Mir gesagt, nicht verbergen; sie zeigen vielleicht uns ein Mittel, Einige Linderung, oder wohl gar das Ende zu finden Dieser unserer äußersten Noth. So traurig es seyn mag, 1045Jst es erträglicher doch, als dieser entsetzliche Jammer. Drückt uns die Sorge zu sehr für unser künftig Geschlechte, Welches gebohren, bestimmt zum allergewissesten Unglück, Endlich vom Tode verschlungen wird; und ist es so elend, Sich als den einzigen Grund von anderer Elend zu sehen, 1050Welche man selber erzeugt; ist uns der Vorwurf so schrecklich, Einen bedaurenswürdigen Stamm aus unseren Lenden Auf die Erde zu setzen, die nun ihr Schöpfer verflucht hat, Ein Geschlecht, das zuletzt, nach einem Leben voll Jammer, Einem so scheuslichen Ungeheuer zum Raube bestimmt ist: -- 1055Adam, so steht es bey dir, dem Daseyn dieses Geschlechtes, Welches so vieles Unglück erwartet, zuvorzukommen. Ohne Kinder bist du, bleib ohne Kinder! So sieht sich So auf einmal der Tod um seine Beute betrogen, Und sein Schlund muß allein sich mit uns beyden begnügen. 1060Hältst du es aber für schwer, im süßesten täglichen Umgang Sich zu sehn und zu lieben, und doch der Gebräuche der Liebe Und der ehlichen Sitten sich zu enthalten, voll Sehnsucht Ohne Hoffnung zu schmachten vor seinem Geliebten, der gleichfalls Ohne Hoffnung verschmachtet; ein Zwang, ein schwereres Elend' 1065Als die härteste Pein, die wir in Zukunft befürchten: -- Adam, so laß uns geschwind, und ohne länger zu zögern, Uns, und unser Geschlecht, von dem, was wir fürchten, befreyen.
Laß
Das verlohrne Paradies.
Mir geſagt, nicht verbergen; ſie zeigen vielleicht uns ein Mittel, Einige Linderung, oder wohl gar das Ende zu finden Dieſer unſerer aͤußerſten Noth. So traurig es ſeyn mag, 1045Jſt es ertraͤglicher doch, als dieſer entſetzliche Jammer. Druͤckt uns die Sorge zu ſehr fuͤr unſer kuͤnftig Geſchlechte, Welches gebohren, beſtimmt zum allergewiſſeſten Ungluͤck, Endlich vom Tode verſchlungen wird; und iſt es ſo elend, Sich als den einzigen Grund von anderer Elend zu ſehen, 1050Welche man ſelber erzeugt; iſt uns der Vorwurf ſo ſchrecklich, Einen bedaurenswuͤrdigen Stamm aus unſeren Lenden Auf die Erde zu ſetzen, die nun ihr Schoͤpfer verflucht hat, Ein Geſchlecht, das zuletzt, nach einem Leben voll Jammer, Einem ſo ſcheuslichen Ungeheuer zum Raube beſtimmt iſt: — 1055Adam, ſo ſteht es bey dir, dem Daſeyn dieſes Geſchlechtes, Welches ſo vieles Ungluͤck erwartet, zuvorzukommen. Ohne Kinder biſt du, bleib ohne Kinder! So ſieht ſich So auf einmal der Tod um ſeine Beute betrogen, Und ſein Schlund muß allein ſich mit uns beyden begnuͤgen. 1060Haͤltſt du es aber fuͤr ſchwer, im ſuͤßeſten taͤglichen Umgang Sich zu ſehn und zu lieben, und doch der Gebraͤuche der Liebe Und der ehlichen Sitten ſich zu enthalten, voll Sehnſucht Ohne Hoffnung zu ſchmachten vor ſeinem Geliebten, der gleichfalls Ohne Hoffnung verſchmachtet; ein Zwang, ein ſchwereres Elend’ 1065Als die haͤrteſte Pein, die wir in Zukunft befuͤrchten: — Adam, ſo laß uns geſchwind, und ohne laͤnger zu zoͤgern, Uns, und unſer Geſchlecht, von dem, was wir fuͤrchten, befreyen.
Laß
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Das verlohrne Paradies.
Mir geſagt, nicht verbergen; ſie zeigen vielleicht uns ein Mittel,
Einige Linderung, oder wohl gar das Ende zu finden
Dieſer unſerer aͤußerſten Noth. So traurig es ſeyn mag,
Jſt es ertraͤglicher doch, als dieſer entſetzliche Jammer.
Druͤckt uns die Sorge zu ſehr fuͤr unſer kuͤnftig Geſchlechte,
Welches gebohren, beſtimmt zum allergewiſſeſten Ungluͤck,
Endlich vom Tode verſchlungen wird; und iſt es ſo elend,
Sich als den einzigen Grund von anderer Elend zu ſehen,
Welche man ſelber erzeugt; iſt uns der Vorwurf ſo ſchrecklich,
Einen bedaurenswuͤrdigen Stamm aus unſeren Lenden
Auf die Erde zu ſetzen, die nun ihr Schoͤpfer verflucht hat,
Ein Geſchlecht, das zuletzt, nach einem Leben voll Jammer,
Einem ſo ſcheuslichen Ungeheuer zum Raube beſtimmt iſt: —
Adam, ſo ſteht es bey dir, dem Daſeyn dieſes Geſchlechtes,
Welches ſo vieles Ungluͤck erwartet, zuvorzukommen.
Ohne Kinder biſt du, bleib ohne Kinder! So ſieht ſich
So auf einmal der Tod um ſeine Beute betrogen,
Und ſein Schlund muß allein ſich mit uns beyden begnuͤgen.
Haͤltſt du es aber fuͤr ſchwer, im ſuͤßeſten taͤglichen Umgang
Sich zu ſehn und zu lieben, und doch der Gebraͤuche der Liebe
Und der ehlichen Sitten ſich zu enthalten, voll Sehnſucht
Ohne Hoffnung zu ſchmachten vor ſeinem Geliebten, der gleichfalls
Ohne Hoffnung verſchmachtet; ein Zwang, ein ſchwereres Elend’
Als die haͤrteſte Pein, die wir in Zukunft befuͤrchten: —
Adam, ſo laß uns geſchwind, und ohne laͤnger zu zoͤgern,
Uns, und unſer Geſchlecht, von dem, was wir fuͤrchten, befreyen.
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Milton, John: Das Verlohrne Paradies. Bd. 2. Übers. v. Justus Friedrich Wilhelm Zachariae Altona, 1763, S. 166. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/milton_paradies02_1763/188>, abgerufen am 17.02.2025.
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