ay on Man I.</hi> 259 &#xA75B;c.<lb/><hi rendition="#aq">All are but parts of one &#x017F;tupendous<lb/><hi rendition="#et">whole,</hi><lb/>
Who&#x017F;e body Nature is, and God the<lb/><hi rendition="#et">&#x017F;oul;</hi><lb/>
That, chang&#x2019;d thro&#x2019; all, and yet in all<lb/><hi rendition="#et">the &#x017F;ame</hi><lb/>
Great in the earth, as in th&#x2019; ethereal<lb/><hi rendition="#et">frame,</hi><lb/>
Warms in the &#x017F;un, refreshes in the<lb/><hi rendition="#et">breeze,</hi><lb/>
Glows in the &#x017F;tars, and blo&#x017F;&#x017F;oms in<lb/><hi rendition="#et">the trees,</hi><lb/>
Lives thro&#x2019; all life, extends thro&#x2019; all<lb/><hi rendition="#et">extent,</hi><lb/>
Spreads undivided, operates un&#x017F;pent,<lb/>
Breathes in our &#x017F;oul, informs our<lb/><hi rendition="#et">mortal part,</hi><lb/>
As full, as perfect in a hair, as heart,<lb/>
As full, as perfect in vile man that<lb/><hi rendition="#et">mourns,</hi><lb/>
As the rapt Seraph that adores and<lb/><hi rendition="#et">burns;</hi><lb/>
To him, no high, no low, no great,<lb/><hi rendition="#et">no &#x017F;mall;</hi><lb/><cb/>
He fills, he bounds, connects, and<lb/><hi rendition="#et">equals all.</hi></hi><lb/>
So &#x017F;ind denn alle Dinge Theile bloß<lb/>
Von Einem unermeßlich großen<lb/><hi rendition="#et">Ganzen,</hi><lb/>
Der Leib i&#x017F;t die Natur, die Seele<lb/><hi rendition="#et">Gott.</hi><lb/>
Vera&#x0364;ndert &#x017F;tets, und &#x017F;tets in allem<lb/><hi rendition="#et">eins,</hi><lb/>
Groß in der Erd&#x2019;, und im a&#x0364;ther&#x017F;chen<lb/><hi rendition="#et">Bau,</hi><lb/>
Wa&#x0364;rmt &#x017F;ie in Sonnen, und erfri&#x017F;cht<lb/><hi rendition="#et">im We&#x017F;t;</hi><lb/>
Glu&#x0364;ht in den Sternen, und blu&#x0364;ht in<lb/><hi rendition="#et">dem Baum.</hi><lb/>
Sie lebt durch alle Leben voller Kraft;<lb/>
Durch alles ausgedehnte dehnt &#x017F;ie &#x017F;ich,<lb/>
Und theilt &#x017F;ich, unzertheilbar, allen mit.<lb/>
Sie &#x017F;chenket, ohne zu ver&#x017F;chwenden,<lb/><hi rendition="#et">reich;</hi><lb/>
Sie athmet in den Seelen, und belebt<lb/>
Was in uns &#x017F;terblich i&#x017F;t; i&#x017F;t eben &#x017F;o<lb/>
Vollkommen und &#x017F;o groß in einem<lb/><hi rendition="#et">Haar,</hi><lb/>
Als einem Herzen; eben &#x017F;o vollkommen<lb/>
Jn dem unwu&#x0364;rdgen Men&#x017F;chen, welcher<lb/><hi rendition="#et">traurt,</hi><lb/>
<fw place="bottom" type="catch">Als</fw></note>,<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">A a 3</fw><fw place="bottom" type="catch">Wel-</fw><lb/></l>
          </lg>
        </lg>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[189/0213] Eilfter Geſang. Oder des Ewigen Fußtritt erkennen? Denn ob ich vor ihm gleich Floh, da ich zornig ihn ſah; doch, da er zu laͤngeren Tagen Mich zuruͤckegerufen, und kuͤnftig mir Saamen verheißen; So ſeh ich mit Freuden itzt ſelbſt die aͤußerſten Saͤume Seines Glanzes, und bethe von fern an, wo er gewandelt. Michael gab mit guͤtigem Blick ihm alſo zur Antwort: Adam, du weißt es, der Himmel iſt ſein, ſein iſt auch die Erde, Und nicht dieſer Huͤgel nur bloß; allgegenwaͤrtig Fuͤllet er Land und See und Luft, und alles, was lebet n), Wel- n) Der beruͤhmte Pope hat dieſen Ge- danken mit großer Staͤrke weiter ausge- fuͤhrt Eſſay on Man I. 259 ꝛc. All are but parts of one ſtupendous whole, Whoſe body Nature is, and God the ſoul; That, chang’d thro’ all, and yet in all the ſame Great in the earth, as in th’ ethereal frame, Warms in the ſun, refreshes in the breeze, Glows in the ſtars, and bloſſoms in the trees, Lives thro’ all life, extends thro’ all extent, Spreads undivided, operates unſpent, Breathes in our ſoul, informs our mortal part, As full, as perfect in a hair, as heart, As full, as perfect in vile man that mourns, As the rapt Seraph that adores and burns; To him, no high, no low, no great, no ſmall; He fills, he bounds, connects, and equals all. So ſind denn alle Dinge Theile bloß Von Einem unermeßlich großen Ganzen, Der Leib iſt die Natur, die Seele Gott. Veraͤndert ſtets, und ſtets in allem eins, Groß in der Erd’, und im aͤtherſchen Bau, Waͤrmt ſie in Sonnen, und erfriſcht im Weſt; Gluͤht in den Sternen, und bluͤht in dem Baum. Sie lebt durch alle Leben voller Kraft; Durch alles ausgedehnte dehnt ſie ſich, Und theilt ſich, unzertheilbar, allen mit. Sie ſchenket, ohne zu verſchwenden, reich; Sie athmet in den Seelen, und belebt Was in uns ſterblich iſt; iſt eben ſo Vollkommen und ſo groß in einem Haar, Als einem Herzen; eben ſo vollkommen Jn dem unwuͤrdgen Menſchen, welcher traurt, Als A a 3

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/milton_paradies02_1763
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/milton_paradies02_1763/213
Zitationshilfe: Milton, John: Das Verlohrne Paradies. Bd. 2. Übers. v. Justus Friedrich Wilhelm Zachariae Altona, 1763, S. 189. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/milton_paradies02_1763/213>, abgerufen am 27.11.2024.